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2. Bedeutung und Entwicklung der Beschäftigung im Gesundheits-

2.1 Quantitative Dimensionen

Das Sozial- und Gesundheitswesen in Deutschland ist eine der größten deutschen Wirtschaftsbranchen. Sie umfaßt sowohl die Bereiche Gesundheit und Medizin als auch Hilfen für Alte und Beeinträchtigte sowie die Erziehung und Betreuung kleiner Kinder; hinzu kommen noch die einschlägigen Zulieferbranchen (von der pharma-zeutischen Industrie über die Medizin- und Gerontotechnik bis hin zum Manage-Abb. 1: Struktur der Gesundheitswirtschaft

Wohnen

Kliniken, Krankenhäuser, niedergel. Ärzte

Pflege

Stationäre Rehabilitation Sport und Freizeit

Touris-mus

Ernährung

Pharmazeutische Industrie Ambulante

Rehabilitation

Selbst-hilfe Medizin- undGerontotechnik

Beratung

ment-Know-how für soziale Betriebe) und Nachbarbranchen wie Nahrung und Ge-nuß oder Sport, Reisen und Freizeit, in denen Bezüge zu gesundheitsrelevanten und sozialen Fragestellungen ein wachsendes Gewicht bekommen; Beispiele für entspre-chende Produktbereiche sind etwa Wellness-Angebote, ökologisch besonders wert-volle Nahrungsmittel oder der Gesundheitstourismus. Abbildung 1 versucht, einen Teil dieser Zusammenhänge in Form eines Zwiebelmodells der Gesundheitswirt-schaft darzustellen.

Eine einheitliche, von allen akzeptierte und genutzte Definition dieser Branche exi-stiert zwar nicht, jedoch haben verstärkte Anstrengungen zur Strukturbeschreibung und -beobachtung in den letzten Jahren für mehr Transparenz gesorgt. Dies gilt ins-besondere für die Gesundheitsbranche, für die Mitte 1998 vom Statistischen Bundes-amt ein „Gesundheitsbericht für Deutschland“ herausgegeben wurde, der erfreulich detaillierte und umfassende Daten zur Erwerbstätigkeit enthält. Auf dieser Basis las-sen sich folgende Gegebenheiten besonders hervorheben:

Mitte der 90er Jahre arbeiteten im deutschen Gesundheitswesen gut vier Millionen Menschen. Das entspricht einem Anteil von 11,2% an der Gesamtbeschäftigung.

Umgerechnet in Vollzeitbeschäftigungsäquivalente beträgt die Zahl der Arbeitsplätze im Gesundheitswesen ca. 3,5 Millionen, der Anteil an der Gesamtbeschäftigung 10,8%.

Bei den Beschäftigungsträgern ist zwischen dem Gesundheitswesen im engeren Sinne und der Gesundheitsindustrie zu unterscheiden. Im eigentlichen Gesundheitswesen – also in den Bereichen der stationären und ambulanten Versorgung, beim Gesund-heitsschutz, in den Gesundheitsverwaltungen etc. – arbeiteten etwa 3,8 Millionen Menschen, in den zuliefernden Gesundheitsindustrien (Pharmazeutische Industrie, Medizin- und Gerontotechnik, Großhandel) knapp 260.000. In die letztgenannten Zahlen sind allerdings nur solche Unternehmen eingegangen, die ausschließlich für die Gesundheitsbranche arbeiten. Firmen, die nur Teile ihres Absatzes in der Ge-sundheitswirtschaft realisieren, sind nicht berücksichtigt, weil es äußerst schwierig ist, zuverlässige Angaben zu bekommen. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß in ent-sprechenden Unternehmen signifikante Beschäftigungsgrößen durch Gesundheit ge-bunden sind. Als Beispiel wäre etwa ein renommierter deutscher Werkzeugmaschi-nenhersteller, der Werkzeuge für die Produktion von Hüftgelenken herstellt, zu nen-nen.

Im Hinblick auf die Form der Beschäftigung ist festzuhalten, daß Teilzeitbeschäfti-gung im Gesundheitswesen mit 20,7% einen deutlich höheren Stellenwert besitzt als in der Gesamtwirtschaft und der geringfügigen Beschäftigung ein eher unterdurch-schnittliches Gewicht zukommt.

