• Keine Ergebnisse gefunden

Ressourcen für die Umsetzung betrieblicher Restrukturierungen

Im Verlauf des Gesprächs wurden die Interviewpartner nach den konkreten Bedin-gungen gefragt, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in den Restrukturie-rungen unterstützten. Wir konnten zwei Hauptkategorien identifizieren, denen sich die genannten Ressourcen zuordnen lassen. Wir fokussieren im Folgenden zunächst auf sachliche und anschließend auf organisationskulturelle Bedingungen der Arbeit, die die Umsetzung von Restrukturierungsprozessen unterstützen können.

Sachliche Bedingungen

Die von den Interviewpartnern formulierten sachlichen Bedingungen, die die Umset-zung von Restrukturierungen unterstützen können, lassen sich wie folgt strukturieren:

Frühzeitige örtliche Verfügbarkeit konkreter Informationen. Die Analyse der Her-ausforderungen, die in der Umsetzung von Restrukturierungen liegen, ergab, dass der frühzeitigen Verfügbarkeit von Informationen über aktuelle oder geplante Verän-derungen zentrale Bedeutung zukommt. Dies hat große Überschneidungen zur oben bereits beschriebenen Wichtigkeit der Kommunikation und verdeutlicht noch einmal die Bedeutsamkeit dieses Aspekts. Insbesondere in frühen Phasen von Restrukturie-rungsprozessen – etwa nach der Ankündigung durch die Geschäftsleitung – können starke Verunsicherungen auftreten, wenn die geplanten Veränderungen nicht ausrei-chend konkretisiert bzw. konkretisierbar sind (Mohr, 2000). Um die Beschäftigten für die anstehenden Veränderungen aufklären und sensibilisieren zu können, sollte die Organisation so frühzeitige, umfassende und konkrete Information wie möglich be-reitstellen. Danach gefragt, worauf es in Restrukturierungen in erster Linie ankommt, setzte ein Großteil der Führungskräfte folgende Betonung: „Ich würde mir wünschen, so früh wie möglich informiert zu werden. Um dann entsprechend reagieren zu kön-nen und Gespräche führen zu könkön-nen. Ja, das ist für mich das Wichtigste.“ [E:FK].

Auch die befragten Betriebsräte schlossen sich dieser Betonung mehrheitlich an:

„Also WIR würden aufgrund unserer Erfahrung ganz sicher erwarten, dass Informati-onen dazu möglichst frühzeitig bei uns landen.“ [E:BR]. Insbesondere in konzernartig strukturierten Organisationen muss zudem darauf geachtet werden, dass die nötigen Informationen auch vor Ort verfügbar sind, d.h. dass der Informationsfluss zwischen Zentrale und Betriebsstätten funktioniert.

Unterstützung für Konkretisierung und Individualisierung. Die Analyse ergab zum zweiten, dass der Kommunikation über die konkreten Implikationen von Rest-rukturierungen für die einzelnen Teams und Mitarbeiter eine hohe Bedeutung beige-messen wird. Abstrakte Zielvorgaben und Restrukturierungsankündigungen müssen dementsprechend konkretisierbar und auf der Ebene der Teams bzw. gegenüber einzelnen Mitarbeitern auch individualisierbar sein (Saksvik, Tvedt, Nytrø, Andersen, Andersen, Buvik, & Torvatn, 2007). Dies wurde in den Interviews deutlich benannt:

„Diese Veränderungen ganz konkret greifbar zu machen zu einem sehr, sehr frühen Zeitpunkt (…) Das war immer das Allerwichtigste. Was passiert mit meinem Arbeits-platz, wo sitze ich dann?“ [B:FK] In den Daten wurde allerdings auch deutlich, dass zeitliche und räumliche bzw. organisatorische Ressourcen (z.B. passgenaue Kom-munikationsformate) für solcherart konkretisierende und individualisierte Kommunika-tion nicht in demselben Maße wachsen wie ihr Bedarf.

