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Psycho-sozialer Stress - Mobbing

Im Dokument Aktuell in der Diskussion (Seite 24-30)

Dr. Beate Beermann

Die Anforderungen und die Belastungsspektren am Arbeitsplatz haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten aufgrund veränderter Arbeitsorganisationsformen wie Fle-xibilisierung, Dezentralisierung, Einführung von Teamarbeit sowie einem verstärkten Einsatz neuer Technologien insbesondere auch Informations- und Kommunikations-technologie erheblich verändert. Daraus resultieren bei den Beschäftigten neue For-men der Beanspruchung und Beanspruchungsfolgen. Leistungsverdichtung, Zeit-und Termindruck, Verantwortungsdruck, Belastungen durch Informationsverarbeitung und zunehmende Notwendigkeit der Selbstorganisation stellen Anforderungen dar, die nicht per se negative Belastungen sind, die aber neue Formen der Bewältigung und Organisation erfordern.

Um diesen Herausforderungen gerecht werden zu können, benötigen die Beschäf-tigten entsprechende Unterstützung durch die Betriebe. In der Praxis fehlt diese Un-terstützung allerdings häufig, was zu Unsicherheit und Ängsten auf Seiten der Mitar-beiter führt. Nicht selten wird dann versucht, diese Unsicherheiten zu kompensieren.

Dieses geschieht dann durch unfaire Verhaltensweisen, Schuldzuweisungen, per-sönliche Angriffe, Intrigen und Schikanen, die sich bis hin zum Mobbing entwickeln können.

Der Begriff Mobbing wird in der Umgangssprache ähnlich wie der Begriff „Stress“

eher inflationär verwendet. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion finden sich unterschiedliche Definitionen.

Eine aktuelle Mobbingbeschreibung liegt durch Wollmerath/Esser (2001) vor.

„.. Mobbing ist .. ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum ge-gen Einzelne vorge-genommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beein-trächtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und dessen ungebrem-ster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Be-findlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und

Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufrieden-stellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisherigen berufli-chen Wirkbereichs endet.“

Wesentliche Bestandteile dieser Definition sind die bestimmende Feindseligkeit der Handlungen und der Zeitfaktor. Diese Eingrenzungen stellen eine Abgrenzung ge-genüber den alltäglichen Konflikten am Arbeitsplatz dar. Konflikte sind in der Regel eher vorübergehende Ereignisse. Darüber hinaus ist auch die intendierte Feindselig-keit, die auf die Person des Betroffenen zielt, nicht gegeben. In der Praxis ist eine Abgrenzung nicht immer vollständig möglich.

Die Handlungen selber beziehen sich sowohl auf das Arbeitsverhalten als auch auf die soziale Interaktion am Arbeitsplatz. Mobbinghandlungen lassen sich fünf Katego-rien zuordnen.

Es handelt sich dabei um Angriffe Ø auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen

Ø auf die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz Ø auf das soziale Ansehen

Ø auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation Ø auf die Gesundheit.

Empirische Untersuchungsergebnisse

Bislang lagen für die Bundesrepublik Deutschland keine repräsentativen Daten be-züglich Ausmaß und Verteilung von Mobbing in der Erwerbsbevölkerung vor. Um die zum Teil sehr emotional geführte Diskussion zu diesem Thema zu versachlichen, wurde im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Jahre 2000 eine repräsentative Umfrage von der Sozialforschungsstelle Dortmund durchgeführt.1

1 Meschkutat, B., Stackelbeck, M., Langenhoff, G. (2002: „Der Mobbing-Report: Eine Repräsentativ-studie für die Bundesrepublik Deutschland“, Fb der BAuA, Dortmund/Berlin

Ein zentrales Ergebnis dieser Studie zum Ausmaß von Mobbing ist, dass in der Bun-desrepublik aktuell 2,7 % der Erwerbstätigen von Mobbing betroffen sind. Wird diese zeitpunktbezogene Betrachtung auf den Zeitraum eines Jahres (2000) erweitert, summiert sich der Anteil der von Mobbing betroffenen Personen auf 5,5 %. Die Da-ten belegen des weiteren, dass 11,3 % - also mehr als jede/r neunte Erwerbstätige – im Lauf des Berufslebens bereits einmal von Mobbing betroffen gewesen ist. Festge-stellt wurde, dass es keinen Bereich gibt, der als „mobbingfreie“ Zone gelten könnte.

