• Keine Ergebnisse gefunden

4. DISKUSSION

4.2. R EDUKTION VOM OPERANTEN V ERHALTEN DER A NTENNE ZUR A KTIVITÄT EINES

Das operante Lernverfahren am antennalen System eröffnet die Möglichkeit, die neuronalen Ereignisse, die zur Verhaltensplastizität führen, elektrophysiologisch zu untersuchen. Weil der schnelle Flexormuskel (fast flagellum flexor muscle) das Antennenabtastverhalten stark dominiert, wurde operantes Lernen an diesem Muskel und dem dazugehörigen identifizierten Motoneuron analysiert. Die Experimente zur Elektrophysiologie am Flexormuskel der Bie-nenantenne zeigen, dass die Aktivität des schnellen Flexormuskels operant in gleicher Weise konditioniert werden kann, wie die Bewegungen der ganzen Antenne. Die Experimente zei-gen, dass die Aktivität eines einzelnen Muskels der Antenne operant unter Verwendung des natürlichen Verstärkers Saccharose konditioniert werden kann. Die Ergebnisse lassen sich mit den Verhaltensexperimenten vergleichen, in denen Bienen operant konditioniert wurden, ein Objekt in der Reichweite der Antennen vermehrt abzutasten. Die Zunahme der Anzahl von Muskelpotentialen des Flexormuskels nach der operanten Konditionierung ist vergleichbar

mit dem Zuwachs der antennalen Kontakte in den Verhaltensexperimenten, in der die gesamte Antenne in ihrer Bewegung konditioniert wurde (Abb. 3.18).

4.2.1. Neuroanatomische und mögliche elektrophysiologische Grundlagen

Die komplexen Bewegungen der Antenne mit ihren zwei Gelenken werden von sechs Mus-keln erzeugt, die von 15 Motoneuronen gesteuert werden (Kloppenburg 1995). Die Reduktion dieses komplexen Systems auf einen Muskel, der von nur einem Motoneuron gesteuert wird zeigt, dass der schnelle Flexormuskel für die Abtastbewegungen der freibeweglichen Antenne von großer Bedeutung ist. Diese Interpretation wird von früheren Untersuchungen gestützt, die zeigen, dass das Abtasten eines Objektes hauptsächlich durch den schnellen Flexormuskel kontrolliert wird (Erber und Pribbenow 2000) und dass es einen engen Zusammenhang zwi-schen den nicht-assoziativen Verhaltensänderungen des Abtastens und der Aktivität des schnellen Flexormuskels gibt (Pribbenow und Erber 1996).

Neuroanatomische und elektrophysiologische Experimente zeigen, dass der schnelle Flexor-muskel von einem einzelnen Motoneuron innerviert ist, dessen Soma im Dorsallobus des Deuterocerebrums liegt (Pribbenow 1994, Erber et al. 2000). Die Somata der antennalen Mo-toneurone liegen in definierten Clustern im Dorsallobus (Kloppenburg 1995). Diese Somata können durch retrograde Füllung des Antennennervs in vivo mit fluoreszierendem Farbstoff identifiziert werden. Dadurch ist es möglich, intrazelluläre Ableitungen an identifizierten an-tennalen Motoneuronen durchzuführen und Ionenströme an diesen Somata zu charakterisieren (Kloppenburg et al. 1999, Haupt, persönliche Mitteilung).

Zelluläre Studien zum operanten Lernen in Insekten und Mollusken haben gezeigt, dass moto-rische Systeme auf Einzelzellebene konditioniert werden können. In elektrophysiologischen Untersuchungen zu den zellulären Grundlagen dieses operanten Lernens zeigte sich, dass sich die Membraneigenschaften der identifizierten Motoneurone während des Konditionierens geändert hatten (Woolacott und Hoyle 1977). Es wird angenommen, dass sich durch Lernen die K+ Leitfähigkeit der Membran dieser Motoneurone ändert, wodurch die Aktivität der Zel-len moduliert wird. Neuere Experimente mit der Meeresschnecke Aplysia deuten in die glei-che Richtung. In diesem Präparat ist es möglich, auch in einer reduzierten Präparation in vitro, ein spezifisches motorisches Programm operant zu konditionieren (Nargot et al. 1997).

In einem identifizierten Motoneuron wurden Veränderungen der intrinsischen Eigenschaften gefunden (Nargot et al. 1999a, b).

Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass die Aktivität des Motoneurons, welches den schnellen Flexormuskel innerviert, nach Zuckerwasserstimuli an Antenne oder an Rüssel und Antenne erhöht ist (Pribbenow und Erber 1996). Die Stimulierung des Rüssels allein hatte keinen Ein-fluss auf die Modulation der Aktivität. Das deutet darauf hin, dass die Reizung der antennalen Chemorezeptoren den entscheidenden Einfluss auf die Aktivität der antennalen Motoneurone

hat. Offensichtlich können gustatorische Reize an den Antennen über Interneurone auf die Motoneurone der Antenne wirken. Allerdings sind die genauen neuronalen Verschaltungen noch nicht geklärt. Es ist möglich, dass modulatorisch wirkende unpaarige Neurone (VUM-Neurone: ventral unpaired median neurons) im Unterschlundganglion grundlegende Elemente dieser nicht-assoziativen und assoziativen Verhaltensänderungen sind (Hammer 1997).

