und Rahmenbedingungen
Rechtliche Grundlagen
2.1 Für hilfs– und schutzbedürftige Fremde, die nicht oder nicht ausreichend selbst den Lebensunterhalt für sich und ihre im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhalts
berechtigten Angehörigen aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen konnten bzw.
den Lebensunterhalt auch nicht (ausreichend) von anderen Personen oder Einrich
tungen erhielten, war die Grundversorgung vorgesehen. Sie umfasste insbesondere Leistungen, die auf die Deckung der täglichen Grundbedürfnisse ausgerichtet waren, wie angemessene Verpflegung, Unterkunft, medizinische Versorgung inklusive Kran
kenversicherung und Maßnahmen für pflegebedürftige Personen, Bekleidungshilfe, Schulbedarf sowie Information und Beratung.
Die Grundversorgung wies verfassungsrechtlich Anknüpfungspunkte zu Bundes–
und Landeszuständigkeiten auf.4
Der Bund und die Länder schlossen auf dieser kompetenzrechtlichen Grundlage im Jahr 2004 eine Grundversorgungsvereinbarung5 ab. Diese regelte insbesondere die Aufgaben– und Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern, den Kreis der anspruchsberechtigten Personen, die zu erbringenden Leistungen sowie deren Umfang und Höhe.
Der Bund bzw. das Innenministerium führte Betreuungseinrichtungen für Asylwer
bende und musste dazu vor jeder Neuerrichtung oder Schließung von Betreuungs
einrichtungen des Bundes das Einvernehmen mit dem jeweiligen Land herstellen.
Der Bund hatte die Erstaufnahme der Asylwerbenden sicherzustellen, für die Dauer des Zulassungsverfahrens, in dem geklärt wurde, ob Österreich für das inhaltliche Asylverfahren zuständig war, die Grundversorgung von Asylwerbenden in Betreu
ungseinrichtungen des Bundes zu gewährleisten und diese (vorübergehend) unter
zubringen und zu versorgen. Die Anforderungen an die Bundesbetreuung waren höher als an die Landesbetreuung, da z.B. jederzeit eine Aufnahme von Asylwerben
den möglich sein musste. Erst nach Zulassung zum inhaltlichen Verfahren konnte das Innenministerium die betreffende Person der Grundversorgung eines bestimm
4 Der Bund ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 3 B–VG in der Gesetzgebung u.a. für die Verwaltungsmaterie „Asyl“
zuständig. Für das „Armenwesen“ gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 B–VG ist der Bund für die Grundsatzgesetzgebung und sind die Länder für die Ausführungsgesetzgebung zuständig.
5 Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B–VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs– und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Öster
reich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B–VG), BGBl. I 80/2004
ten Landes – unter Zugrundelegung des vereinbarten Aufteilungsschlüssels – zuwei
sen und musste für den Transport sorgen.
Die Länder sollten entsprechend den Länderquoten nach Art. 1 Abs. 4 der Grund
versorgungsvereinbarung die Asylwerbenden ab diesem Zeitpunkt übernehmen. Sie trafen in weiterer Folge die Entscheidungen über die Leistungsgewährung, das Fort
bestehen der Hilfsbedürftigkeit etc.
Nach Art. 3 Abs. 4 der Grundversorgungsvereinbarung war der Bund auch verpflich
tet, Vorsorgekapazitäten für die Bewältigung von Unterbringungsengpässen in den Ländern zu schaffen (zu den Vorsorgekapazitäten siehe TZ 10).
2.2 Der RH hielt fest, dass die Anforderungen an die Bundesbetreuung höher waren als an die Landesbetreuung, da z.B. jederzeit eine Aufnahme von Asylwerbenden möglich sein musste, der Bund die Standorte der Betreuungseinrichtungen mit den Ländern abstimmen musste und er auch dafür zu sorgen hatte, Vorsorgekapazitäten für die Bewältigung von Unterbringungsengpässen in den Ländern zu schaffen.
3.1 Aus der Grundversorgungsvereinbarung waren für die Gemeinden, da diese keine Vertragspartner waren, keine Verpflichtungen abzuleiten. Im Zuge der Migrations
krise 2015/16 kam es zu Kapazitätsengpässen in der Bundesbetreuung. Eine rasche und gesetzeskonforme Nutzung von Grundstücken für weitere Betreuungseinrich
tungen wurde erst mit der verfassungsgesetzlichen Implementierung des sogenann
ten Durchgriffsrechts mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 20156 möglich.
