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Rechtsfragen und Regelungen zum sog. „Home - Office“

3. Arbeitsplatzbedingungen in einer digitalisierten Arbeitswelt

3.1 Rechtsfragen und Regelungen zum sog. „Home - Office“

Wenn Bedienstete Bürotätigkeiten außerhalb ihres Arbeitsplatzes im Dienstgebäude (insbesondere zu Hause) erledigen, wird diese Form des Arbeitens unscharf mit dem Scheinanglizismus „Home-Office“

bezeichnet.256 Da ortflexibles Arbeiten weitgehend ungeregelt ist257, stellen sich Fragen, ob Bedienstete hierauf einen Anspruch haben, ob sie von ihren Arbeitgebern/Dienstherren hierzu

252 Vgl. Bahnmüller/Hoppe (2014), S. 147.

253 Vgl. Däubler (2020), § 15 Rn. 1a; Schiefer (2021a), S. 114.

254 Vgl. Köppl/Fulde/Lenz (2020), S. 10 und S. 44.

255 Vgl. Schiefer (2021), S. 123.

256 Vgl. zur Terminologie: Schiefer (2021a), S. 114; sowie ders. (2021b), S. 1334.

257 Rat der Arbeitswelt (2021), S. 51.

61 einseitig verpflichtet werden können oder ob im gemeinsamen Einvernehmen eine solche Form des Arbeitens rechtlich zulässig ist und welche Vorschriften hierbei zu beachten sind.

Im Grundsatz gilt, dass Arbeitgeber bzw. Dienstherren bei der Organisation des Arbeitsprozesses großen Handlungsspielraum besitzen. Das Weisungsrecht bezieht sich auf den Ort wie auch auf den Inhalt und die Modalitäten der Arbeit.258 Es kann deshalb z. B die Arbeit an neuen Geräten oder an Geräten mit erweiterter Funktion angeordnet oder ein internes soziales Netzwerk mit virtuellen Teams geschaffen werden. Arbeitsrechtliche Voraussetzung ist zunächst, dass der im Arbeitsvertrag festgelegte Rahmen für die Tätigkeit, den Arbeitsort und die Arbeitszeit nicht verlassen wird.259 Beamt:innen sind verpflichtet, dienstliche Anordnungen auszuführen und allgemeine Richtlinien zu befolgen und bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten (§ 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BBG; § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BeamtStG). Die Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber muss billigem Ermessen entsprechen (§ 106 Satz 1 GewO) und wird ebenso wie das Weisungsrecht des Dienstherrn dadurch begrenzt, dass die Weisung nicht gegen Gesetze verstoßen darf. Bei Arbeitnehmer:innen sind zusätzlich die einschlägigen Tarifverträge zu beachten. Der TVöD und der TV-L enthalten jedoch keine Vorschriften, die sich konkret mit „Home-Office“ befassen.

Von diesem Weisungsrecht nicht mehr abgedeckt ist die einseitige Anweisung zeitweise oder dauerhaft statt im Büro von zu Hause aus zu arbeiten.260 Denn durch eine solche Veränderung des Arbeitsorts wird eine der Grundlagen des Arbeitsverhältnisses verändert. Dem Arbeitsvertrag liegt – soweit nicht im Einzelfall anders vereinbart – die Vorstellung zugrunde, dass ausschließlich mit Betriebsmitteln des Arbeitgebers zu arbeiten ist und der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.261 Im Beamtenrecht würde eine solche Anweisung über das Amtsverhältnis hinaus die private Sphäre des/der Beamt:in betreffen. Für einen solchen Rechtseingriff in private Rechte des/der Beamt:in reicht das allgemeine Weisungsrecht bzw. generell das Dienst- und Treueverhältnis als Rechtsgrundlage nicht aus. Allenfalls unter außergewöhnlichen Umständen (z. B. in einer akuten Notsituation einer Pandemie) kommt es in Betracht, dass Beamt:innen aufgrund ihrer besonderen Pflichtenbindung vorübergehend dazu verpflichtet sind, ihre Dienstgeschäfte auf Anweisung in ihrer privaten Wohnung zu verrichten.

Umgekehrt haben grundsätzlich weder Arbeitnehmer:innen noch Beamt:innen einen Anspruch darauf, sich ihren Arbeitsplatz/-ort aussuchen zu dürfen.262

Eine Sonderregelung für Dienststellen des Bundes enthält § 16 Abs. 1 Satz 2 BGleiG. Im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten haben die Dienststellen den Beschäftigten mit Familien- oder Pflegeaufgaben auch Telearbeitsplätze, mobile Arbeitsplätze oder familien- oder pflegefreundliche Arbeits- und Präsenzzeitmodelle anzubieten. Die Ablehnung von Anträgen muss im Einzelnen schriftlich begründet werden.

Doch selbst diese Vorschrift belässt es im pflichtgemäßen Ermessen der Dienststellen, ob und in welchem Umfang sie Telearbeit oder besondere Arbeitszeitmodelle einführen. Die gewährte Rechtsposition beschränkt sich auf einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.263

258 Vgl. Däubler (2020), § 2 Rn. 8.

259 Däubler (2020), § 2 Rn. 8.

260 Däubler (2020), § 15 Rn. 5 und auch Benecke, in: Benecke (2018), S. 20; Schiefer (2021a), S. 115; Husemann (2021), S. 277; Benkert (2019), S. 306.

