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KAPITEL 3 GRUNDLAGEN UND VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE UMSETZUNG DER

3.4 A NFORDERUNGEN AN DAS M ANAGEMENT

3.4.3 Q UALIFIZIERUNG UND P ERSONALENTWICKLUNG

Qualifizierung von Leitungen

Die Expertengruppe schließt sich der Forderung des Runden Tischs Pflege an (Runder Tisch Pflege 2005), einen Rahmenlehrplan zu erarbeiten, der einen vereinheitlichen Stand profes-sionellen Wissens gewährleistet.

Um Leitungskräfte für ihre vielschichtigen und komplexen Aufgaben zu qualifizieren, müssen internationale und insbesondere europäische Erkenntnisse einbezogen werden. Stationäre Pflegeeinrichtungen als reine Solitäreinrichtungen sind zunehmend im Schwinden begriffen.

Sie werden abgelöst durch multifunktionell ausgerichtete Organisationen, deren Aufgabe in der Vorhaltung und Umsetzung eines ausdifferenzierten Wohn-, Pflege- und Dienstleis-tungsangebots für hilfe- und pflegebedürftige alte Menschen als Teil eines umfassenden re-gionalen gesundheitlichen Netzwerkes besteht. Gerade in der stationären Betreuung von

Menschen mit Demenz entwickelt sich hier diese multifunktionelle Ausrichtung, allerdings oft ohne das geforderte demenzspezifische Hintergrundwissen und ohne ausreichende Steue-rungskompetenz des Managements. Das komplexe Tätigkeitsfeld, die geforderte Professio-nalisierung der Berufsgruppe Pflege und die damit verbundenen Veränderungsprozesse ist zu umfangreich für die noch übliche Qualifizierung von Heimleitungen. Es ist festzustellen, dass es derzeit keine allgemein anerkannte, verbindliche und geeignete Qualifizierungsmaß-nahme für Heimleitungen gibt. Infolgedessen mangelt es ebenfalls an einem allgemein aner-kannten Berufsbild. Die Qualifikation der Leitungskräfte ist von größter Heterogenität und Individualität geprägt. Es bleibt derzeit mehrheitlich den jeweiligen Trägern und Heimleitun-gen überlassen festzuleHeimleitun-gen, welche AnforderunHeimleitun-gen an die Qualifikation erfüllt sein sollten.

Entsprechend ist ein gemeinsamer Kenntnis- und Wissensbestand innerhalb der Berufs-gruppe der Heimleitungen kaum gegeben. Dies bezieht sich besonders auf angemessene Konzepte für den Umgang mit Menschen mit Demenz (Hoffmann Alfred et al. 2005).

Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

Die epidemiologische und demografische Zunahme der Anzahl von Personen mit Pflegebe-darf, u. a. aufgrund einer Demenz, zeigt die wachsende Brisanz ökonomischer und ethischer Aufgaben, die in der Bedarfserfüllung berücksichtigt werden müssen. Die Frage der Gerech-tigkeit in der Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen auf Menschen unterschiedlich begrün-deten Hilfebedarfs nimmt an Bedeutung zu (Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend, 2002; Buchner Florian et al. 2003; Marckmann Georg 2003). Dementsprechend muss sich die Kompetenz in der Moderation und Steuerung von Pflege- und Versorgungs-verläufen von Menschen mit Demenz entwickeln. Pflegende werden in der Altenpflege auf verschiedenen Qualifikations- und Verantwortungsniveaus – von ehrenamtlicher Laienarbeit bis hin zu spezifischer Fachexpertise (advanced nursing level) auch im Rahmen vom pflege-rischen Case Management die pflegerische Versorgung organisieren (Schwerdt Ruth 2005b). Qualifizierte Pflegende werden zunehmend Steuerungs-, Coaching- und Qualitätssi-cherungsfunktionen übernehmen müssen, um die intensive Pflege und Betreuung für Men-schen mit Demenz sicherzustellen. Zunehmend bringen sich Angehörige und freiwillig Enga-gierte in die Alltagsgestaltung ein. Um diese Personengruppen erfolgreich zu integrieren, müssen auch sie zielgerichtet im Umgang mit Menschen mit Demenz geschult und begleitet werden.

Zur Verbesserung und Effizienzsteigerung in der interprofessionellen Zusammenarbeit soll-ten Fallbesprechungen nicht nur in Krankenhäusern implementiert werden – wie vom Sach-verständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen bereits 1991 angemahnt - sondern auch in Settings der Langzeitpflege (siehe Kapitel 4, Empfehlung 1). Auch von ex-tern geleitete Fallbesprechungen und Supervision können ein wichtiges Mittel zur

Personal-entwicklung sein, ein Mittel, das bisher in der stationären Altenpflege die absolute Ausnahme darzustellen scheint (Weyerer Siegfried et al. 2006).

