• Keine Ergebnisse gefunden

Die Rückkehr des Malers

Franz Wanner in seinem Atelier vor Bild IV aus den «Giornate 2017». Bild: Gianni Paravicini

KUNST

KUNST

COMIC

LEIDENSCHAFT AUF ZEITREISE

seine gut gemeinten Versuche, seine Frau und das ungeborene Kind zu beschützen, machen alles noch verworrener, dramatischer und tragischer.

Im Grunde genommen jedoch, merkt man schon bald, ist das sinnverwirrende Science-Fiction-Spektakel für Daniel Clowes nur ein Vorwand, um eine berührende Liebesgeschichte zu erzählen, eine raue und intensive Geschichte über Leiden-schaft und Loyalität, über Verzweiflung und Rache, Elternschaft und Verantwortung. Die Zeitreise ist dabei in erster Linie eine Metapher für die kleinen Zufälle, die, ohne dass wir es im Moment selber wahrhaben, unser Leben verändern.

«Patience» ist ein grandioser psychedelischer und romantischer Comic-Roman. Daniel Clowes erweist sich auf der Höhe seiner Meisterschaft:

«Patience» ist raffiniert und bis zum Schluss hoch-spannend erzählt, die Zeichnungen spielen sicher mit den Codes des Comics, und dass die Farben an alte Comic-Hefte und Pop-Art-Drucke gemahnen, ist kein Zufall. Es überrascht nicht, dass Clowes bereits am Drehbuch von «Patience» schreibt – nach «Ghost World», «Art School Confidential»

und ganz aktuell «Wilson» wird er auch diesen Comic verfilmen.

Christian Gasser Jack und Patience leben ihr kleines Leben am

Rand der Gesellschaft, ohne Geld und ohne Freun-de. Sie haben nur sich selber und das dafür mit grosser Innigkeit. Patience ist schwanger, sie be-reiten sich auf das Leben zu dritt vor. Eines Tages kommt Jack nach Hause – und Patience liegt tot in der Wohnung. Seine Welt bricht zusammen, die Justiz verdächtigt ihn, nach zehn Monaten Knast kommt er wieder frei und hat nur noch ein Ziel: Rache.

Siebzehn Jahre später, 2029, hat Jack den Mör-der noch immer nicht gefunden. Durch Zufall kommt er in den Besitz einer Zeitmaschine – und reist in der Zeit zurück, um den Mord zu verhin-dern. Aber wie? Das ist die grosse Frage – und entpuppt sich als Jacks eigentliches Problem.

Damit hebt «Patience», der neue Comic-Roman von Daniel Clowes, so richtig ab. Zeitreisen sind bekanntlich eine heikle Sache, weil jeder noch so minime Eingriff ins Raum-Zeit-Kontinuum unkontrollierbare Folgen zeitigt. Daniel Clowes spielt so virtuos damit, dass uns Hören und Sehen vergeht, zumal Jack kein souveräner Rächer ist, sondern ein Pechvogel: Er landet im falschen Jahr, er verliert seinen Teleporter und muss jahrelang in der Vergangenheit ausharren, ehe er weiter an seinem und Patiences Glück arbeiten kann, doch

Daniel Clowes: Patience.

Aus dem Amerikanischen von Jan Dinter.

Reprodukt Verlag, Berlin 2017. 180 Seiten. Fr. 37.–

Gesehenes erinnern. Da male er lieber gleich etwas, das man – wie in der «Giornate»-Serie – tatsächlich bereits gesehen habe, um so einen allfälligen Vorwurf zu unterwandern.

Malend geführter Diskurs

Und seine eigenen Arbeiten? Auftragsarbeiten wie der Rosenkranz-Weg zum Hergiswald (2009) oder der Kreuzweg in der Kirche Marbach (2013)? Für Franz Wanner verdient auch das nicht den Namen Kunst. Was denn sonst? Broterwerb, warum auch nicht, vielleicht ein Dienst an einem Raum, an den Menschen, die sich da einfinden und Besinnung suchen. Auch Handfertigkeit und Geschick im Umgang mit Materialien scheinen ihm nicht künst-lerisch relevant zu sein. Darum wohl fand ein Kupferstich von Marcantonio Raimondi Eingang in die «Giornate»-Serie. Das um 1518 entstandene Porträt von Raffael ist eine kuriose Darstellung:

Mit mürrisch abweisendem Gesicht verbirgt Raffael seine Hände unter dem Mantel. Der Künstler will gar nicht ans Werk. Kunst findet im Kopf statt. Sie braucht keine Hände.

