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9 Teil 2: 3-Amino-4-tert-butyl-3H-thiazol-2-thione

9.3 Kondensation mit CH-aciden Verbindungen

9.3.2 Reaktion mit heterocyclischen CH-aciden Verbindungen

Ein sehr interessantes Ergebnis ergab die Umsetzung des aktivierten 4-tert -Butyl-3-dimethylamino-2-methylthio-3H-thiazolium-Iodids mit Meldrumsäure in Gegenwart von 2 Äquivalenten Triethylamin und 1.5 Äquivalenten Blei(II)nitrat. Es entstand ein Produktgemisch, das säulenchromatographisch aufgereinigt wurde. Aus der Hauptfraktion ließen sich dadurch 60 mg eines gelben Feststoffes analysenrein erhalten.

Anhand des Massenspektrums zeigte sich, dass es sich nicht um das erwartete Kondensationsprodukt handeln konnte, da ein Molekülpeak mit einer wesentlich höheren Masse gefunden wurde. Statt 326 g/mol wies der Molekülpeak einen Wert von 425 g/mol auf.

Durch die Elementaranalyse der Substanz konnte bestätigt werden, dass es sich nicht um das erwartete Produkt handeln konnte. Bezogen auf eine molare Masse von 425 g/mol konnte folgende Summenformel errechnet werden: C19H23NO8S.

Diese Summenformel wurde durch ein hochaufgelöstes Massenspektrum abgesichert.

S N N

C S H3

S N

O O

O O

N

O O

O O

+

I- + NEt3 + Pb(NO3)2

C19H23NO8S 60 mg gelbe Kristalle mit der Summenformel:

Im IR-Spektrum der Substanz sind Valenzschwingungsbanden der Carbonylfunktionen in einem Bereich von 1769 cm-1 bis 1631 cm-1 zu erkennen. Starke Banden zwischen 1450 cm-1 und 1382 cm-1 können als C=C-Valenzschwingungen gedeutet werden.

In den NMR-Spektren der Substanz konnten einige bekannte Signale zugeordnet werden.

Zum Beispiel liegen im 13C-NMR-Spektrum die Signale der Kohlenstoffatome der tert -Butylgruppe bei 36.13 ppm und bei 27.90 ppm. Einige Signale zwischen 26.49 und 28.79 ppm ließen sich ebenfalls Alkylgruppen zuweisen. Im tiefen Feld sind zwischen 166.94 und 157.96 ppm vier Peaks zu sehen, die auf die Resonanz von Carbonylgruppen und/oder des kondensierten Kohlenstoffs in Position 2 des Thiazolrings zurückgeführt wurden.

Im 1H-NMR-Spektrum kommt ein H-Atom mit einer chemischen Verschiebung von 5.64 ppm zur Resonanz. Es wurde vermutet, dass es sich dabei um das H-Atom am C-5 des Thiazolrings handeln könnte. Zudem kann anhand der Integrale im 1H-NMR-Spektrum eine Gesamtanzahl von 23 H-Atomen festgestellt werden.

Da diese Daten nicht ausreichend waren, um die Struktur der Verbindung eindeutig aufzuklären, wurde eine Röntgenstrukturanalyse durchgeführt, die Aufschluss über die räumliche Anordnung der Atome in dem Molekül geben sollte.

Durch Beugung und Interferenz der Röntgenstrahlen an den Elektronen der Gitteratome entsteht ein latentes Bild der Anordnung der Gitterbausteine. Die Auswertung des Beugungsmusters bzw. der gemessenen Reflexintensitäten erlaubt es, den Kristallaufbau, die Kristallsymmetrie und die Gitterkonstanten zu bestimmen. Auf diese Weise können auch die Bindungslängen und Bindungswinkel der Atome und Moleküle im Kristall gemessen werden, sowie gegebenenfalls die absolute Struktur bestimmt werden.

Für die Einkristall-Röntgenstrukturanalyse wurde ein Kristall in Ethylacetat / n-Hexan gezüchtet.

