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1.3 Schlaf

1.3.3 Regulation

Wie alle körperlichen Vorgänge unterliegen auch Schlafen und Wachen einer zentralnervösen Steuerung. Bezüglich dieser Regulation existiert eine Vielzahl von Theorien und Hypothesen, von denen sich einige in der Schlafforschung durchgesetzt haben, für deren Richtigkeit aber ein end-gültiger Beweis bis heute fehlt. Im Folgenden werden die aktuellen Theorien zur Schlafregulation dargestellt.

Die Schlafregulation lässt sich in zwei Teilbereiche gliedern. Zum einen in die Schlaf-Wach-Regulation, zum anderen in die interne Schlafregulation. Hierbei steuert die Schlaf-Wach-Regula-tion u. a., wann und wie lange ein Individuum schläft, die interne SchlafregulaSchlaf-Wach-Regula-tion hingegen die zeitliche Abfolge der Schlafstadien, also die zyklische Schlafstruktur (Pollmächer und Lauer, 1992).

Schlaf-Wach-Regulation Die Schlaf-Wach-Regulation besitzt zwei Teilaspekte, die homöo-statische und periodische Komponente. Beide werden durch äußere Faktoren, wie z. B. soziale

(1984) erweitert. Hierbei steht die homöostatische Komponente für eine Art Schlafgedächtnis, welches speichert, wie lange das Individuum wach ist. Je länger dies der Fall ist, desto höher steigt der sogenannte Schlafdruck. Im Zwei-Prozess-Modell wird die homöostatische Komponente als Prozess S bezeichnet und als sein polysomnografisches Korrelat der Tiefschlaf angenommen, da nach dieser Theorie der Schlafdruck im Tiefschlaf abgebaut wird. Ein Argument hierfür bietet die Tatsache, dass die vorausgegangene Wachzeit positiv mit der Tiefschlafdauer korreliert. Die periodische Komponente steht für sämtliche zyklische Abläufe im Organismus, die durch inter-ne Zeitgeber geinter-neriert werden. Als anatomisches Korrelat eiinter-ner solchen ininter-neren Uhr wird der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) angesehen. Dieser erhält u. a. über Afferenzen aus der Retina Informationen über die Helligkeit der Umgebung und synchronisiert so ständig seinen eigenen zirkadianen Rhythmus mit der Außenwelt. Efferent innerviert der SCN u. a. Hirnregionen, die für die Regulation des Blutdrucks, der Körpertemperatur oder Hormonausschüttung zuständig sind.

So folgt z. B. die Körpertemperatur oder die Hormonkonzentration von Cortisol oder Melatonin gewissen zeitlichen Mustern. Im Zwei-Prozess-Modell wird diese zirkadiane Periodik als Prozess C bezeichnet (Rodenbeck, 2011; Pollmächer und Lauer, 1992). Die Interaktion beider Komponenten ist in Abbildung 1.2 ersichtlich.

Der Prozess S, in Abbildung 1.2 als durchgezogene Linie erkennbar, steigt im Laufe des Tages als Ausdruck für den Schlafdruck an, da sich die Wachperiode stetig verlängert. Im Schlaf wird das Schlafbedürfnis abgebaut und die Kurve fällt relativ steil ab. Der Prozess C hingegen, der die zirkadianen Abläufe repräsentiert, hat einen anderen Verlauf und wird in Abbildung 1.2 als zwei wellenförmige Kurven (gestrichelte Linien) dargestellt. Beide Prozesse bestimmen durch

Prozess C

Abbildung 1.2: Das Zwei-Prozess-Modell. Die graue Fläche stellt die Schlafphase dar. Modifiziert nach Rodenbeck, 2011, Seite 1272.