Unabhängig von der Basisqualifikation ist für alle an der Pflege Beteiligten eine ständige Weiterbildung von großer Bedeutung, da eine gelingende Pflege von Menschen mit Demenz nur erreicht werden kann, wenn alle Personen, die hieran beteiligt sind, auch wenn dies oft nur indirekt ist, entsprechende Kenntnisse benötigen. Einzelne Untersuchungen zeigen, dass in deutschen Altenpflegeheimen nur in etwa einem Drittel der Einrichtungen mindestens eine

"Gerontopsychiatrische Fachkraft" beschäftigt ist (Weyerer Siegfried et al. 2006). Außerdem ist nachzuweisen, dass häufig die Mitarbeiter-Bewohner-Beziehung einer Eltern-Kind-Beziehung gleicht und Bewohnerinnen und Bewohner eher entmündigt werden und passives Verhalten gefördert wird, als dass Kompetenzen gestärkt und die aktive Mitwirkung unter-stützt werden (Woodrow Philip 1998). Weiterhin ist von größter Bedeutung, dass zusätzlich zu den Schulungsprogrammen die Umsetzung dieses Wissens in praktisches Handeln si-chergestellt werden muss, der Theorie-Praxis-Transfer als eigener Prozess also ausreichend Raum erhalten muss.

Zusammenfassend lässt sich aus der Forschungsliteratur folgern, dass spezielle Schulungen für Pflegende generell einen Wissenszuwachs bewirken. Dies reicht jedoch oftmals nicht aus, um das eigene Pflegeverhalten zu verändern, denn Veränderungsmöglichkeiten hängen vor allem davon ab, ob die Vermittlung der Inhalte sowohl die Kognition, als auch die Emoti-onen und die Haltung der Pflegenden ansprechen. Das Verständnis für die Situation und das Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner und mögliche Auslöser dieses Verhaltens spie-len dabei eine herausragende Rolle. Hervorzuheben ist besonders, dass einmalige, kurze Schulungen nicht ausreichen, um nachhaltig Praxisveränderungen zu bewirken. Neben re-gelmäßigen Wiederholungen der Schulungen ist ein umfassendes Implementierungs- und Motivationsmanagement Voraussetzung für Entwicklungen in der Praxis. Dazu gehören un-ter anderem Hilfen zur Implementierung des Gelernten in den pflegerischen Alltag, Beglei-tung in akuten Situationen, Hilfe bei der Entwicklung von individuellen Lösungen, Supervisio-nen, Reflexion des eigenen Handelns und die stetige Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Neues in den Alltag einfließen zu lassen. Dabei haben die Leitungen und die Fachpersonen eine wichtige Rolle, weil sie für ein offenes und förderndes Klima in einer Ein-richtung verantwortlich sind.

Zwar wurde ein Zusammenhang von Personalqualifizierung und Verhalten bzw. Wohlbefin-den bei Menschen mit Demenz (Grässel Elmar et al. 2003) in unterschiedlichen Studien nachgewiesen, inwiefern Schulungen für Pflegende das Verhalten der Bewohnerinnen und

Bewohner selbst beeinflussen, lässt sich dennoch aus der Literatur heraus nicht eindeutig beantworten. Die vielfältigen Einflüsse auf das Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner und die fortlaufende Verschlechterung der Demenz im Krankheitsverlauf können die mögli-che Wirkung von veränderten Umgangsweisen Pflegender, die sie durch eine Schulung er-lernt haben, verdecken. Studien zeigen sowohl positive als auch negative bzw. keine Effekte derartiger Schulungen auf das herausfordernde Verhalten.

Auch die Wirkung von Schulungsprogrammen auf die Qualität der Pflege wird in der Literatur kontrovers diskutiert, unterstützt durch widersprüchliche Forschungsergebnisse. Die Effekte solcher Programme für die Entwicklung der Qualität über einen längeren Zeitraum sind dar-über hinaus noch ungenügend untersucht (Moniz-Cook Esme et al. 1998). Es gibt Hinweise, dass spezielle Schulungen (behavior management skills training program) das Wissen von Pflegehelferinnen (Certified nursing assistant) über Verhaltenprobleme verbessern kann (Burgio Louis D. et al. 2002). Die Schulungen an sich gewährleisten jedoch nicht, dass sich die Arbeitsweise der Pflegenden verändert. Dazu bedarf es einer Begleitung beim prakti-schen Einsatz des Gelernten in Form von regelmäßiger Wiederholung und Vertiefung des Wissens und durch nachhaltige Supervision/Begleitung/Feedback und Motivation (Cohen-Mansfield Jiska et al. 1997). Die Effektivität von Schulungsprogrammen hängt stark von der Aufnahmebereitschaft und Empfänglichkeit der Pflegenden ab. Außerdem ist die Etablierung eines Motivationssystems zur Sicherung der Aufrechterhaltung dieses Wissens und der Fä-higkeiten, wie z. B. Supervisionen oder TQM, erforderlich (Burgio Louis D. et al. 2001). Die Kombination von emotionaler Unterstützung, Supervision, begleitender Implementierung in-dividueller Planung und Gestaltung der Pflege zeigt positive Effekte für die Pflegenden sowie für die Qualität der pflegerischen Versorgung (Edberg Anna Karin et al. 2001).