Im Gesundheitswesen sind überdurchschnittlich viele Frauen beschäftigt, allerdings unterscheiden sich die Tätigkeitsschwerpunkte der Geschlechter erheblich. Männer sind deutlich stärker in den akademischen Gesundheitsberufen (Ärzte, Zahnärzte etc.) und in den gesundheitsverwaltenden Berufen vertreten, Frauen demgegenüber vor allem in den Pflegeberufen, bei den Sprechstundenhilfen und in den Arztpraxen.

Tab. 1: Art der Beschäftigungsverhältnisse im Gesundheitswesen 1995 Gesundheitswesen

Geschlecht Alle

Wirtschafts-zweige insgesamt i. e. S.

Sonstige Quelle: Statistisches Bundesamt 1998, S. 368; Mikrozensus; eigene

Berech-nungen. In die Berechnung der Vollzeitbeschäftigungsäquivalente gehen Vollzeitbeschäftigte mit dem Faktor 1,0, Teilzeitbeschäftigte mit 0,5 und geringfügig Beschäftigte mit 0,2 ein.

Rückblickend war das Sozial- und Gesundheitswesen – neben den produktionsnahen Diensten – in den letzten zwei Dekaden einer der wichtigsten Träger des Struktur-wandels von der Industrie- zu Dienstleistungsgesellschaft. Nach Berechnungen des Instituts Arbeit und Technik sind die Sozialen Dienstleistungen zwischen 1980 und 1997 um 1,4 Millionen Beschäftigte bzw. um mehr als 65% gewachsen.1

Seit Mitte der 90er Jahre wird im deutschen Gesundheitswesen intensiv über Beschäf-tigungsabbau diskutiert. Ursache dafür sind v. a. sozialpolitische Veränderungen im Kur- und Rehabilitationsbereich (so wurde etwa die Kurdauer auf 21 Tage verkürzt, der Bewilligungszeitraum auf drei Jahre verlängert und Zuzahlungen auf 525,- DM

1 Die diesen Angaben zugrundeliegende Systematik ist nicht hundertprozentig mit jener vergleich-bar, die das Statistische Bundesamtes in seinem Gesundheitsbericht verwendet (Statistisches Bun-desamt 1998, S. 367ff.). Um die Trends zu verdeutlichen, sind sie aber dennoch hinreichend zuver-lässig und instruktiv.

pro 3-Wochen-Kur erhöht). Im engeren Gesundheitsbereich hat dies im Jahre zwi-schen 1995 und 1997 tatsächlich zu einer Stagnation der Beschäftigungsentwicklung geführt; Einschnitte (d. h. ein Minus von ca. 38.000 Arbeitsplätzen) gab es insbeson-dere in Krankenhäusern, allerdings nur wenig bei den Ärzten und beim Pflegeperso-nal (zusammen nur minus 6.000), sondern vorwiegend in den Support- und Verwal-tungsbereichen. Vermutlich handelt es sich hierbei auch nicht ausschließlich um ei-nen tatsächlichen Personalabbau, sondern vielfach um Beschäftigungsverlagerungen etwa von Krankenhausküchen oder technischen Diensten (Outsourcing). In den Rand-, Zuliefer- und Überlappungsbereichen hat sich das Wachstum der Gesund-heitswirtschaft jedoch fortgesetzt.

Tab. 2: Beschäftigung im Dienstleistungssektor Deutschland-West (Zahl der Beschäftigten und Anteil an der Gesamtbeschäftigung in Prozent)

1980* 1997* 1980 1997

Landwirtschaft, Energie, Bergbau 698.858 559.701 3,3 2,5 Verarbeitendes Gewerbe 8.635.233 7.107.737 41,2 32,2

Baugewerbe 1.695.931 1.433.717 8,1 6,5

Produktionsnahe Dienstleistungen 1.716.568 2.872.377 8,2 13,0 Soziale Dienstleistungen 2.095.625 3.479.971 10,0 15,7 Konsumbezogene Dienstleistungen 846.477 994.397 4,0 4,5 Distributive Dienstleistungen 3.909.140 4.271.360 18,7 19,3 Staatliche Dienstleistungen 1.343.498 1.375.983 6,4 6,2

