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Regulation und Motivation der Futteraufnahme und des Wiederkauens.11

2. Analyse der Futteraufnahme und des Fressverhaltens

2.1 Stand des Wissens

2.1.6 Regulation und Motivation der Futteraufnahme und des Wiederkauens.11

Die Nahrungsaufnahme ist ein komplexer Ablauf, der nach Porzig et al. (1991) aus der Nahrungsmotivation, dem Appetenzverhalten und der Endhandlung besteht. Die Nahrungsmotivation und somit das Gefühl „Hunger“ entsteht bei den Tieren durch die Summe endogener Faktoren, die sehr vielfältig und eng miteinander verknüpft sind. Für die Initiation der Futteraufnahme spielt bei Wiederkäuern der Geschmack des Futters eine größere Rolle, weniger die aufgenommene Menge (Jeroch et al. 1999). Dazu kommen die physikalisch-mechanischen und physiologischen Kontrollmechanismen. Der Impuls der Futteraufnahme entsteht durch den Energieverbrauch des Organismus und dem Bedarf, die verbrauchten Nährstoffe wieder aufzufüllen. Dies stellt nach Dulphy et al. (1994) die langfristige Regulation der Futteraufnahme dar. Die Futteraufnahme wird dabei entscheidend vom Füllzustand des Rumens begrenzt, was wiederum von der mikrobiellen Aktivität und der „Futterpassage“

durch das Rumen abhängt. Dabei wird die mikrobielle Fermentation des Futters stark durch die Futterqualität und Verdaulichkeit geprägt. Untersuchungen zeigten, dass nicht nur die Verdaulichkeit, sondern auch der Zerkleinerungsgrad und die Futterstruktur eine große Rolle spielen (Gruber, 2002).

Es gibt verschiedene Theorien zur Regulation der Futteraufnahme. Initiation und Termination der Futteraufnahme stehen dabei im Fokus. Diskutiert wird die Füllung des Rumen und dessen Ausdehnung, der Abstand von Mahlzeit zu Mahlzeit, die Intensität der Fermentation und der entstehenden Produkte (flüchtige Fettsäuren; Azetat, Propionat, Butyrat und NH3) im Rumen und/oder die Osmolalität von Blut und Rumen (Taweel et al., 2004). Am wahrscheinlichsten ist dabei das Zusammenwirken vieler Faktoren (Mbanya et al., 1993; Van Soest,

1994; Forbes, 1995; Chilibroste, 1999). Die multifaktorielle Kontrolltheorie besagt, dass die Initiation und Termination einer Mahlzeit am wahrscheinlichsten durch eine Kombination an Signalen als durch ein einzelnes kontrolliert werden.

Die folgende Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die Steuerung der Futteraufnahme durch physiologische und physikalische Faktoren.

Abbildung 1: Steuerung der Futteraufnahme durch physiologische und physikalische Faktoren (aus Gruber et al. 2002)

Beim Wiederkauen dagegen handelt es sich um einen komplizierten Reflex, der durch endogene und exogene Faktoren beeinflusst wird (Jile, 2003). Durch die Stimulation der epithelialen Rezeptoren in der Mukosa von Haube und Pansen wird der Wiederkauvorgang eingeleitet. Die dort liegenden Rezeptoren reagieren auf die Berührung der Schleimhaut durch grobe Futterpartikel im Panseninhalt.

Daher hängt die Wiederkauaktivität von der Menge und Zusammensetzung der Ration ab. So sinkt die Wiederkauaktivität bei kraftfutterreichen Rationen oder gemahlenem Raufutter drastisch. Nach erfolgten Stimuli projizieren die epithelialen Rezeptoren über vagale Fasern zum Wiederkauzentrum, das in

der Medulla oblongata liegt. So tritt nach Vagotomie oder Dezerebrierung kein Wiederkauen mehr auf (von Engelhardt und Breves, 2015).