Ob der «Giornate»-Zyklus die Bezeichnung «Kunst» verdient, habe ich Franz Wanner nicht gefragt. Ich vermute, er hätte Nein gesagt. Vielleicht malte er die Bilder nur, um klarzustellen, was er mit dem Wort «Kunst» verbindet, als Beitrag zum Kunst-Diskurs also, den er eben malend führt. Das Skizzenhaft-Unbestimmte

Zur Person

Geboren wurde Franz Wanner 1956. Aufgewachsen ist er in Wauwil.

Bereits mit 15 besuchte er die Kunstgewerbeschule Luzern. Es folgte eine Steinbildhauerlehre bei Franco Annoni. Er lebte in Wien, Rom, Köln.

Seit 1979 lebt er in Walenstadtberg. Er zeigte seine Werke in zahlreichen Museen und Galerien im In- und Ausland. 1988 erhielt er den Nordmann-Kunstpreis Luzern (heute Manor-Nordmann-Kunstpreis). 2002 zeigte er mit anderen früheren Preisträgern (Albrecht Schnider und Eva Stürmlin) im Kunstmu-seum Luzern neue Arbeiten und vor ein paar Jahren ebenso in Meggen im Benzeholz. Er war künstlerischer Mitarbeiter an der Akademie der Bilden-den Künste in München und unterrichtet an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur angehende Architekten. (no) Franz Wanner: Giornate, SA 17. Juni, SA 2. und SA 9. September, 12 bis 17 Uhr, Showroom Edizioni Periferia, Luzern

Vernissage: SA 10. Juni, 12 bis 17 Uhr

Gespräch des Architekten Peter Märkli mit Franz Wanner, DO 31. August, 18.30 Uhr

dieser Reihe würde die Malerei in ihrer ganzen Unzulänglichkeit blossstellen.

Niklaus Oberholzer

KUNST

Ian Anüll und ein Piaggio APE 50 vor dem Kunstlager in Zürich-Albisrieden. Das Gefährt steht während der Ausstellung im Hof vom Haus für Kunst Uri. Bild: Peter Baracchi

Es handelt sich um eine Kollaboration mit dem Musée jurassien des arts in Moutier, wo die Schau im Jahr 2019 gezeigt wird. Anüll, der darin als Künstler, Sammler und Kurator auftritt, entwickelt zusammen mit der Direktorin Barbara Zürcher eine imposante Ausstellung: Über 80 Namen bekannter und weniger bekannter Künstlerinnen und Künstler stehen auf der gelben Einladungskarte.

Allesamt folgen sie dem Aufruf zu «Peinture en promo». So bilden neben Anülls eigenen Kunstwerken die zahlreichen, über die Jahre angehäuften Arbeiten von befreundeten Kunstschaffenden die Querverbindungen innerhalb der Ausstellung. Zudem zeigt der Künstler eine Auswahl seiner Kollaborationen mit Freunden, beispielsweise die Aktion mit John Nixon, als sie jeweils abwech-selnd die Vorder- bzw. Rückseiten von Bildtafeln gestaltet haben.

Der medientechnische Tausendsassa Ian Anüll bewegt sich zwi-schen Malerei, Objekten, Collagen, Installationen sowie Fotografie und blickt auf eine rege Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland zurück. Geboren in Sempach, hat der Künstler die Schulen für Gestal-tung in Luzern und Basel absolviert, danach verliert sich seine Spur, wobei er hauptsächlich in subkulturellen Gefilden unterwegs war.

Seine Arbeiten weisen oftmals einen kritisch-ironischen Unterton hinsichtlich gesellschaftsrelevanter Fragen auf und entstehen aus einer dynamisch-beobachtenden Lebens- und Denkweise. Dabei bedient sich Anüll bei Konsumgütern sowie Massenmedien und erstellt neuartige, eigenwillige Verbindungen zwischen Malereien und Objekten.

Ian Anüll: Peinture en promo, bis SO 20. August, Haus für Kunst Uri Vernissage: SA 10. Juni, 17.30 Uhr

Weitere Infos und Rahmenprogramm: www.hausfuerkunsturi.ch

Der Künstler, die Anonymen, seine