Nicht zuzuordnen 4.706 837 0,0 0,0

Gesamt 20.946.036 22.096.080 100,0 100,0

* je 30.6.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeit 1998; eigene Darstellung

Ein großer Teil der Arbeitsplatzängste im Kurbereich läßt sich auf den weitreichen-den Strukturwandel in dieser Branche zurückführen. So ist etwa in weitreichen-den neuen Bun-desländern eine hochmoderne Kur- und Rehabilitationsinfrastruktur aufgebaut wor-den, die in Konkurrenz zu den etablierten Angeboten in den alten Bundesländern auftritt und dort Personalfreisetzungen ausgelöst hat.2 Mit Beschäftigungseinbußen muß auch in großen Städten gerechnet werden, die alle einen erheblich überdurch-schnittlichen Besatz an Gesundheitsdienstleistern (pro Einwohner) aufweisen.

Die Stagnation bei der Beschäftigungsentwicklung hat sich auch bei der Arbeitslosen-quote niedergeschlagen; allerdings trifft dies vor allem auf die erzieherischen und

2 Bislang sind die meßbaren Freisetzungen in den Kur- und Rehabilitationsbereichen deutlich hin-ter den anfänglichen Befürchtungen zurückgeblieben. In Presseberichten tauchten etwa Schätzun-gen von Arbeitsplatzverlusten in der Größenordnung von 120.000 auf.

zialpflegerischen Berufsgruppen zu, in den Gesundheitsberufen im engeren Sinne sind sie nach wie vor unterdurchschnittlich. So stieg in Deutschland die Arbeitslosenzahl in den sozialpflegerischen Berufen von 95.431 (30.9.1996) auf 116.635 (30.9.1997) und in den gesundheitsbezogenen Diensten im gleichen Zeitraum von 93.367 auf 117.305.

Die Arbeitslosenquote liegt bei den Kindergärtner/innen bei ca. 15%, bei den Sozial-arbeiter/-innen bei ca. 11%, in den Gesundheitsberufen hingegen lediglich bei 6%.

Tab. 3: Personal des Gesundheitswesens in Deutschland

1995 1996 1997

Berufstätige Ärzte/Ärztinnen 273.880 279.335 282.737 und zwar: niedergelassen tätig 110.949 112.660 114.995

Männer 176.527 179.107 180.722

Frauen 97.353 100.228 102.015

Zahnärzte/-ärztinnen 60.616 61.404 62.024

dar.: Frauen 20.878 21.292 21.778

Apotheker/-innen 44.696 45.534 47.139

dar.: Frauen 27.421 28.181 29.252

Apotheken 21.753 21.912 22.058

Personal in Krankenhäusern* 1.278.202 1.269.221 1.240.116

Ärztliches Personal 113.211 115.143 115.734

Pflegepersonal 450.185 449.546 441.647

* Ohne Bundeswehrkrankenhäuser, einschl. Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen Quelle: Statistisches Bundesamt 1999, S. 428f.

Daß Gesundheits- und Sozialwesen dynamische Branchen sind, die sich darüber hin-aus in einer Umbruchphase befinden, spiegelt sich auch im Existenzgründungsge-schehen wieder. Aus einer Statistik der Deutschen Ausgleichsbank über die von ihr geförderten Existenzgründungen geht dieser Bereich eindeutig als wichtigste Grün-dungsbranche hervor.3

3 Eine nach wie vor hohe, wenngleich leicht rückläufige Bedeutung im Bereich der Existenzgrün-dungen nehmen die Gesundheits- und Sozialberufe ein, wie die Angaben des Instituts für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit zum Überbrückungsgeld nach

§ 55a AFG verdeutlichen (vgl. Wießner 1997).

Abb. 2: Verteilung der durch Unternehmensgründungen im Dienstleistungs-bereich neu geschaffenen Arbeitsplätze in Deutschland* auf Branchen (Januar bis Mai 1998)

insgesamt West

17.400

Ost 6.000 Hotels, Gaststätten

Gesundheits-wesen Sozialwesen Medien, Un-terhaltung, Sport

EDV

13% 15% 9%

18%

5% 9%

6% 4%

7%

20% 20%

4%

21%

Verkehrs-wesen

Angaben gerundet

* West: 17.400, Ost: 6.000

Quelle: Deutsche Ausgleichsbank (1998)