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6.3 Rationsberechnungen

Die Daten der Rationskennzahlen für Kühe in den ersten 100 Tagen stellten ausschließlich kalkulierte Rationen dar. Berechnete Rationen spiegeln nur einen Teil der Rationsbeurteilung wider. Obwohl zwischen der kalkulierten Ration und der Ration, die von der Kuh aufgenommen wird, eine Reihe von Stationen über Futtermischwagen, Futtertisch etc. liegen, spiegeln sich bestimmte Rationskennzahlen in den Milchinhaltsstoffen wider. Anhand dieser kann eine Assoziation zu einem Gesundheitsrisiko für Stoffwechselstörungen gezogen werden.

Idealerweise sollte die errechnete Ration mit der vorgelegten Ration sowie mit der aufgenommenen Ration übereinstimmen.

Für die Berechnung der Ration bedarf es zum einen tierbezogene Daten (DE KRUIF et al. 2014;

KAMPHUES et al. 2014). Für die Auswertung von Kühen in den ersten 100 Tagen der Laktation wurden ausschließlich Rationen, sowohl die AMR als auch die TMR, mit maximaler Kraftfutterzugabe berechnet. Eine Herausforderung in der Betrachtung der Rationen liegt darin, dass zum Teil unterschiedliche Rationstypen (AMR und TMR) auf den Betrieben gefüttert wurden. In dieser Arbeit wurden die TMR-Betriebe mit den AMR-Betrieben verglichen. Zu der Menge an Kraftfutter in der Ration von AMR-Betrieben auf dem Futtertisch wurde die Menge an zusätzlichem Kraftfutter (über KF-Automaten, Melkstand, Roboter etc.) aufgelistet, sodass für die AMR-Betriebe eine Ration mit max. Kraftfutter (KF)-Gabe berechnet wurde. Hierdurch

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konnten die Rationen für hochleistende Kühe von TMR- und AMR-Betrieben verglichen werden.

Des Weiteren werden auch die Analyseergebnisse der Rationskomponenten benötigt (SCHWARZ 2008; DE KRUIF et al. 2014; KAMPHUES et al. 2014; LFL 2019). Da diese Werte innerhalb eines Silos im Laufe der Zeit erheblichen Schwankungen unterliegen und sich die Werte für z.B. Zucker und Stärke stark verändern können, sollten die Futtermittel häufiger beprobt werden (SPIEKERS et al. 2009; HAYTON et al. 2012; LFL 2019). Für dieses Projekt wurden allerdings sämtliche Silagen aus zeittechnischen Gründen nur einmal beprobt. Alle vorgelegte Silagen wurden durch die LUFA Nord-West analysiert, sodass der Datensatz mit den Analyseergebnissen für die Berechnungen der Rationen als stabil bezeichnet werden kann.

In der Literatur haben sich in den letzten Jahren einige Studien mit der Fütterung beschäftigt.

ENDRES und ESPEJO (2010) sowie SOVA et al. (2013) untersuchten die Fütterung auf Betrieben, die ausschließlich eine TMR fütterten. In den Arbeiten von GOLLUB (2017) wurden AMR sowie TMR in Norddeutschland für Frühlaktierende bei mittlerer Leistung verglichen.

Zusätzlich wurde hier ebenfalls AMR mit maximaler KF-Gabe berechnet. Die nachfolgenden Berechnungen dieser Rationen (siehe Manuskript I) ermöglichen eine vergleichende Betrachtung von TMR und AMR mit maximaler Kraftfuttergabe für Kühe in den ersten 100 Tagen der Laktation innerhalb der drei Regionen Deutschlands.

Es sollte vermieden werden, dass große Diskrepanzen zwischen der errechneten und der vorgelegten Ration entstehen. Daher ist es wichtig, dass der Mischwagen mit einer Waage ausgestattet ist (SPIEKERS et al. 2009). Auf diese Weise können die kalkulierten Mengen in der Ration eingehalten werden. Die Wiegeeinrichtung sollte möglichst häufig kontrolliert werden, damit richtige Werte gemessen werden und die Ration laut der Berechnung gemischt werden kann (HAYTON et al. 2012). In allen drei Studienregionen wurden in über 90 % (Nord:

96,8 %; Ost: 96,2 %; Süd: 97,9 %) der Abteile für hochleistende Kühe ein Futtermischwagen mit einer Wage benutzt.

Allerdings ist eine homogene Mischung Grundvoraussetzung für eine optimale Umsetzung der kalkulierten Ration. Sie verhindert eine Selektion der Futtervorlage und sorgt somit für eine ausgewogene Futteraufnahme, was den Erfolg der Milchgewinnung sicherstellt. So können zu lange Partikel in der Silage, zu kurzes oder zu langes Mischen im Futtermischwagen zu Entmischungen der Ration führen mit Verlusten der Homogenität (SPIEKERS et al. 2009;

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HAYTON et al. 2012; KAMPHUES et al. 2014). Schließlich spielt die Reihenfolge des Beladens des Futtermischwagens eine wichtige Rolle, um eine homogene Mischung der Ration zu erhalten (SPIEKERS et al. 2009).

