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5 Resümee der interdisziplinären Fachdidaktiktage 2017 bis 2019

Mit den beiden Fachdidaktiktagen zu Industrie 4.0 betraten die Ausbilder:innen des Beruflichen Seminars Karlsruhe Neuland. Das Konzept der beiden Tage war sehr an-spruchsvoll: Jeweils rund 30 angehende Wissenschaftliche und Technische Lehrer:in-nen mit unterschiedlichen Fächern, acht Fachdidaktik-Ausbilder, eine anspruchs-volle praxisnahe Aufgabenstellung, ein komplexes didaktisches Setting und das alles in einer hoch vernetzten Lernumgebung. Doch bereits die erste Durchführung gelang und das angestrebte Ziel, die Erstellung eigener Unterrichtsentwürfe, wurde erreicht.

Die Rückmeldung der Teilnehmer:innen der ersten Fachdidaktiktage 2017 zeigte folgendes Bild: Die angehenden Lehrkräfte mit den Fächern Energie- und Automa-tisierungstechnik, System- und Informationstechnik, Informatik und Elektrotech-nik äußerten hohe Zufriedenheit. Für die Teilnehmenden mit den Fächern Ferti-gungstechnik und Metall- und Kunststofftechnik war das Veranstaltungssetting 2017 teilweise weniger günstig: Für sie steht nicht der Eingriff in die Steuerung und Ver-netzung einer Industrie-4.0-Anlage im Vordergrund, sondern die ganzheitliche Be-trachtung der dort ablaufenden Produktionsprozesse und deren Qualitätssicherung.

Auch die Seminarausbilder:innen sahen Verbesserungsbedarf: Der Fokus sollte noch stärker auf die Erarbeitung von Unterrichtsentwürfen gerichtet und die Teilnehmen-den dabei noch intensiver unterstützt werTeilnehmen-den.

Bei der Konzipierung der Fachdidaktiktage 2018 wurden diese Anregungen be-rücksichtigt. Bei der Vorbereitung der Veranstaltung glichen die Seminarausbil-der:innen der verschiedenen Fachdidaktiken ihre Vorgaben zu den Unterrichtsent-würfen ab und klärten ihre Erwartungen dazu. So konnten sie die Lernsituation und die dazugehörenden Arbeitsaufträge für den zweiten Tag klarer kommunizieren und

Abbildung 7:

die angehenden Lehrkräfte zielgerichteter unterstützen. Darüber hinaus erhielten die angehenden Fertigungstechnik-Lehrkräfte eine veränderte Aufgabenstellung: Am ersten Tag sollten sie ein Fertigungskonzept für den gesamten Produktionsprozess in der Lernfabrik 4.0 erstellen, dabei die Fertigungszeiten und mögliche Engpass-stellen berücksichtigen und Optimierungsmöglichkeiten – auch hinsichtlich der Produktqualität – erarbeiten. Das Weiterdenken hat sich gelohnt: Bei der abschlie-ßenden Befragung äußerten die Teilnehmenden der Fachdidaktiktage 2018 überein-stimmend eine sehr große Zufriedenheit, sodass das Konzept 2019 fast unverändert fortgeführt wurde.

Auch die beteiligten Seminarausbilder:innen betrachten die interdisziplinären Fachdidaktiktage als großen Gewinn. Ihre Vorbereitung erforderte zwar – vor allem in den ersten beiden Jahren – sehr viel Zeit, hohe Kreativität und umfangreiche Ab-stimmungsprozesse. Doch die enge kollegiale Zusammenarbeit über die Grenzen der eigenen Fachdidaktik hinwegbrachte nicht nur den angehenden Lehrkräften, sondern auch den Ausbilder:innen einen Zugewinn an interdisziplinärem Denken und Handeln, fachübergreifendem Prozessverständnis und Problemlösekompetenz.

Das Berufliche Seminar Karlsruhe wird die interdisziplinären Fachdidaktiktage als festen Ausbildungsbestandteil künftig jedes Jahr anbieten.

Ausschlaggebend für ihren Erfolg ist neben dem hohen Engagement der Semi-narausbilder:innen die hervorragende Zusammenarbeit zwischen dem Beruflichen Seminar und der Carl-Benz-Schule. Ohne enge Abstimmung bei der Vorbereitung und Durchführung ist diese Form der ausgelagerten Fachdidaktik nicht möglich. An dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank an OStD Volker Bachura, Schulleiter der Carl-Benz-Schule Gaggenau, und alle involvierten Lehrkräfte seiner Schule.

