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7. Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Geschichten

7.5 Religion

7.5.1 Themen aus der Bibel

Schon in der Vorrede schreibt Stifter, dass die Kunst für ihn „nach der Religion das Höchste auf Erden sei“, und vergleicht sogar Dichter mit Priestern: „Dichter gibt es sehr wenige auf der Welt, sie sind die hohen Priester, sie sind die Wohltäter des menschlichen Geschlechtes.“ (STIFTER, 2012, S. 7) Daraus kann man entnehmen, dass Stifter sehr gläubig war und eine strikte Vorstellung vom christlichen Leben hatte, denn er datierte sogar seinen Geburtstag um ein Jahr vor, weil seine Eltern zur Zeit seiner tatsächlichen Geburt noch nicht verheiratet waren.

In den Erzählungen Granit und Bergkristall spielt der Glaube, das Christentum, eine große Rolle. Obwohl sich die Handlung von Bergkristall am Heiligen Abend abspielt, findet man in der Geschichte eine Anspielung auf alle wichtigen christlichen Feiertage. Die

Lebensgefahr, in der sich die Kinder befinden, als Symbol für den Karfreitag und die Kreuzigung Jesu Christi, die Rückkehr der Kinder zu ihrer Familie als Symbol für das Osterfest und die Auferstehung Jesu und schließlich Pfingsten als Entsendung des Heiligen Geistes und Versöhnung der Bewohner aus beiden Dörfern.

Stifter bearbeitet auch einige Themen aus der christlichen Tradition wie zum Beispiel die Fußwaschung. Als der Junge in Granit wegen seiner verschmutzten Füße von der Mutter ausgeschimpft wird und er deswegen ganz traurig und gleichsam vernichtet ist, kommt der gütige Großvater mit „Schüssel, einem Topf mit Wasser und Seife und Tüchern in den Händen (…) stellte meine Füße hinein, und wusch sie so lange, bis (…) keine Spur mehr von Pech auf der Haut zu erblicken war.“ (STIFTER, 2012, S. 24)

Während die Fußwaschung im Orient eine Pflicht der Höflichkeit ist, erinnert man sich hier eher an die Bibel und eine Stelle im Neuen Testament, in der Jesus seinen Jüngern die Füße nicht aus Gründen der Reinigung wäscht, sondern es handelt sich um einen geistlichen Reinigungsprozess. Genauso wie die Jünger Jesus’ zeigt dadurch auch der Junge die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und sich von Schuld befreien zu lassen: „ein Stein nach dem andern war mir während des Waschens von dem Herzen gefallen.“

(STIFTER, 2012, S. 24)

Sehr stark ist auch die Thematik der Glocken vertreten. Die Glocke als Symbol schlechter Nachrichten, die Tod verkündet wie zur Pestzeit: „man hörte fast den ganzen Tag die Zügenglocke läuten, und das Totengeläute konnte man nicht mehr jedem einzelnen Toten verschaffen, sondern man läutete es allgemein für alle“ (STIFTER, 2012, S. 33), aber vor allem wird „mit der Glocke dieses Zeichen gegeben, daß nun der Vorabend des Festes des Herrn beginne und daß alles strenge Irdische ruhen müsse“ (STIFTER, 2012, S.

35) oder es wird mit dem Läuten zu den heiligen Festen der Kirche gerufen: „Wenn sie dann zuweilen in ihre Träume hinein die Glockentöne der Mitternacht hören, durch welche die Großen in die Kirche zur Andacht gerufen werden.“ (STIFTER, 2012, S. 174)

Die Glocken verkünden sowohl schlechte, als auch gute Nachrichten. Sie begleiten Menschen auf dem ganzen Lebensweg, von der Taufe bis zum Tod. Wenn die Glocken läuten, respektieren es alle Bewohner, und durch das Gebet drücken sie tiefe Dankbarkeit für die gute Zeit in Frieden aus:

„‚Weil es Feierabend ist‛, sagte der Großvater, ‚müssen wir ein kurzes Gebet tun.‛“

Siderwiese gingen, auf die Knie in den Schnee, und beteten.“ (STIFTER, 2012, S. 226) und erinnern sich dabei daran, wie „gut und wie glücklich und wie befriedigt wieder alles in dieser Gegend ist.“ (STIFTER, 2012, S. 35) Leider finden sich auch (und immer mehr) Leute, die den friedlichen Zustand im Land nicht zu schätzen wissen und die alte Tradition der Kirche verachten, in dem sie auf das Läuten nicht hören und „arbeiten fort auf dem Felde und arbeiten fort in der Stube.“ (STIFTER, 2012, S. 36)

Das nächste sich wiederholende Symbol ist das Kreuzzeichen: in Granit als Symbol der Versöhnung zwischen der Mutter und dem Sohn: „Sie ging zu dem Gefäße des Weihbrunnens, netzte sich die Finger, ging zu mir, bespritzte mich und machte mir das Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Brust.“ (STIFTER, 2012, S. 55) oder als Segnen auf den Weg in Bergkristall: „Aus dieser (Nebenstube) kamen sie bald heraus, und hüpften von der Mutter mit einem Kreuze besegnet fröhlich auf die Gasse.“ (STIFTER, 2012, S.

194)

7.5.2 Gott versus Wissenschaft

Einerseits redet Stifter in der Vorrede zu den Bunten Steinen über die Entdeckung des höheren Gesetzes in der Natur (siehe Kapitel 4.2) mittels Erziehung, Bildung und Wissenschaft, andererseits schließt er Gott nicht aus und bearbeitet die geschilderten Naturerscheinungen, beobachtet aus der Perspektive der Kinder, fast märchenhaft, und sieht hinter denen ihnen kein Gesetz oder seine Wirkungen, sondern Gott. Das kann man sich so erklären, dass die Kinder oder auch die Erwachsenen diese besonderen Erscheinungen nicht kennen: „Die Kinder wußten nicht, daß die Sterne gegen Westen rücken (…), sonst hätten sie an ihrem Vorschreiten den Stand der Nacht erkennen können“

(STIFTER, 2012, S. 214), und deshalb manche Naturgesetze für sie unerklärbar sind und nur auf Gott zurückzuführen sind.

So sieht die kleine Sanna am Himmel statt dem Nordlicht den heiligen Christ:

„Mutter, ich habe heute Nachts, als wir auf dem Berge saßen, den heiligen Christ gesehen.“

(STIFTER, 2012, S. 228), und diese Tatsache wird von der Mutter nicht abgelehnt oder erklärt, sondern in der christlichen Tradition akzeptiert und mit Weihnachten in Verbindung gebracht: „O du mein geduldiges, du mein liebes, du mein herziges Kind (…) er hat dir auch Gaben gesendet, die du bald bekommen wirst.“ (STIFTER, 2012, S. 228)

Oder der Großvater in Granit, als er seinem Enkelkind erklärt, dass die Natur durch das Vöglein den Leuten ein Rezept gegen die Pest geschickt hat, aber einige Zeit später daran zweifelt, „hatte das Vöglein die Worte gesungen, oder hat sie Gott dem Manne in das Herz gegeben.“ (STIFTER, 2012, S. 37)