Zeitliche, konzeptionelle und personelle Ressourcen. Zeitliche Ressourcen wer-den auch im Hinblick auf die operative Umsetzung, nachhaltige Implementation und Verankerung von Restrukturierungszielen und -vorgaben benötigt. Die Interviewda-ten weisen jedoch darauf hin, dass gleichzeitig stattfindende Veränderungen in der Organisation – sog. Turbulenzen (Herold, Fedor, Caldwell, & Liu, 2008) – weit ver-breitet sind und den Ausgang der Maßnahmen in Teilen zu einem Glückspiel mit un-bekanntem Ausgang machen (Balogun & Hailey, 2008). Dies impliziert erstens Zeit-knappheit in Bezug auf die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen. Zweitens wurde von einigen Interviewpartnern ein Bedarf an konkreten Umsetzungskonzepten geäu-ßert, während die Vorgaben der Organisation häufig in pauschalen Zielvorgaben

o-der allgemein gehaltenen Rahmenkonzepten bestanden. Die operative Umsetzung der Vorgaben erfordert konkrete und detaillierte Konzepte und Lösungen und häufig auch zusätzliche Arbeit an Schnittstellenkonzepten – Aufwände, die in der Planung der Maßnahmen häufig nicht berücksichtigt werden (Whelan-Berry & Somerville, 2010). Restrukturierungen gehen drittens zwar häufig mit dem Abbau bzw. der Ver-lagerung von Personal einher, unsere Daten zeigen jedoch, dass für ihre konkrete Umsetzung oftmals eigentlich zusätzliche personelle oder zeitliche Ressourcen be-nötigt würden. Dies gilt insbesondere während der Anpassung von Prozessen und Abläufen in Übergangsphasen, aber auch im Fall von Arbeitsintensivierung, Tätig-keitsveränderungen und damit einhergehenden, häufig parallel laufenden Qualifizie-rungsprozessen. In diesem Zusammenhang wurde bspw. ein Bedarf an der Funktion sog. Change Agents, Ansprechpartnern für Unklarheiten und auftretende Schwierig-keiten bei der Umsetzung der Maßnahmen, deutlich. Darüber hinaus wurde auch ein Bedarf an spezifisch qualifizierten personellen Ressourcen geäußert, um die aus permanenten Veränderungen resultierenden psychischen Belastungen besser bear-beiten zu können.

Organisationskulturelle Bedingungen

Die Organisationskultur kann umschrieben werden als die von den Organisations-mitgliedern geteilten Überzeugungen und Werte hinsichtlich des Ziels, der Art und Weise der Zielerreichung (Neuberger & Kompa, 1993; Schein, 2004). Diese Über-zeugungen gelten als selbstverständlich und werden selten oder gar nicht hinterfragt.

Dennoch bestimmen sie stark das Denken und Handeln der Organisationsmitglieder.

Die von den Interviewpartnern aufgegriffenen organisationskulturellen Bedingungen, die sie sich in der Umsetzung von Restrukturierungen gewünscht hätten, lassen sich wie folgt strukturieren:

Kommunikation und Führung. Viele Befragte adressierten Gesichtspunkte, die sich auf Kommunikation und Führung beziehen. Insbesondere in Bezug auf Verände-rungssituationen wurde nachdrücklich ein erhöhtes Verständnis für die Sichtweise anderer Akteure eingefordert (Kultur der Offenheit und des Verständnisses). Häufig wurde in diesem Zusammenhang die Bedeutung anerkennender und wertschätzen-der Umgangsformen sowie eines Kommunikationsstils auf Augenhöhe thematisiert.