261 Vgl. Däubler (2020), § 2 Rn. 19 und § 15 Rn. 5.

262 Schiefer (2021a), S. 115; Husemann (2021), S. 277; Keilich/Brummer (2020), S. 126; Benkert (2019), S. 306.

263 BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2008 2 C 31.08 juris Rn. 24.

62 Dienstliche Interessen haben grundsätzlich Vorrang vor den privaten Interessen von Beamt:innen, im Home-Office arbeiten zu wollen.264

Für schwerbehinderte Menschen kann sich in Ausnahmefällen ein Anspruch aus § 164 Abs. 4 SGB IX ergeben.265

Im Arbeitsrecht gilt allerdings Privatautonomie und im Beamtenrecht steht es dem/der Beamt:in frei, über sein/ihr Recht auf Privatsphäre zu disponieren. Im gegenseitigen Einvernehmen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in bzw. Dienstherrn und Beamt:in ist daher eine Beschäftigung abseits des zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzes zulässig. Im Arbeitsverhältnis sollten allerdings die Möglichkeiten und Auswirkungen einer (konkludenten) Vertragsänderung, der betrieblichen Übung266 und des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bedacht werden267. Zugleich sollten Kontrollrechte und die Bedingungen, unter denen die Gestattung zeitweise oder gänzlich zurückgenommen werden kann, vertraglich vereinbart werden268. Im Beamtenrecht ist insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz zu bedenken, wenn für mehrere Beamt:innen einer Dienststelle eine solche Maßnahme in Betracht kommt.269

Hinsichtlich der Gestaltung wird vor allem270 zwischen dem Telearbeitsplatz und dem mobilen Arbeiten unterschieden.

Telearbeitsplätze sind gemäß § 2 Abs. 7 ArbStättV271

„[…] vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom

Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“

Im Normalfall des häuslichen Arbeitens sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt.272

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel273 definiert Homeoffice als eine Form des mobilen Arbeitens, die es Beschäftigten ermöglicht, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber zeitweilig im Privatbereich tätig zu sein.274

264 Wichmann/Langer (2013), Rn. 204.

265 Däubler (2020), § 15 Rn. 7.

266 Schiefer (2021b), S. 1335.

267 Vgl. Däubler (2020), § 15 Rn. 7.

268 Vgl. Benecke (2018), S. 20; Däubler (2020), § 15 Rn. 8 f.; siehe auch Schiefer (2021a), S. 116 der weitere in Betracht zu ziehende Regelungsgegenstände nennt und ders. (2021b), S. 1335 mit konkreten

Gestaltungshinweisen hierzu.

269 Vgl. Däubler (2020), § 15 Rn. 7.

270 Heimarbeit i. S. d. Heimarbeitsgesetzes bleibt in diesem Gutachten mangels Relevanz außer Betracht.

271 Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3334).

272 Däubler (2020), § 15 Rn. 3.

273 GMBl 2020, S. 484-495 (Nr. 24/2020 v. 20.08.2020), zuletzt geändert: GMBl 2021 S. 622-628 (Nr. 27/2021 v. 07.05.2021).

274 Rat der Arbeitswelt (2021), S. 50.

63 Vom mobilen Arbeiten als Oberbegriff ist auch das ortsunabhängige Arbeiten ohne Begrenzung auf einen konkreten privat eingerichteten Arbeitsplatz erfasst.

§ 10 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung - AZV) regelt, dass bei mobilem Arbeiten von der Dienstleistungspflicht am Arbeitsplatz abgewichen werden kann, soweit dienstliche Gründe nicht entgegenstehen.

Auch wenn die Arbeitsleistung nicht am Arbeitsplatz erbracht wird, ist die geschuldete Arbeitsleistung im Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit zu erbringen. Sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Beamt:innen müssen sich während der Dienstzeit in vollem Umfang dienstlichen Interessen widmen.

Dienstzeit darf nicht für private Zwecke genutzt werden, soweit dies nicht in angemessenen Umfang ausnahmsweise durch den Dienstherrn/Arbeitgeber gestattet ist.275 Bei mobilem Arbeiten gilt der gleiche Leistungsmaßstab wie bei einer Tätigkeit am Arbeitsplatz.

Weitere relevante Aspekte des mobilen Arbeitens lassen sich in einer Betriebs- bzw.

Dienstvereinbarung regeln. Dazu zählen insbesondere276

- Voraussetzungen für einen Anspruch auf mobiles Arbeiten,

- Voraussetzungen, insb. Vorlauffristen für eine Aufhebung der Möglichkeit zum mobilen Arbeiten,

- Arbeitszeitrahmen und Erreichbarkeitszeiten,

- Ausstattung des Arbeitsplatzes zuhause und Aufwendungsersatz, - Arbeitsschutzaspekte,

- Haftungsfragen,

- Vorkehrungen für Datenschutz und Datensicherheit,

- Regelung zum Einsatz von privaten Geräten für die Durchführung der Arbeitstätigkeit.277 Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass zur Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten derzeit ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vorliegt.278 Der weitere Verlauf der Gesetzesinitiative ist noch nicht absehbar.