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3 Wodurch wird das kulturelle Erbe in

4.2 Regionales Völkerrecht

4.2.1 Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes

Das im Jahr 1992 in Valletta (Malta) unterzeichnete Europäische Über-einkommen zum Schutz des archäologischen Erbes, die sogenannte Konvention von La Valletta des Europarats,114 gilt nicht nur für das ter-restrische, sondern auch für das maritime Kulturerbe. Die Bundesrepu-blik Deutschland hat den Vertrag 1992 unterzeichnet und im Jahr 2003 ratifiziert.115

Die Besonderheit der Konvention von La Valletta beruht auf der prinzipiellen Verbindung von Forschung und Schutz (siehe Kasten 8).

Diese bedingen sich zwar grundsätzlich gegenseitig, allerdings können auch Forschungsaktivitäten zur mindestens partiellen Zerstörung eines Denkmals beitragen. Der Schutz des kulturellen Erbes ist erforderlich, damit historische Spuren auch in Zukunft noch zu finden sind und mit dem Ziel einer umfassenden Rekonstruktion der Menschheitsgeschich-te erforscht werden können.

Die Konvention trägt auch der dynamischen Entwicklung der For-schung Rechnung, die vor allem durch neue technische Möglichkeiten immer weiter vorangetrieben wird. So lassen sich heutzutage Untersu-chungen durchführen, die zum Zeitpunkt der Verabschiedung des SRÜ 1982 noch nicht möglich waren. Zudem ist zu erwarten, dass auch zu-künftige Generationen von Forscherinnen und Forschern auf Methoden zurückgreifen werden können, die gegenwärtig noch nicht zur Verfü-gung stehen.

Der Europarat betont, dass die Konventionsregelungen auch für die AWZ und den Festlandsockel gelten,116 denn gemäß Art. 1 Abs. 2 (iii) setzt die Anwendung der Konvention voraus, dass ein Staat in einem Gebiet Hoheitsbefugnisse ausübt. Dies ist nach dem SRÜ innerhalb der deutschen AWZ und im Bereich des deutschen Festlandsockels der Fall.

114 Siehe https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/

rms/090000168007bd25 (Stand: 16.04.2019).

115 BGBl. 2002 II S. 2079.

116 Council of Europe (1992), S. 3.

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Kasten 8: Ziel, Gegenstand und Geltungsbereich der Konvention von La Valletta

Art. 1

(1) Ziel dieses (revidierten) Übereinkommens ist es, das archäologi-sche Erbe als Quelle gemeinsamer europäiarchäologi-scher Erinnerung und als Instrument für historische und wissenschaftliche Studien zu schützen.

(2) Zu diesem Zweck gelten als Elemente des archäologischen Er-bes alle Überreste und Gegenstände sowie alle aus vergangenen Epochen herrührenden sonstigen Spuren des Menschen, i) deren Bewahrung und Untersuchung dazu beitragen, die

Ge-schichte des Menschen und seiner Beziehung zur natürlichen Umwelt zurückzuverfolgen;

ii) für die Ausgrabungen oder Funde und andere Methoden der Erforschung des Menschen und seiner jeweiligen Umwelt als hauptsächliche Informationsquellen dienen;

iii) die sich in einem beliebigen Gebiet unter der Hoheitsgewalt der Vertragsparteien befinden.117

(3) Das archäologische Erbe umfaßt Bauwerke, Gebäude, Ensemb-les, erschlossene Stätten, bewegliche Gegenstände, Denkmäler jeder Art sowie ihre Umgebung, gleichviel ob an Land oder unter Wasser.

117 In den verbindlichen englischen und französischen Sprachfassungen bezieht sich die Hoheitsgewalt deutlich auf das Gebiet als solches und nicht den fraglichen Gegen-stand. Englische Fassung: „[…] which are located in any area within the jurisdiction of the Parties“. Noch deutlicher ist es in der französischen Fassung formuliert: „[…]

l’implantation se situe dans tout espace relevant de la juridiction des Parties“. Dies würde auch zum Vertragszweck passen, der auf einen (möglichst weitreichenden) Schutz des archäologischen Erbes gerichtet ist (Art. 1 Abs. 1).

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten?

Das SRÜ gesteht den Vertragsstaaten bestimmte souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse in der AWZ und für den Festlandsockel zu (siehe Ab-schnitt 4.1.1). In diesem Zusammenhang entstehen für sämtliche Staa-ten, die zugleich Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens und der Konvention von La Valletta sind,118 auch Verpflichtungen aus der Konvention von La Valletta.119 Daraus ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland, dass sie das kulturelle Erbe gemäß der Konvention von La Valletta zu erforschen und zu schützen hat, da sie laut Seerechtsüber-einkommen über souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse in der AWZ und auf dem Festlandsockel verfügt.

