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Respekt vor den Menschenrechten sind „the business of business“

Im Dokument BLAUE REIHE (Seite 66-70)

Menschenrechte als unternehmerische Verantwortungs- Verantwortungs-dimension

4. Respekt vor den Menschenrechten sind „the business of business“

Eines ist sicher: Wer gegen den wichtigsten Konsens der Völkergemeinschaft verstößt, stellt sich außerhalb des Korridors akzeptablen Handelns. Das gilt nicht nur für die „üblichen Ver-dächtigen“, deren Verbrechen in den Jahresberichten von Amnesty International aufgelistet sind, sondern auch für Unternehmen. Mit dem Bericht des „Special Representative of the UN Secretary-General on Human Rights & Business“ steht seit Juni 2008 ein neuer Referenz-rahmen für menschenrechtskonformes unternehmerisches Handeln zur Verfügung. Verant-wortlich handelnde Unternehmen werden ihre Geschäftspraktiken und deren Auswirkungen auf Dritte im Lichte dieser Bezugsnorm analysieren und, falls erforderlich, entsprechend kor-rigieren. Es gibt für integer handelnde Unternehmen keine rationale Begründung, Menschen-rechtsverletzungen auf dem Wege zu ihrer Gewinnerzielung zu tolerieren, geschweige denn, aktiv dazu beizutragen. Diese Feststellung gilt ohne jede Einschränkung für alle gesetzlich festgeschriebenen Pflichten. Wo die nationale Legalität nicht mit einer aus internationaler Sicht definierten Legitimität in Übereinstimmung steht, kommen zusätzliche Pflichten ins Spiel, deren Details von Fall zu Fall und im Kontext der spezifischen Rahmenbedingungen abgeklärt werden müssen.

Für den konstruktiven Umgang mit unternehmerischen Menschenrechtsverantwortungen gibt es neben der moralischen Richtigkeit eine Reihe von guten Sachgründen:

25 www.ft.com/cms/s/0/30fee3aa-3312-11dd-8a25-0000779fd2ac.html?nclick_check=1

26 www.iblf.org/resources/general.jsp?id=123946

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• Unternehmen, die die Qualität ihrer menschenrechtsrelevanten Standards kritisch reflek-tieren, durch Dialoge mit Anspruchsgruppen den Puls gesellschaftlicher Erwartungen füh-len und bereit sind, sich an Legitimitätskriterien und nicht ausschließlich Legalitätskrite-rien messen zu lassen, betreiben im umfassenden Sinne proaktives Wertemanagement und reduzieren dadurch ihre legalen, finanziellen und Ansehensrisiken. Wenn man davon ausgeht, dass der gute Name eines börsennotierten Unternehmens bis zu über 50 Pro-zent seines Gesamtwertes ausmachen kann, wird klar, um welche potentiellen Scha-densgrößenordnungen es hier geht. Die durch verantwortungsvolles Handeln eventuell entstehenden Mehrkosten sind als Versicherungsprämie gegen das Eintreten solcher Ri-siken zu betrachten.

• Unternehmen, die menschenrechtsrelevante Friktionspotentiale mit der Gesellschaft vermindern, weil sie integer handeln, werden eher als Teil der Lösung für soziale Miss-stände denn als Teil des Problems angesehen. Dies erhält einem Unternehmen seine gesellschaftliche Betriebslizenz und bewahrt es vor Boykottaufrufen oder öffentlichen Anprangerungskampagnen.

• Unternehmen, die den Ruf haben, Menschenrechte ernst zu nehmen und dafür auch Sonderleistungen zu erbringen, haben tendenziell motiviertere Mitarbeiter, weil diese mit Stolz auf ihr Unternehmen blicken und sich mit dessen Zielen identifizieren; ebenfalls wird das Unternehmen attraktiver für hoch qualifizierte Talente – beides erhöht die Pro-duktivität.

• Unternehmen, deren menschenrechtsrelevante Leistung als mustergültig betrachtet wird, werden (unter sonst gleich bleibenden finanziellen und anderen Leistungskriterien) von einschlägigen Investmentberatern und ethisch sensiblen Kunden bevorzugt – was auf-grund der ethischen Unterscheidbarkeit zu Vorteilen bei der Unternehmensbewertung und auf etablierten Märkten im Wettbewerb (insbesondere mit vergleichbaren Produkten) führen kann.

• Nachhaltig verantwortungsvolles Handeln schafft für alle potentiellen Kooperationspart-ner (z.B. joint ventures, Akquisitionen und Fusionen) höhere Erwartungssicherheit und damit bessere Kooperationschancen.