2.1.7 Einflüsse auf die Futteraufnahme und das Fress- und Wiederkauverhalten

Die Einflüsse auf die Futteraufnahme und das Fressverhalten bei Milchkühen sind vielfältig. Viele verschieden interne und externe Faktoren beeinflussen diese. Dazu gehören im Wesentlichen soziale Komponenten (z.B. Gruppengröße und Gruppenzusammensetzung), Haltungsbedingungen (z.B. Tier-Fressplatzverhältnis), das Fütterungsregime (Futterzusammensetzung, Fütterungszeiten, Restriktionen) und physiologische Einflussgrößen (Ernährungszustand, Laktationsstadium, Laktationszahl, Brunst, Abkalbung, Erkrankungen).

DeVries et al. (2005) kamen zu dem Ergebnis, dass die tägliche Fresszeit ansteigt, wenn sich die Frequenz der Futtergabe erhöht. Auch die Rationsgestaltung spielt laut Tolkamp (2000) eine große Rolle für das Fressverhalten. So verbringen Kühe bei proteinreicherer Fütterung etwas weniger Zeit mit dem Fressen als Kühe mit proteinärmerer Fütterung und Kühen, denen beide Fütterungsvarianten zur Verfügung standen. Der Laktationsabschnitt aber auch die Laktationszahl haben ebenfalls einen Einfluss auf Futteraufnahme und Fressverhalten. Azizi et al. (2009) fanden heraus, dass ab der zweiten bis vierten Laktationswoche die Anzahl der Fressplatzbesuche, die Besuchsdauer, die tägliche Gesamtfressdauer und die tägliche Trockenmasseaufnahme anstiegen. DeVries et al. (2003a) untersuchte das Fressverhalten vom Beginn bis zum Höhepunkt der Laktation. Er unterteilte den neunwöchigen Zeitraum in drei Abschnitte, in denen er die Kühe jeweils für acht Tage beobachtete. Die Gesamtzeit der täglichen Futteraufnahme stieg von Periode eins zu zwei, blieb aber zwischen zwei und drei stabil. Die Fressaktivität war in Periode eins und zwei unverändert, stieg aber im dritten Abschnitt um 40 % pro Kuh an. In Periode drei nahm auch die Menge des aufgenommenen Futters zu. Die Kühe reduzierten die Abschnitte innerhalb einer Mahlzeit, die sie nicht mit Fressen verbrachten. Insgesamt variiert das Fressverhalten der einzelnen Kühe stark.

Das Haltungssystem hat durch seine veränderten Umgebungsbedingungen einen Einfluss auf die Verhaltensweisen in ihrer Ausprägung und Verteilung.

Dazu gehören z.B. künstliches Licht, weniger Platz und andere Einschränkungen (Botheras, 2007). Management am Futtertisch, Frequenz des Futterangebots und Tierdichte haben nach Botheras (2007) ebenso bedeutenden Einfluss auf das Fressverhalten in der Stallhaltung. Ähnlich wie auf der Weide verbringen die Tiere tagsüber und am frühen Abend die meiste Zeit auf dem Futtergang und frequentieren besonders nach dem Melken und bei Gabe von Frischfutter diesen Bereich (DeVries et al., 2003b). Dabei ist die Gabe von frischem Futter die stärkste Fressstimulanz, was das Futterraufnahme- und Liegeverhalten erheblich beeinflusst. Die Frequenz des Futterangebots wirkt sich dabei auf die Verteilung der Fresszeiten aus: steigt sie an und die Tiere haben alle gleichen Zugang zum Futter, so erhöht sich die Fresszeit zwar nur um 10 bis 14 min, aber die Fressphasen werden regelmäßiger über den Tag verteilt (DeVries et al., 2005).

In Gruppenhaltung variieren Fressverhalten und Fresszeit mit der sozialen Dominanz (Metz, 1983), wobei die Anzahl der Mahlzeiten negativ mit ihr korreliert. Dominante Tiere haben weniger aber längere Mahlzeiten, rangniedere Kühe fressen kürzer aber häufiger (Olofsson, 1999). Oft sind multipare Tiere dominanter und deshalb aggressiver am Futtertisch und verscheuchen ihre primiparen Herdengenossinnen (Huzzey et al., 2007). Bei einem Tier-Fressplatzverhältnis von mehr als 1,3 Tieren pro Fressplatz fressen weniger Tiere nach dem Melken und der Frischfuttergabe gleichzeitig (Batchelder 2000) und die Aggressionen vor allem gegen rangniedere Tiere steigen (Olofsson, 1999; DeVries et al., 2004; DeVries und von Keyserlingk, 2006; Huzzey et al., 2006).