Unterschiede in den Verhaltensmustern von Führungspersonen (individuelle Füh-rungsstile) wurden hier gelegentlich auf Alters- und Generationenaspekte zurückge-führt oder auf die Tatsache, dass der Führungs-gegenüber der fachlichen Qualifikati-on in der Ausbildung und organisatiQualifikati-onalen Praxis geringere Bedeutung beigemessen wird. Auf der anderen Seite bewegten sich manche Akteure in einem organisationa-len Klima eingeschränkter Kommunikation und Kritikfähigkeit; mitunter war sogar von einem „Angstklima“ die Rede. Von der Gesamtorganisation wurde hier vor allem eine höhere Offenheit und Akzeptanz in der Kommunikation von unten nach oben einge-fordert, bspw. gegenüber Rückmeldungen von Führungskräften „nach oben“, dass Zielvorgaben nicht oder nur mit erhöhtem Ressourceneinsatz umsetzbar sind.

Partizipation. Oben wurde deutlich, dass aus Sicht unserer Interviewpartner die frühzeitige und konkrete Information über geplante Veränderungen zentrale Bedeu-tung für ihre erfolgreiche Umsetzung hatte. Darüber hinaus formulierten die Inter-viewpartner häufig den Wunsch nach einer stärkeren Einbindung in die konkrete Pla-nung und operative Ausgestaltung von Maßnahmen sowie mehr Möglichkeiten zur Mitentscheidung: „Also (...) da hätte ich mir auch gewünscht, noch viel früher

einge-bunden worden zu sein und vielleicht auch noch mehr mitentscheiden zu können.

Denn es gab letztendlich dann ein Tableau (…) da konnten wir zum Glück auch noch mal eingreifen, um Schlimmstes zu verhindern.“ [B:FK]. Sowohl auf Seiten der Füh-rungskräfte als auch im Betriebsrat und in der Mitarbeiterschaft war häufig viel Wis-sen um konkrete Arbeitsabläufe, Schnittstellen und individuelle Kompetenzen vor-handen, welches die Ausgestaltung von Restrukturierungsmaßnahmen sinnvoll un-terstützen könnte, jedoch selten genutzt wurde. In Einzelfällen wurde uns jedoch auch von positiven Verläufen berichtet, in denen die operative Umsetzung mit zeitli-chem Vorlauf, untersetzt mit personellen Kapazitäten und unter Einbezug zentraler Akteure ausgestaltet wurde.

Kooperation. Unter dem Stichwort ‚Negative Emotionen‘ wurden Hinweise darauf gegeben, welche negativen Wirkungen unzureichend gestaltete Veränderungspro-zesse auf die Zusammenarbeit im Team haben können. Zugleich wiesen die Daten jedoch auf eine enorme Bedeutungssteigerung von Kooperationen in Veränderungs-prozessen hin; wir unterscheiden hierbei vier Dimensionen. 1) Der horizontale Aus-tausch wird insbesondere auf der Ebene mittlerer Führungskräfte als unterstützende Bedingung für die Bewältigung von Aufgaben und Herausforderungen in Restruktu-rierungen wahrgenommen. 2) In der vertikalen Dimension ist die Unterstützung durch die übergeordnete Führungsebene relevant, um das Grundgerüst und insbesondere die Schnittstellen der zu reorganisierenden Prozesse zu konzeptualisieren und zu organisieren. Horizontale wie vertikale Kooperationsbeziehungen werden jedoch zu-gleich nicht selten durch ein organisationales ‚Angstklima‘ behindert. 3) Die Restruk-turierung von Arbeitsprozessen und -strukturen erhöht zwar die Berührungspunkte vormals getrennter Einheiten. Allerdings stehen – je nach Veränderungs- und Kom-munikationskultur – negative Emotionen von Mitarbeitern einem intensivierten Aus-tausch entgegen und erschweren die Kooperation zwischen Teams oder über Standorte hinweg. 4) In einigen Organisationen bzw. Organisationseinheiten wuchs das Bewusstsein, unterschiedliche Akteure „mit ins Boot zu holen“, um die Restruktu-rierungsziele besser erreichen zu können. In positiven Fällen fand hier offener und gleichberechtigter Austausch zwischen Führungskräften und Betriebsrat sowie auch die Einbindung zentraler Einrichtungen wie z.B. dem QM oder dem Betrieblichen Ge-sundheitsmanagement statt.

2.3 Diskussion der Ergebnisse und Ableitungen für die