Ähnliche Effekte wie durch die Stimulation mit Zuckerwasser können auch durch Injektionen von Oktopamin in den Dorsallobus erzeugt werden. Es gibt Belege dafür, dass Oktopamin auch als Transmitter im Rahmen der zellulären Modulation zwischen VUM-Neuronen und antennalen Motoneuronen vorkommt (Pribbenow und Erber 1996). Eine Vielzahl anderer Studien belegt die Funktionen von Oktopamin während Lernvorgängen in der Biene (Erber et al. 1993; Menzel et al. 1994). Man kann annehmen, dass die Veränderungen in der Aktivität des Motoneurons vom schnellen Flexormuskel durch Oktopamin hervorgerufen werden. Der Transmitter Oktopamin könnte als Reaktion auf Zuckerwasserreize von modulatorischen Neuronen im Unterschlundganglion ausgeschüttet werden (Hammer 1997).

4.2.2. Effekte der operanten Konditionierung des schnellen Flexormuskels

Der Erfolg der Konditionierung zeigt sich im Anstieg der Frequenz von Aktionspotentialen des Motoneurons des schnellen Flexormuskels. Signifikante Unterschiede im Muster der Ak-tionspotentialfolgen ließen sich nicht nachweisen (Faensen 1999). Der Effekt der Konditio-nierung liegt demnach in einer generellen Erhöhung der Häufigkeit von Aktionspotentialen.

Es lässt sich zur Zeit nicht bestimmen, wie zellulär im motorischen System der Antenne die Frequenzerhöhung bewirkt wird. Es wäre möglich, dass die Frequenz der Eingangsaktivität ansteigt, die in dem Motoneuron konvergiert. Auch die synaptische Kopplung zwischen In-terneuronen und Motoneuron könnte modifiziert sein oder die intrinsischen Eigenschaften des Motoneurons selbst könnten sich durch die Konditionierung geändert haben. Die Experimente des Beinpositionlernens in Heuschrecken deuten auf Änderungen der intrinsischen Eigen-schaften des Motoneurons hin (Woolacott und Hoyle 1977). In der Biene müssten diese Fra-gen durch weitere Experimente analysiert werden.

Da auch Oktopamin den Anstieg der Aktionspotentialfrequenz des Motoneurons vom schnel-len Flexormuskel erzeugen kann (Pribbenow und Erber 1996), wäre zu untersuchen, ob Re-zeptoren für Oktopamin auf dem Motoneuron des schnellen Flexormuskels zu finden sind.

Weiterhin wäre zu analysieren, ob diese Rezeptoren die zellulären Eigenschaften so beein-flussen können, dass sich das neuronale Antwortverhalten ändert. Experimente dazu sind in vivo und in vitro möglich (Kloppenburg et al. 1999).

Diese Experimente machen die erste Analyse der neuronalen Mechanismen von operantem Lernen in der Biene möglich. Eine Vielzahl von Untersuchungen zur klassischen olfaktori-schen Konditionierung auf verschiedenen Ebenen der Signalübertragung liegt vor.

Überge-ordnete Interneurone im Bereich der Pilzkörper können ihr Antwortverhalten während olfak-torischer Konditionierung ändern (Erber 1981; 1984; Mauelshagen 1993). Ein identifiziertes Neuron, das VUMmx neuron, welches vom Unterschlundganglion in weite Bereiche des Deu-to- und Protocerebrums reicht, vermittelt das Belohnungssignal während der olfaktorischen Konditionierung (Hammer 1997). Injektionen von Oktopamin in Pilzkörperkelche und An-tennalloben ersetzten den Belohnungsstimulus in der olfaktorischen Duftkonditionierung (Hammer und Menzel 1998). Die Aktivität des Muskels, der den Rüsselreflex kontrolliert, zeigt während der olfaktorischen Konditionierung Veränderungen (Rehder 1987). Viele Expe-rimente in Bienen und Fliegen zeigen, dass olfaktorische Konditionierung in Insekten große Neuropilbereiche des Hirns betrifft, hauptsächlich die Antennalloben und die Pilzkörper (Er-ber et al. 1980, Heisen(Er-berg et al. 1985, Han et al. 1992, zum Ü(Er-berblick Menzel et al. 1994 und Heisenberg 1998). Da hunderttausende Neurone im Gehirn der Insekten beim olfaktorischen Konditionieren beteiligt sind, ist die Komplexität des neuronalen Systems sehr hoch. Das an-tennale motorische System der Bienenantenne scheint dagegen einfacher strukturiert zu sein.

Die dendritischen Felder der mechanosensorischen Eingänge von der Antenne zeigen eine hohe Überlappung mit den dendritischen Feldern der antennalen Motoneurone (Kloppenburg 1995).