So verpflichtet Art. 2 die Vertragsstaaten der Konvention von La Valletta zur Schaffung eines staatlichen Schutzsystems. Das heißt, der Schutz des kulturellen Erbes in der AWZ und im Bereich des darunter befindlichen Festlandsockels darf in Zusammenhang mit den aus dem Seerechtsübereinkommen rührenden souveränen Rechten und Ho-heitsbefugnissen nicht ungeregelt bleiben. Das betrifft für jede Ver-tragspartei vorrangig die Erstellung und Führung eines „Inventars ihres archäologischen Erbes“. Zusätzlich ist die Schaffung „archäologischer Schutzzonen“ vorzusehen, „um die von künftigen Generationen zu un-tersuchenden Zeugnisse der Vergangenheit zu erhalten“ – und zwar auch dort, wo „unter Wasser keine Überreste sichtbar sind“.

Es wäre rechtlich zu prüfen, ob die Landesdenkmalschutzgesetze der Küstenländer auf die deutsche AWZ und den darunterliegenden Festlandsockel erstreckt werden können, um die derzeitige Regelungs-lücke in der AWZ zu schließen.

Art. 3 regelt Genehmigungsverfahren für Ausgrabungen, Art. 4, 5 und 6 normieren Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen unter Beteiligung von Archäologinnen und Archäologen und Art. 10 dient der Verhinde-rung illegaler Weitergabe von Artefakten.

Ein zentrales Element der Konvention betrifft zudem die Finanzie-rung archäologischer Untersuchungen. Gemäß Art. 6 verpflichtet sich so

118 Die aktuelle Liste ist hier abzurufen: https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/143/signatures?p_auth=dg2WfyCT (Stand: 19.09.2019).

Alle Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee haben beide Konventionen gezeichnet, bei drei Staaten sind territoriale Einschränkungen bezüglich der Geltung der Konven-tion von La Valletta festgelegt.

119 Die Niederlande berücksichtigen dies explizit in ihrer North Sea Policy: Niederlande (2015). Auf die Konvention von La Valletta wird auf S. 8 und S. 21 Bezug genommen.

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jede Vertragspartei, die materiellen Mittel für archäologische Rettungs-maßnahmen zu erhöhen, „indem sie geeignete Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die Deckung der Gesamtkosten etwaiger notwen-diger archäologischer Arbeiten im Zusammenhang mit großangelegten öffentlichen oder privaten Erschließungsvorhaben aus Mitteln der öf-fentlichen Hand beziehungsweise der Privatwirtschaft vorgesehen ist“.

Wie an Land sollten große Infrastrukturprojekte standardmäßig durch archäologische Untersuchungen begleitet werden. Nur so kann mit-telfristig ein vergleichbarer Wissensstand für das kulturelle Erbe unter Wasser erreicht werden.

Da die Valletta-Konvention von Deutschland bereits 2003 ratifiziert wurde, sollte die Bundesrepublik Deutschland ihren sich hieraus erge-benden Verpflichtungen innerhalb der deutschen AWZ und im Bereich des Meeresgrundes auf dem Festlandsockel schnellstmöglich und zu-dem umfänglich nachkommen.

4.2.2 Das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeits-prüfung im grenzüberschreitenden Rahmen

Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2002 das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, die sogenannte Espoo-Konvention, ratifiziert.120 Dieses 1991 geschlossene Abkommen sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Maßnahmen Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen sind.

Die Vertragsparteien der Konvention haben zudem „Maßnahmen zur Verhütung, Verringerung oder Bekämpfung erheblicher nachteiliger grenzüberschreitender Auswirkungen der geplanten Tätigkeiten auf die Umwelt“ zu ergreifen (Art. 2 Abs. 1), wobei „Auswirkungen auf das kul-turelle Erbe“ eingeschlossen sind (Art. 1 Zf. vii). In Anhang III der Espoo-Konvention wird zudem konkretisiert, dass ein Kriterium für die Feststel-lung einer Umweltbelastung auch der Standort sein kann, so etwa im Falle von „Stätten von archäologischer, kultureller oder geschichtlicher Bedeutung“. Die Espoo-Konvention wird in Deutschland durch das Um-weltverträglichkeitsprüfungsgesetz umgesetzt (siehe Abschnitt 4.4.3).

120 BGBl. 2002 II S. 1406 ff.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten?

4.3 EU-Richtlinien über die