• Schließlich ist die glaubwürdige, weil überprüfbare Übernahme menschenrechtsbezoge-ner Eigenverantwortung das beste Argument gegen zusätzliche Regulierungsforderun-gen: Freiheit, auch unternehmerische, ist immer rückgebunden an Verantwortung für das Gemeinwohl – und hier stehen die Menschenrechte an oberster Stelle.

Unternehmen wird in zunehmendem Maße menschenrechtsbezogene, moralische Verant-wortung zugeteilt, die sie aus Legitimationsgründen im wohlverstandenen Eigeninteresse wahrnehmen sollten. Wünschenswert wäre, dass Unternehmen, die sich in menschenrechtli-cher Hinsicht (aber auch aus sozialer, ökologismenschenrechtli-cher Sicht und bei der Arbeit gegen Korrupti-on) in vorbildlicher Weise verhalten, durch die Akteure der Zivilgesellschaft (nichtstaatliche Organisationen, Medien, politische Parteien) vermehrt eine differenzierte Beurteilung erfah-ren, anstatt mit den jeweils schlimmsten Fällen von Fehlverhalten in einen Diskussionskorb geworfen zu werden. Das dadurch verliehene moralische Reputationskapital würde zusätzli-che Anstrengungen aller Art belohnen und damit mit der Zeit eine neue Wettbewerbsebene schaffen. Das wäre im Interesse aller, denen Menschenrechte am Herzen liegen.

„Weltnormativität statt Weltrecht“

Zusammenfassung der Diskussion zum Beitrag von Prof Dr. Klaus Leisinger

Die Tagungsteilnehmer diskutieren unter ande-rem über die Chancen und Grenzen des Glo-bal Compacts (GC). Leisinger appellierte, dass der GC nicht auf Mengenwachstum an sich setzen solle und man darauf achten müsse, bei unterschiedlichen Unternehmen auch ver-schiedene Bewertungsmaßstäbe anzusetzen.

Darüber hinaus habe das Global Compact Büro in New York zu wenig Ressourcen. Die Bedeutung des Global Compacts hänge, so Leisinger, zu einem großen Teil von der eige-nen Kommunikation ab. Weiterhin würde die externe Accountability heute auch durch ande-re Akteuande-re, unter andeande-rem NGOs, Medien und Investmentorganisationen, unterstützt – aller-dings nicht in einem ausreichenden Maße.

Unter anderem interessierten sich die Ta-gungsteilnehmer für das Risiko einer Beliebig-keit der Zielsetzungen, die sich Unternehmen stecken würden. Gebe es Länderatlanten oder Absprachen innerhalb einer Industrie? Zwar sei, so Leisinger, der Global Compact eine Art abstrakter Regenschirm, verschiedene Ausdif-ferenzierungen der Normanwendung müssten aber von den Industrien definiert werde. Für die Pharmaindustrie sei man dazu auf dem besten Wege. Auch von NGOs gebe es so genannte Risikolandkarten.

Viel Diskussionsbedarf gab es bezüglich der Normenpyramide (Muss-, Kann- und Soll-Dimension unternehmerischer Menschen-rechtsverantwortungen). Vor allem die tatsäch-liche Verpflichtung der Unternehmen und die Rechtswirklichkeit – im Hinblick auf die Muss-Dimension – standen dabei im Mittelpunkt. Mit Blick auf die Pharmaindustrie machte Leisinger deutlich, dass die Akzeptanz nicht davon ab-hänge, ob Gesetze eingehalten, sondern ob die Erwartungen der Gesellschaft erfüllt wür-den. Oft sei die gesellschaftliche Erwartung an ein Unternehmen sehr viel höher als die unter-nehmenseigene. Hier sei es besonders wich-tig, dass das Unternehmen für sich kläre, was zumutbar sei und was nicht.

Des Weiteren wurde nach der Ausweitung der extraterritorialen Gesetzgebung in Bezug auf menschenrechtliche Verpflichtungen von Un-ternehmen (Alien Torts Claim Act) gefragt.

Diese Möglichkeit begrüßte Leisinger aus-drücklich, wies aber darauf hin, dass auch hier das bereits diskutierte Problem fehlender Staatlichkeit relevant sei. Bruha erweiterte die Möglichkeit der Einsetzung nationalen Rechts zum Schutz internationaler Standards um eine europäische Dimension: Man solle das europä-

ische Recht (z.B. das Wettbewerbsrecht) hin-sichtlich seiner Instrumentalisierung untersu-chen, die es in etwa gegen Absprachen von Unternehmen gebe, welche sich durch Korrup-tion Marktvorteile verschaffen und damit den Wettbewerb im gemeinsamen Markt beein-trächtigen. Rechtlich wäre eine solche Argu-mentationen durchaus möglich, allerdings wird sie bisher nicht realisiert.