Das Röntgenbild zeigt ein erstaunliches Ergebnis. Aus dem 3-Dimethylamino-4-tert -butyl-3H-thiazol-Ring ist durch Ringöffnung und anschließende Einlagerung eines Moleküls 2,2-Dimethyl-[1,3]dioxan-4,6-dion ein Sechsring und Spirocyclus entstanden. Insgesamt hat tatsächlich eine Verknüpfung mit zwei Molekülen 2,2-Dimethyl-[1,3]dioxan-4,6-dion stattgefunden. Zudem wurde die exocyclische Aminofunktion aus dem Molekül eliminiert.

O O O

O NH

S O

O O O

2' 6

5 5'

7 11

9

88

In Kapitel 3.3 wurde bereits auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Aminogruppe in Stellung 3 des Thiazolrings durch Methyliodid alkyliert werden kann [42]. Aus zahlreichen Untersuchungen an alkylierten Hydrazinen geht ebenfalls hervor, dass die Methylierung der Stickstoffverbindungen mit gängigen Alkylierungsreagenzien einfach und in sehr guten Ausbeuten (80-99%) verläuft [93]. Die so erhaltenen monoquartären Hydrazinium-Verbindungen können auf unterschiedliche Weise unter Spaltung der N-N-Bindung umgewandelt werden. Voraussetzung für derartige Reaktionen ist, dass eine intra- oder intermolekulare Elektronen-Zufuhr zur Spaltstelle besteht [93].

Zum Beispiel können aus Hydrazinium-Salzen mit Salpetriger Säure tertiäre Amine gebildet werden. Dabei wird das Hydrazin-Derivat vermutlich unter N2-Abspaltung deaminiert [94].

N NH2 RX N NH2 R

X HNO2 - R N

+ +

X = Br, Cl R = Alkylrest

In ihren Untersuchungen an methyliertem 2-p-Anisyl-1,6-diazabicyclo[4,3,0]nonan und methyliertem 1,6-Diazabicyclo[4,4,0]decan fanden Aeberli und Houlihan heraus, dass die Behandlung dieser Hydrazinium-Iodide mit Natriummethanolat zur Spaltung der N-N-Brücke und der Bildung einer N-CH2-N-Brücke führte [95].

N N Ar

CH3

NaOCH3

NN Ar + I

-Rückfluss

Ar = p-Anisyl

Die Elimination von Trimethylamin aus einem quartären Hydrazinium-Iodid gelang Harvey durch Erhitzen des methylierten 3-(N',N'-Dimethylhydrazino)-N -disubstituierten-propionamids mit Natriummethanolat in Ethanol [96].

O N N R

H N

NaOCH3

NH

N O

R N(CH3)3 R = Me, Isobutyl

I- + Rückfluss +

Für die eigene Umsetzung ergibt sich daraus für den Verlauf der Reaktion unter der Annahme, dass sowohl der exocyclische Schwefel als auch der exocyclische Stickstoff methyliert worden sind, folgendes Schema:

S N N

S

O O

O O

S N

O O

O O

N

N

O O

O

O S

O O O

O

S N

O O

O O

O

O O

O N S

O O

O O

O

O O

O

O O

O O

+ +

+ NEt3 + Pb(NO3)2

+

- N(CH3)3 Kondensation am

C-2 des Thiazolrings

C

Deprotonierung der Meldrumsäure und Anlagerung des Anions an das reaktive Kohlenstoffatom der Keten-Imin-Struktur

- - Protonierung

durch HN+Et3

Produkt

88

-+ NEt3

Thiophiler Angriff des Anions der Meldrumsäure unter Ringöffnung Keten-Imin

Dieses Reaktionsschema sollte eine brauchbare Hypothese für die Bildung des Spirocyclus 88 darstellen.

Ein entsprechendes Ergebnis wurde durch Umsetzung des 4-tert -Butyl-3-dimethylamino-2-methylthio-3H-thiazolium-Iodids (81a) mit 1,3-Dimethylbarbitursäure erzielt.

Im Massenspektrum des isolierten Hauptprodukts lag nicht der Molekülpeak des zu erwartenden Kondensationsproduktes vor. Statt dessen konnte der Substanz ein Peak mit einer relativen Intensität von 100% und der molaren Masse 449 g/mol zugewiesen werden.