In dieser Studie konnten weder die gemischte Ration noch die Rationsherstellung im Futtermischwagen durch die Studientierärzte kontrolliert werden, da auf den Betrieben zu unterschiedlichen Zeiten die Ration gemischt und vorgelegt wurde.

Am Futtertisch ist die vorgelegte Ration für die Kühe auf folgende Punkte zu überprüfen:

Menge, Mischung sowie Verfügbarkeit (HALACHMI et al. 2014; SPIEKERS et al. 2009;

HAYTON et al. 2012; SOVA et al. 2013; DE KRUIF et al. 2014; LFL 2020). Die verbliebene Menge an Futterresten sollte täglich überprüft und abgewogen werden, so kann ebenfalls die Futtervorlage bewertet werden (SPIEKERS et al. 2009; HAYTON et al. 2012; DE KRUIF et al. 2014). Auf Grund der unterschiedlichen Zeiten, zu denen die Landwirte gefüttert haben, wurden in dieser Studie die Futterrestemengen nicht gemessen. Sie wurden lediglich in dem Interview mit dem Betriebsleiter erfragt. Die Qualität der vorgefundenen Mischungen auf den Futtertischen hätte durch eine Siebanalyse bewertet werden können (SPIEKERS et al. 2009;

HAYTON et al. 2012; DE KRUIF et al. 2014; LFL 2019). Da allerdings die Rationen auf den Betrieben zum Teil schon eine längere Zeit auf dem Futtertisch vorzufinden waren, bis zum Teil keine vorfindbaren Rationen, wären die Ergebnisse nicht miteinander zu vergleichen gewesen.

Letztendlich kann die aufgenommene Ration Aussagen über das Fressverhalten der Kühe geben, diese wird indirekt z.B. über die Körperkondition der Kühe beurteilt. Der BCS ist u.a.

abhängig von der aufgenommenen Menge an Futter (SPIEKERS et al. 2009; DE KRUIF et al.

2014; LFL 2020).

Weiterhin wurde die Milchmenge der Kühe in den ersten 100 Tagen durchschnittlich aus der letzten MLP errechnet, da diese maßgeblich von der Fütterung und der Ration abhängig ist.

Dass die Berechnung der Ration und die Realität z.T. weit auseinander liegen, belegen die Differenzen zwischen der berechneten Leistung aus NEL und nRP im Vergleich zur tatsächlichen Leistung der Kühe (Tab. 5, Manuskript I). Die Rationen wurden in den allermeisten Fällen überschätzt. Es wurde deutlich, dass die Kühe in den ersten 100 Tagen der Laktation auf AMR-Betrieben durchschnittlich zwischen 2,4 und 4,0 kg Milch weniger gaben als die mögliche errechnete Leistung. TMR-Betriebe hatten deutschlandweit eine Differenz

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zwischen der errechneten und tatsächlichen Leistung im Schnitt zwischen 0,5 und 2,9 kg Milch.

Die extremen Abweichungen einzelner Betriebe lagen deutlich über 20 kg Milch. Diese Diskrepanzen belegen, dass die tatsächliche Leistung nicht nur von der kalkulierten Ration abhängig ist, sondern dass auch viele andere Faktoren einen Einfluss auf die Milchleistung haben, wie z.B. das Fütterungsmanagement (Fressplatzbreite, Anzahl des Heranschiebens etc.).

Zudem verdeutlichen diese extremen Abweichungen nochmal, dass zwischen der berechneten Ration und der aufgenommen Ration erhebliche Abweichungen durch Fehler im Management auftreten können.

Allerdings zeigten die kalkulierten Rationen bezüglich der Rationscharakteristika der jeweiligen Regionen durchschnittlich keine großen Unterschiede, mit Ausnahme des Gehaltes der RNB (g) sowie des Zuckers und der unbeständigen Stärke (g/kg TS). In Region Ost wiesen die Rationen mit etwa 232 g/kg TS den höchsten mittleren kalkulierten Gehalt an Zucker und Stärke auf, während die Rationen in den Regionen Nord (208 g/kg TS) und Süd (219 g/kg TS) einen geringeren mittleren Gehalt enthielten. Dennoch lag der mittlere kalkulierte Zuckergehalt in den drei Studienregionen im Referenzbereich (max. 250 g/kg TS) (WURM 2010), sodass die Berechnungen im Schnitt aus Sicht des kalkulierten Gehaltes an Zucker und unbeständiger Stärke ausreichend berechnet wurden. Die maximalen Werte belegen jedoch, dass z.T. Betriebe eine Ration vorlegten, die deutlich über diesen Werten liegen (Nord: 305 g/kg TS; Ost: 423 g/kg TS; Süd: 333 g/kg TS). Die kalkulierte Milchmenge aus NEL (kg) war durchschnittlich mit über 38 kg in Region Ost deutlich über dem aus Region Süd (35,2 kg). Ebenfalls war die kalkulierte Milchmenge aus nRP fast 3 kg höher in Region Ost als in Region Süd. Diese könnte die höhere gemessene Leistung in der MLP von ca. 5 kg in Region Ost gegenüber Region Süd erklären.