Im Hinblick auf das Tagungsthema Weltrecht und seine Charakterisierung als Über-das-Recht-Hinausgehende betonte Steiger die Wichtigkeit des Zusammenspiels aller drei Dimensionen – Muss, Kann und Soll. Er selbst würde wie alle Juristen dazu neigen, lediglich die Muss-Dimension anzuerkennen und zu untersuchen. Man müsse aber immer das Zu-sammenspiel der Gesetze mit den sozialen und moralischen Normen betrachten. Es sei in diesen Diskussionen sehr deutlich geworden, dass wir in verschiedenen Normkategorien leben – schließlich seien auch die Menschen-rechte nicht nur positives Recht, sondern hät-ten ihren philosophischen und moralischen Geltungsgrund. Steiger wies darauf hin, dass man anstelle von Weltrecht lieber von einer Weltnormativität reden solle, die symbiotisch sei und die Grundlage für eine neue Ordnung bilde. Weiß wies darauf hin, dass diese Ver-bindung der verschiedenen Normativitäten aber auch die Aufgabe mit sich bringe, nach der Durchsetzung derselben zu fragen. Völker-recht beträfe eben nur einen kleinen Teil der zu regelnden Materie und kann weitergehen-den Moralvorstellungen dann auch nicht ge-recht werden.

Fröhlich äußerte seine Bedenken gegenüber dem Kann-Bereich, welcher durch die Phi-lantrophie charakterisiert sei. Dieser Bereich sei sehr stark auf die Kernkompetenz der Un-ternehmen beschränkt. Die Resultate zielten auf quantitative Werte (x Personen haben das Medikament bekommen). Aber wie komme man nun von der quantitativen Bilanz hin zu den Voraussetzungen guter Entwicklung und menschenrechtskonformer Unternehmenstä-tigkeit? Leisinger bekräftigte, dass anstelle der Quantität die Transparenz die wichtigste Vari-able sein müsse. Input messen könne jeder, aber wichtig sei die Frage des Impacts bzw.

der Konsequenzen des Handelns von Unter-nehmen.

Diskutiert wurde auch die Frage der Unter-nehmenstätigkeit in einer sich permanent ver-schlechternden Situation in einem Land. So

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fragte Thomas Nehls, ob es denn eine Schwel-le gebe, ab der man Investitionen einstelSchwel-len oder sich sogar aus einem Land zurückziehen müsse. Wenn der Anreiz der Zusammenarbeit nicht mehr da sei, so Leisinger, dürfe man nicht weiter zusammenarbeiten, da man sonst ein falsches Signal setze. Ulbert wies darauf hin, dass man sich der Konsequenzen eines Rückzuges bewusst sein müsse. Es treffe vor allem besonders vulnerable Gruppen, die dann meist in noch viel schlimmere Arbeitsverhält-nisse abgedrängt würden. Dies zeige auch die – bereits durch Leisinger dargestellte – wirkli-che Komplexität, vor der Einzelunternehmen ständen.

Neben Novartis waren es insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) und deren Möglichkeiten Menschen-rechtsschutz und Wirtschaftstätigkeit zu ver-binden, die die Diskutanten interessierten. Hier

sei insbesondere der Anreiz der internationa-len Geschäftstätigkeit entscheidend. So erläu-terte Leisinger, dass KMUs, die mit Novartis in Schwellenländern arbeiteten, bestimmte Stan-dards einhalten müssten – die sphere of in-fluence sei hier der entscheidende Anreiz.

Allerdings käme hier auch dem Verbraucher eine große Rolle zu.

Grundsätzlich sprach Leisinger von der wichti-gen Rolle, die dem einzelnen Menschen zu-käme. Die meisten Personen hätten genaue Vorstellungen davon, was sie wollen. Man müsse die Menschen daran erinnern, dass sich ihr Tun nicht nur als Privatpersonen ver-antworten müssten, sondern sich auch der Tatsache bewusst werden, dass und auf wel-che Art und Weise sie mit ihrem (Kon-sum)Verhalten Einfluss nehmen können. Dies sei wichtiger und würde mehr Bewegung brin-gen, als neue Gesetze zu schaffen.

Weltfriedenssicherung und institutionelle Anforderungen

Im Dokument BLAUE REIHE (Seite 66-70)