Die Summenformel des Produktes wurde mittels Elementaranalyse berechnet und durch ein hochaufgelöstes Massenspektrum bestätigt: C19H23N5O6S.

S N N

S

S N N

N N O

O O

C19H23N5O6S

N N

O O

O + I- + NEt3

+ Pb(NO3)2 60 mg gelbe Kristalle mit der Summenformel:

Das Molekül enthielt demnach die doppelte Anzahl der zu erwartenden Sauerstoffatome und darüber hinaus auch mehr Kohlenstoff- und Stickstoffatome. Da die Strukturformel des zuvor diskutierten Spirocyclus bereits bekannt war, konnte vermutet werden, dass hier eine vergleichbare Reaktion stattgefunden haben muss.

Die Valenzschwingungsbanden der Carbonylfunktionen sind im IR-Spektrum der Verbindung bei Wellenzahlen von 1684 und 1626 cm-1 zu sehen. Eine starke Bande bei 1474 cm-1 kann der C=C-Doppelbindung des push-pull-Systems zugewiesen werden.

Das Aufspaltungsmuster der Signale im 13C-NMR-Spektrum ähnelt dem der spirocyclischen Substanz 88. Im tiefen Feld liegen fünf Signale der Carbonylfunktionen und das Signal des zuvor „aktivierten“ Kohlenstoffatoms in einem Bereich von 166.26 bis 150.57 ppm. Bei 142.74 ppm kommt das Kohlenstoffatom zur Resonanz, an das die tert-Butylgruppe gebunden ist. Das benachbarte Kohlenstoffatom zeigt eine chemische Verschiebung von 93.83 ppm. Im hohen Feld sind die Signale des Spiro-Kohlenstoffs, des quartären Kohlenstoffatoms der tert -Butylgruppe und die Methylgruppen zu erkennen. Sowohl bei den Carbonyl- als auch bei den Alkylgruppen der Barbitursäurereste fällt auf, dass jeweils zwei Gruppen magnetisch äquivalent sind und zwei einen doppelten Signalsatz aufweisen. Im 1H-NMR-Spektrum der

Substanz ist anhand der Integrale ebenfalls erkennbar, dass die Methylgruppen der 1,3-Dimethylbarbitursäurereste in 3 + 6 + 3 H-Atome aufgespalten sind. Diese Tatsache spricht dafür, dass ein Spirocyclus entstanden ist, dessen Grundgerüst dem der Verbindung 88 entspricht.

S

NH N

O N

O

O N

O N

O O

2 3

5 6

2'

89

Zur Absicherung der Strukturformel sollte eine Röntgenstrukturanalyse durchgeführt werden.

Durch eine erste Analyse konnte die spirocyclische Struktur nachgewiesen werden. Aufgrund der Zersetzlichkeit des Kristalls konnten jedoch der Kristallaufbau, die Kristallsymmetrie und die Gitterkonstanten nicht mit ausreichender Genauigkeit bestimmt werden, um eine endgültige bzw. eindeutige Aussage darüber zu ermöglichen, ob eine intramolekulare H-Brücke vorliegt.

Die Umsetzungen des methylthioaktivierten 4-tert-Butyl-3-dimethylamino-3H -thiazol-2-thions mit Meldrumsäure und 1,3-Dimethylbarbitursäure führten also zu den sehr interessanten spirocyclischen Verbindungen 88 und 89. Auch bei der Wiederholung der Umsetzungen konnten jedes Mal wieder dieselben Substanzen erhalten werden. Mit anderen Thiazol-Derivaten, wie zum Beispiel der Verbindung 59, wurde dagegen keine solche Umsetzung beobachtet. Diese Reaktion war auch nur mit den beiden methylenaktiven heterocyclischen Diester-Derivaten zu beobachten. Wie aus Abschnitt 9.3.1 ersichtlich, gelang mit offenkettigen Ester-Verbindungen die Kondensation unter Bildung von Keten-N,S -acetalen.