Die Wiederkauaktivität wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst (DeBoever et al., 1990). Sie wird durch zahlreiche Faktoren des Futters, der Art und Weise der Futterdarbietung, des Tieres und der Umwelt bestimmt. Bei der Nutzung des Wiederkauverhaltens zur Beschreibung von Futtercharakteristika kam es zu widersprüchlichen Ergebnissen. Es konnten einerseits deutliche Korrelationen zwischen der Grundfutteraufnahme und Wiederkaudauer pro Tag nachgewiesen werden (Metz, 1975; Piatkowski et al., 1977; Luginbuhl et al., 1989; DeBoever et al., 1990; Campbell et al., 1992). Andererseits zeigten Harb

und Campling (1985) und Dado und Allen (1994) keinen Zusammenhang zwischen der Grundfutteraufnahme und Wiederkaudauer pro Tag. Erklärt werden können diese widersprüchlichen Ergebnisse nur durch Wechselwirkungen der verschiedenen Variationsursachen der Fress- und Wiederkäuaktivität (Richter 2010). Auch tierindividuelle Einflussfaktoren haben einen entscheidenden Einfluss auf Futteraufnahme und Wiederkauen. Nach Dado und Allen (1994) sind tierindividuelle Schwankungen die größte Variationsursache für die verschiedenen Wiederkauparameter. Beschrieben sind u.a. der Einfluss des Futters (DeBrabander et al. 1999; DeBoever et al. 1990), Umwelteinflüsse (Grant und Albright, 2001; Chaplin et al., 2000; Melin et al., 2006), sowie die tierindividuellen Einflüsse (Dado und Allen, 1994, Welch und Smith, 1970).

Einen entscheidenden Einfluss auf die Futteraufnahme und damit auf das Fress- und Wiederkauverhalten haben auch verschiedene Krankheiten. So zeigen sich Veränderungen im Fress- und Wiederkauverhalten bei akuter Mastitis (Wolter et al., 2000; Siivonen et al., 2011; Stangaferro et al., 2016b). DeVries et al. (2009c) fanden heraus, dass subklinisch azidotische Tiere weniger Zeit mit Wiederkauen verbrachten als gesunde. Akut azidotische Kühe wiesen eine höhere Fress- und Stehzeit mit sinkender Wiederkau- und Liegezeit auf. Patbandha et al. (2012) führten Versuche zur Metritis durch und zeigten, dass die präpartale Fresszeit und die Anzahl an Fressperioden bei kranken Tieren signifikant niedriger war.

Auch das Wiederkauen zeigte beim Auftreten schwerer Metritis deutliche Veränderungen (Stangaferro et al., 2016c). Gleiches zeigte sich auch bei Ketose (Stangaferro et al., 2016a). An Ketose erkrankte Kühe hatten eine niedrigere Trockenmasseaufnahme, weniger Besuche am Futterautomaten und verbrachten dort auch weniger Zeit pro Besuch als gesunde Kühe (Goldhawk et al. 2009). Sowohl metritische als auch ketotische Tiere waren während der präpartalen Phasen gesunden Tieren sozial untergeordnet und verdrängten andere weniger häufig (Patbandha, et al., 2012; Goldhawk et al., 2009). Nach Proudfoot et al. (2009) fraßen Kühe mit Dystokie 48 Stunden a.p. weniger als Tiere mit Eutokie, konsumierten weniger Wasser vor und mehr Wasser nach der Kalbung und waren generell unruhiger. Huzzey et al. (2007) und Goldhawk et al.

(2009) bewiesen, dass eine Reduktion der Fresszeiten und der Aufnahme von Futter und Wasser vor der Kalbung das Risiko infektiöser Krankheiten nach der

Fressverhalten lahmer Kühe deutlich von dem gesunder Kühen unterscheidet.

Erkrankte Kühe fraßen weniger häufig, dafür aber länger.