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Zu A) Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide) 3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge

obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, vermochten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und die minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, waren die Beschwerden gemäß Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide)

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl.

VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372 ua.). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143; ua.).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann. Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174;

25.04.2017, Ra 2016/01/0307; ua.).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass auch eine Familie mit minderjährigen Kindern, die sunnitischen Glaubens ist, nicht automatisch schützenswert im Sinne des § 8

AsylG ist (vgl. VwGH 29.06.2018, Ra 2018/18/0138). Im gegenständlichen Fall ist die Ausgangssituation aber anders als jene, welche der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung zu beurteilen hatte:

Im Hinblick auf die Minderjährigkeit von vier der insgesamt sechs Beschwerdeführer handelt es sich bei den Beschwerdeführern um eine besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personengruppe. Insbesondere Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte, die entweder sie selbst oder Familienmitglieder betrafen, stark traumatisiert und betroffen.

Im gegenständlichen Fall stammt die Familie aus XXXX (Gouvernement Diyala), rund 60 km von Bagdad entfernt. Auch wenn der IS seit 2017 als besiegt gilt und die Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und schiitischen Bevölkerungsgruppen nur mehr in geringerem Umfang Todesopfer fordern und das damit verbundene Ausmaß an Gewalt zurückgegangen ist, zählt das Gouvernement Diyala – unter Heranziehung der Ausführungen der Länderberichte – zu den Regionen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen. Diyala gilt als die gewalttätigste Region des Irak und weiterhin als ein Kerngebiet des IS.

Wie sich aus den Länderberichten zudem ableitet, führten viele lokale Behörden angesichts der massiven Vertreibung von Menschen aufgrund der IS-Expansion und der anschließenden Militäroperationen gegen den IS, zwischen 2014 und 2017, strenge Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen ein, darunter unter anderem Bürgschafts-Anforderungen und in einigen Gebieten nahezu vollständige Einreiseverbote für Personen, die aus ehemals vom IS kontrollierten oder konfliktbehafteten Gebieten geflohen sind, insbesondere sunnitische Araber. Die Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen sind nicht immer klar definiert und/oder die Umsetzung kann je nach Sicherheitslage variieren oder sich ändern.

Neben diesen Sicherheitsbedenken bestehen auch Bedenken hinsichtlich der Versorgungslage, die sich aufgrund der derzeitigen COVID-19 Pandemie weiter zugespitzt hat.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die derzeit im Irak vorherrschende durch die COVID 19 Pandemie verschärfte allgemein schlechte wirtschaftliche Lage, die Verschlechterung der stabilen Sicherheitslage in Bagdad und im Gesamtirak, der schleppende Wiederaufbau der Infrastruktur, die Verschlechterung des Gesundheitssystems durch den Konflikt zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der minderjährigen Beschwerdeführer führt bzw. Sie in Ihrer Existenz bedroht.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsort auch über keine Unterkunftsmöglichkeit mehr verfügen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die sechsköpfige Familie der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr hinreichende und dauerhafte Unterstützung durch ihre im Irak lebenden Familienangehörigen erfahren würden.

Es kann daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer und ihre Eltern im Fall der Rückführung in den Irak keiner realen Gefahr im Sinne des Art. 2 und/oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Diese maßgebliche Wahrscheinlichkeit in Rechten nach Art. 2 und/oder Art. 3 EMRK verletzt zu werden, ist für das gesamte Staatsgebiet des Irak zu erwarten, weshalb für die Beschwerdeführer aufgrund der getroffenen Länderfeststellungen (wirtschaftlichen Lage, Sicherheitslage, Situation von minderjährigen Kindern [Nahrung, Wohnung, medizinische Versorgung, Schulbildung] auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht. Eine Rückkehr der Beschwerdeführer in den Irak erscheint deshalb derzeit als nicht zumutbar.

Es ist daher davon auszugeben, dass aufgrund der gegenwärtigen Sicherheits- und Versorgungssituation eine Rückkehr in den Irak für die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer eine Gefährdung ihrer in Art. 2 und Art. 3 geschützten Rechte bedeuten würde.

Dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin wird gemäß § 34 Abs. 3 AsylG als Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer der Status subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, die Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG zu gewähren und die Rückkehrentscheidungen sowie die darauf aufbauenden Spruchpunkte zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 28.01.2020, Ra 2020/14/0004).

Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, orientierte sich das erkennende Gericht an der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Dabei weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.