Das diesbezügliche Bundesverfassungsgesetz enthielt eine punktuelle Durchbre
chung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, sofern ein Land nicht die Verpflichtungen nach der Grundversorgungsvereinbarung erfüllte. So hatten Gemeinden im Bedarfsfall, den die Bundesregierung mit Verordnung feststellen konnte, entsprechend dem Bevölkerungsschlüssel Plätze für die Unterbringung bereitzuhalten. Damit sollte eine solidarische und gleichmäßige Unterbringung gewährleistet und dem damals bestehenden Engpass bei der Unterbringung entge
gengewirkt werden. Entsprechend dem vorübergehenden Charakter der Belastung der Unterbringungseinrichtungen war das Bundesverfassungsgesetz zum Durch
griffsrecht befristet und trat mit Ende 2018 wieder außer Kraft.
Der Bundesminister für Inneres konnte die Nutzung und den Umbau von bestehen
den Bauwerken oder die Aufstellung beweglicher Wohneinheiten auf Grundstücken, die im Eigentum des Bundes oder diesem zur Verfügung standen, ohne vorheriges Verfahren vorläufig anordnen, wenn dem nicht überwiegende Interessen der Sicher
heit, der Gesundheit und des Umweltschutzes entgegenstanden. Ein nach diesem
6 Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs– und schutzbedürftigen Fremden,
Bundesverfassungsgesetz erlassener Bescheid ersetzte sämtliche notwendigen Bewilligungen nach bundes– und landesrechtlichen Vorschriften.
Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Durchgriffsrechts waren, dass
• das betroffene Bundesland die Unterbringung von hilfs– und schutzbedürftigen Fremden im Vormonat nicht entsprechend der Quote aus der Grundversorgungsver
einbarung erfüllte,
• im betroffenen politischen Bezirk weniger hilfs– und schutzbedürftige Fremde unter
gebracht waren, als aufgrund des Bezirksrichtwertes unterzubringen wären und
• auf einem solchen Grundstück nicht mehr als 450 hilfs– und schutzbedürftige Fremde untergebracht wurden.
Das Außerkrafttreten des Durchgriffsrechts berührte die Rechtswirkung der auf dieser Grundlage erlassenen Bescheide nicht. Nach Art. 3 Abs. 7 des diesbezüg-lichen Bundesverfassungsgesetzes waren bei Entfall der Voraussetzungen und bei nicht absehbarem Bedarf nach Unterbringung von hilfs– und schutzbedürftigen Fremden auf den betreffenden Grundstücken die Bescheide jedoch zu widerrufen.
Das Innenministerium machte im überprüften Zeitraum bei 16 Objekten vom Durch
griffsrecht Gebrauch.7
3.2 Der RH wies darauf hin, dass die Migrationskrise 2015/16 auch für die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten und die Suche geeigneter Standorte eine besondere Herausforderung für das Innenministerium darstellte. Da die Gemeinden nicht in die Grundversorgungsvereinbarung einbezogen waren, war für ihre Mitwirkung ein Verfassungsgesetz notwendig.
Der RH sah es als zweckmäßig an, dass das Durchgriffsrecht dem Innenministerium ermöglichte, ein Grundstück, selbst bei nicht konformer Flächenwidmung oder fehlenden baurechtlichen Bewilligungen, rasch und gesetzeskonform zu nutzen und es nicht mehr der entsprechenden Genehmigungen der Länder oder Gemeinden bedurfte.
Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Möglichkeit für das Durch
griffsrecht mit Ende des Jahres 2018 ausgelaufen war und somit entsprechende Regelungen, die auch die Gemeinden miteinbezogen, bei einem erneuten Ansteigen der Asylantragszahlen fehlten. Der RH hatte auf diesen Umstand in seinem Bericht
„Grundversorgung in Wien“ (Reihe Bund 2021/8, TZ 25) hingewiesen.
7 Dabei handelte es sich um Objekte in Althofen (Kärnten), Bergheim (Salzburg), Bruckneudorf (Burgenland), Frankenburg (Oberösterreich), Graz–Andritz (Steiermark), Graz Puntigam (Steiermark), Innsbruck (Tirol), Klagenfurt (Kärnten), Leoben (Steiermark), Ossiach (Kärnten), Potzneusiedl (Burgenland), Schiefling (Kärn
ten), Steyregg (Oberösterreich), Villach (Kärnten), Wels (Oberösterreich) und Wörthersee (Kärnten). Die Objekte in Schiefling und Wels nutzte das Innenministerium nicht als Betreuungseinrichtung.
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