Der Median der RNB (g) lag in allen drei Studienregionen im kalkulierten Normbereich (KAMPHUES et al. 2014). Aus der Deskription war allerdings ersichtlich, dass Betriebe z.T.

erheblich von diesen abweichen. Die max. Werte aller drei Regionen lagen zwischen 145,1 g und 171 g, wodurch Tiere auf Grund eines erhöhten Gehaltes an Stickstoff einer Stoffwechselbelastung ausgesetzt werden (VAN DE SAND et al. 2008). VAN DE SAND et al.

(2008) konnten in ihrem Versuch nachweisen, dass Tiere mit einer deutlich negativen RNB eine schlechtere Futteraufnahme haben im Vergleich zu Kühen, deren RNB im Normbereich lag. In Bezug auf den hohen Anteil von Kühen mit einem Eiweißgehalt < 3,2 % in Region Ost

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kann vermutet werden, dass aus einer unzureichenden Futteraufnahme sich ein Eiweißgehalt <

3,2 % ergibt (BUSCH et al. 2004). Dieser hohe Anteil an Kühen mit Eiweißgehalt < 3,2 % könnte mit der negativen RNB bei 25 % der Betriebe in Region Ost (-15,2 g) in Verbindung gebracht werden.

Anhand von Nettoenergielaktation (NEL) kann die Milchbildung energetisch bewertet werden.

Diese Größe wird in Megajoule (MJ) gemessen (KAMPHUES et al. 2009; SPIEKERS et al.

2009). Um eine hochleistende Kuh energetisch leistungsgerecht zu versorgen, werden Konzentrationen über 7,0 MJ pro kg TS benötigt (LFL 2020). Der Median der kalkulierten Gehalte an Energie NEL in den Regionen Nord, Ost und Süd waren mit jeweils 7,0 MJ/kg TS auf ähnlichem Niveau. In Region Süd zeigte sich in der statistischen Auswertung, dass sich der Energiegehalt schützend auf den Eiweißgehalt (Zielgröße Eiweißgehalt < 3,2 %) auswirkte (OR: 0,39). Andererseits zeigte die Modellbildung zur Rohfaserversorgung (Hilfsmittel FEQ <

1,0), dass sich in der Region Nord ein erhöhter Energiegehalt der Ration negativ auf die Zielgröße auswirkte. Stellvertretend in Region Süd für den Energiegehalt, könnte hier aber die TS angeführt werden. Ein erhöhter kalkulierter Gehalt der TS in Region Süd ging mit einem größeren Risiko eines FEQ < 1,0 einher. Hier zeigte es sich, dass zwischen der leistungsgerechten Versorgung und der wiederkäuergerechten Fütterung ein schmaler Grat besteht. Rationen mit hohem Anteil an Kohlenhydraten haben negative Folgen für den Pansen des Wiederkäuers (GOFF u. HORST 1997; HAYTON et al. 2012).

Ein überraschendes Ergebnis war, dass ein erhöhter Energiegehalt der Ration in Region Ost und Süd das Vorhandensein eines FEQ > 1,5 begünstigt. Dieser Widerspruch deutet darauf hin, dass eine Ketose neben dem klassischen Weg (Energiemangel) möglicherweise durch andere Faktoren hervorgerufen werden kann. Wir haben festgestellt, dass ein hoher Energiegehalt in der Ration mit einem höheren Risiko für eine Ketose einhergeht. Diese Feststellung lässt verschiedene Vermutungen zu. Zum einen könnte die kalkulierte Ration in der Praxis nicht aufgenommen bzw. nicht umgesetzt werden wie erwartet. Zum anderen würde durch eine subakute Pansenazidose (SARA) der Gehalt an Endotoxinen im Pansen erhöht und aufgrund einer gestörten gastrointestinalen Barriere vermehrt Endotoxine in den Blutkreislauf gelangen (KHAFIRPOUR et al. 2009). Hierdurch entsteht eine systemische Entzündungsreaktion die einerseits viel Glucose verbraucht, welche dann der Milchzuckersynthese fehlt, andererseits kann die Entstehung einer Fettleber begünstigt werden (AMETAJ et al. 2010). Eine Assoziation

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von entzündlichen Biomarkern konnte mit dem Auftreten von Ketose nachgewiesen werden (ABUAJAMIEH et al. 2016).

Bezogen auf die Ergebnisse dieser Studie zeigt es sich, wie schwer es ist, eine Ration für Kühe in den ersten 100 Tagen der Laktation sowohl leistungs- als auch wiederkäuergerecht zu gestalten. Eine Erhöhung des Energiegehaltes führt zu einer verbesserten Energieversorgung (Hilfsparameter Eiweißgehalt < 3,2 %) und wie erwartet zu einer Reduzierung der Wiederkäuergerechtheit (Hilfsparameter FEQ < 1,0). Das Risiko, welches sich hieraus ergeben kann, ist die mögliche und unerwartete Entstehung einer Ketose (Hilfsparameter FEQ > 1,5).