ihren Kurvenverlauf und die hierdurch resultierenden Berührungspunkte die Zeitpunkte des Einschlafens und Aufwachens. So ist bei Punkt 1 in Abbildung 1.2 die Wahrscheinlichkeit des Einschlafens im Tagesverlauf am höchsten, da hier die Wachperiode schon lange andauert und die zirkadianen Prozesse mit z. B. niedriger Körpertemperatur oder niedrigem Blut-Cortisolspiegel den Schlaf fördern werden. Bei Punkt 2 hingegen sorgt der Prozess C mit z. B. ansteigendem Blut-Cortisolspiegel und Prozess S mit geringem Schlafdruck für ein Erwachen. Durch diese beiden Berührungspunkte sind sogenannte Einschlaf- und Aufwachschwellen definiert, weshalb das Zwei-Prozess-Modell auch Zwei-Schwellen-Modell genannt wird (Rodenbeck, 2011; Pollmächer und Lauer, 1992).

Neurochemisch und elektrophysiologisch werden Schlafen und Wachen durch die verschiedensten Hirnareale reguliert, darunter das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem (ARAS) der For-matio reticularis des Hirnstamms, der Thalamus und Hypothalamus sowie der Kortex (Happe und Walther, 2009). Im Sinne eines Flip-Flop-Mechanismus (Saper et al., 2001) interagieren diese Hirnregionen indem sie abwechselnd Schlaf fördern und Wachheit unterdrücken und umgekehrt.

So fördern z. B. die monoaminergen Neurone des Locus coeruleus und der dorsalen Raphekerne durch Erregung des Kortex und Hemmung der schlaffördernden Neurone des Nucleus präopticus venterolateralis (VLPO) des Hypothalamus die Wachheit. Im Schlaf hingegen werden die monoami-nergen Neurone von denen des VLPOs gehemmt. Dieses System wird durch den modulierenden Einfluss des Neuropeptids Orexin (oder Hypocretin) stabilisiert (Rodenbeck, 2011; Saper et al., 2005).

Interne Schlafregulation Die interne Schlafregulation, die die Schlafstruktur mit dem Wech-sel zwischen REM- und NREM-Schlaf bestimmt, ist von McCarley und Hobson (1975) in dem sogenannten reziproken Interaktionsmodell beschrieben worden. Bis heute hat eine revidierte Form dieser Theorie Bestand. Sie besagt, dass das Zusammenspiel aminerger und cholinerger Neurone den zyklischen Wechsel von REM- und NREM-Schlaf bewirkt. Die Nervenzellen des Locus coeruleus und die der Raphekerne werden als „REM-off“-Neurone bezeichnet und hemmen mit den Neurotransmittern Noradrenalin bzw. Serotonin die cholinergen Nervenzellen der Brückenhaube.

aminergen REM-off-Neurone. Da all diese Neurone auch autoinhibitorisch wirken, entsteht eine wellenförmige reziproke Hemmung (Rodenbeck, 2011; Pollmächer und Lauer, 1992). Abbildung 1.3 zeigt das reziproke Interaktionsmodell.

Es entsteht durch eine hohe aminerge Hemmung durch die REM-off-Neurone eine NREM-Phase. Da diese Hemmung aber im Laufe der Zeit durch die Autoinhibition an Intensität verliert, überwiegt zunehmend die cholinerge Aktivität der REM-on-Neurone. Die dadurch bewirkte Hemmung der aminergen Neurone führt zu einer REM-Phase. Da auch diese Hemmung ihre Intensität verliert, wird wieder eine NREM-Phase eingeleitet. Dieser Vorgang wiederholt sich im Laufe des Schlafens alle 90–120 Minuten, so dass die typische Schlafarchitektur entsteht (Rodenbeck, 2011; Pollmächer und Lauer, 1992).

Durch den beschriebenen Mechanismus ist also ein Rückschluss von Schlafstadien auf die vorherr-schenden Transmittersysteme möglich. Der NREM-Schlaf wird vom aminergen System dominiert, der REM-Schlaf hingegen vom cholinergen System. So kann beispielsweise die bei Depressionen vorliegende verkürzte REM-Latenz (siehe 4.3 auf Seite 88) durch eine erhöhte cholinerge Aktivität erklärt werden. Abbildung 1.4 verdeutlicht den Zusammenhang.