6 Ausblick

Je mehr sich das Berufliche Seminar Karlsruhe mit Industrie 4.0 befasst, desto klarer wird: Das Thema kann aufgrund seiner Tragweite nicht auf die Ausbildung von Lehrkräften mit gewerblich-technischen Fächern beschränkt bleiben. Industrie 4.0 wird die Strukturen und Organisationsformen in den Betrieben, die Zahl und Ge-staltung von Arbeitsplätzen und damit letztlich die gesamte Arbeitswelt nachhaltig verändern. Diese Veränderungen und ihre möglichen Konsequenzen für die Ausbil-dung von Lehrer:innen beruflicher Schulen sollen zum Abschluss beispielhaft kurz angerissen werden:

Industrie 4.0 hat Auswirkungen auf die gesamte Prozesskette vom Auftragsein-gang über die Materialbeschaffung und die Fertigung bis zur Auslieferung und Rechnungsstellung. Eine logische Folge sind veränderte Geschäftsprozesse, die vom kaufmännischen Fachpersonal ein erweitertes Wissen und Können erfordern. Dies betrifft beispielsweise auch die Berufsausbildungen Industriekauffrau/-mann, Fach-kraft für Lagerlogistik und Kauffrau/-mann im Groß- und Außenhandel. Hohe Rele-vanz kommt dem Thema Industrie 4.0 auch im Wirtschaftsgymnasium zu.

Die Kaufmännischen Schulen haben dies erkannt und reagiert. Unter den 21 vom Wirtschaftsministerium 2018 geförderten Standorten für Lernfabrik-4.0-Anla-gen sind zehn Kooperationen von Gewerblichen und Kaufmännischen Schulen. Die Carl-Benz-Schule Gaggenau hat auch hier wieder frühzeitig reagiert und kooperiert bei der Nutzung der Lernfabrik künftig auch mit der Handelslehranstalt Rastatt. Ihr gemeinsames Ziel ist es, gewerbliche und kaufmännische Berufsausbildungen im Kontext von Industrie 4.0 zu vernetzen. Parallel dazu plant das Berufliche Seminar Karlsruhe, die Lernfabrik künftig auch für die Ausbildung kaufmännischer Leh-rer:innen zu nutzen.

Mit der beschleunigten Digitalisierung und dem Internet der Dinge werden sich nicht nur die Anzahl und die Qualifizierungsanforderungen vieler Arbeitsplätze, sondern auch ihre soziale Gestaltung und ihre Kommunikationsabläufe verändern.

Das gilt absehbarerweise für nahezu alle Bereiche – von der industriellen Fertigung über die Verwaltung und Beratung bis hin zu Pflege und Gesundheit. Damit stellt sich immer stärker die Frage, wie wir als Gesellschaft künftig leben und arbeiten wollen. Welche Auswirkungen haben die mit den technologischen Entwicklungen einhergehende Beschleunigung und Effizienzsteigerung, die ja vorrangig den legiti-men Interessen der Wirtschaft dienen, auf die Arbeitnehmer:innen, die Kunden und die Gesellschaft? Können wir akzeptieren, dass die immer schnelleren Produktions-zyklen und die damit verbundene immer kürzere Nutzungsdauer der Produkte ne-gative Auswirkungen auf die Umwelt haben? Welchen Einfluss hat die zunehmende Automatisierung auf die soziale Interaktion am Arbeitsplatz und zwischen Mitarbei-ter und Kunde? Werden auch Berufsfelder, die bisher geprägt sind von Fürsorge und emotionaler Bindung, künftig von einer entpersönlichten Mensch-Maschine- oder Mensch-Website-Kommunikation dominiert?

Diese berufsethischen Fragen erfordern eine kritische Reflexion und eine konstruk-tive Gestaltung. Die Lehrer:innen an den beruflichen Schulen werden sich – quer über alle Bildungsgänge und Fächer – in ihren jeweiligen Unterrichtsinhalten und in der Diskussion mit ihren Schüler:innen mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. Es ist Aufgabe der Seminare, sie darauf vorzubereiten.

Literatur

Landesinstitut für Schulentwicklung (Hrsg.; 2016): Industrie 4.0 - Umsetzung im Unter-richt. Szenarien zu Industrie 4.0 mit handlungsorientierten Aufgabenstellungen.

Stuttgart 2016. Online: https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/berufliche-schularten/schulartuebergreifend/industrie_4.0.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Aufbau einer Industrie-4.0-Lernfabrik der Firma Festo Didactic . . . . 63 Abb. 2 Umsetzungsstrategie für das Thema Industrie 4.0 an beruflichen Schulen . . . 64 Abb. 3 Bedeutung der identifizierten sechs Szenarien für verschiedene

gewerb-lich-technische Ausbildungsberufe bzw. Bildungsgänge . . . . 65 Abb. 4 Fächer bzw. Fachdidaktiken in der Lehrerausbildung, die von den sechs

Szenarien besonders berührt sind . . . . 66 Abb. 5 Erweiterung der Lernfabrik um einen intelligenten Temperatursensor

(= CPS) für den Trocknungsofen . . . . 67 Abb. 6 Ablauf des ersten Tages . . . . 68 Abb. 7 Ablauf des zweiten Tages . . . . 69

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Teilnehmende und berufliche Schwerpunkte der bisherigen Kurse 2017–2019 67

Autorin

Professorin Susanne Thimet, Direktorin des Seminars für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Karlsruhe (Berufliche Schulen),

Susanne.Thimet@seminar-bs-ka.kv.bwl.de