Das Phänomen zieht sich quer durch alle Berufsgruppen, Branchen und Betriebs-größen sowie Hierarchiestufen und Tätigkeitsniveaus. Generell kann demzufolge je-de/r betroffen werden. Es lassen sich allerdings auch Merkmale identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit, ob man zum Mobbingbetroffenen wird, nochmals moderieren.

Hierzu zählen vor allem Geschlecht und Alter der Beschäftigten: Frauen sowie jünre Mitarbeiterinnen bis zu 25 Jahjünren, vor allem Auszubildende, sind besonders ge-fährdete Gruppen. Die Betroffenheitsquote liegt bei den weiblichen Beschäftigten mit 3,5 % deutlich höher als bei den männlichen (2,0 %), d. h. das Mobbingrisiko der Frauen ist um 75 % höher als das der Männer. Beschäftigte bis zu einem Alter von 25 Jahren haben eine Betroffenheitsquote von 3,7 % gegenüber dem Durchschnitt von 2,7%.

Mobbende Personen sind sowohl Vorgesetzte als auch KollegInnen. In 38,2 % der Fälle sind Vorgesetzte die alleinigen Mobber, in 12,8 % mobben sie gemeinsam mit einem oder mehreren KollegInnen. In 20,1 % der Fälle geht Mobbing von einer Gruppe von KollegInnen aus. KollegInnen als Einzelpersonen sind in 22,3 % die Mobbingakteure. Mobbing, das ausschließlich von Beschäftigten einer nachgeord-neten Hierarchieebene ausgeht, kommt mit 2,3 % der Fälle selten vor. Ein typischer Mobber ist männlich, Vorgesetzter, zwischen 35 und 54 Jahre alt und zählt zu den langfristig Beschäftigten.

Zwei Drittel der Befragten, die von Mobbing betroffen waren, bestätigen, dass es in ihrem Betrieb auch früher schon Mobbingfälle gegeben hat. In drei von fünf Fällen gibt es zeitgleich zu den Befragten weitere Betroffene.

Was die Auswirkungen von Mobbing auf die Betroffenen betrifft, so klagen 98,7 % über negative Auswirkungen auf Arbeits- und Leistungsverhalten (z. B. Demotivation, Misstrauen, Nervosität). 43,9 % geben an, dass sie in Folge des Mobbings erkrank-ten; davon fast die Hälfe für mehr als sechs Wochen.

Für Betriebe ergeben sich aus dem Mobbinggeschehen direkte und indirekte Kosten in Form von krankheitsbedingten Ausfällen, Qualitäts- und Produktivitätsrückgängen, Produktionsstörungen, Versetzungen, Kosten für Aushilfskräfte, Kündigungen, Neu-einstellungen und Einarbeitungen. Die Studie zeigt, dass 3,1 % des Arbeitszeitvolu-mens aller Erwerbstätigen in 2000 durch Mobbing beeinträchtigt wurde.

Als Ursachen für das Entstehen und Aufrechterhalten von Mobbing am Arbeitsplatz kann in der Regel ein Geflecht, bestehend aus individuellen Motiven und Verhal-tensweisen, Ursprungskonflikten und begünstigenden Rahmenbedingungen mit je unterschiedlich starken Anteilen zur Genese des Mobbingfalls beitragen. Die Ergeb-nisse der Studie bestätigen, dass so gut wie nie davon ausgegangen werden kann, dass es eine einzelne, separierbare Ursache für Mobbing gibt. Daraus ergeben sich für die betriebliche Bearbeitung der Problematik entsprechende Schwierigkeiten.

Auf der betrieblichen Ebene lassen sich allerdings sowohl einzelne betriebliche als auch personenbezogene Faktoren analysieren, die Motiv, Hintergrund oder begün-stigender Faktor für die Entstehung von Mobbing sein können. Auf der betrieblichen Ebene sind dies Aspekte der Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, Reorganisa-tion, Führungsverhalten und Organisationskultur. Verantwortungsdiffusion und Unsi-cherheit, Termindruck, Stress und Hektik begünstigen ein Klima der Schuldzuwei-sung. Von ganz besonderer Bedeutung ist hier das Arbeitsklima.

Zu den personenbezogenen Faktoren, die für die Entstehung von Mobbing mitver-antwortlich gemacht wurden, zählen Konkurrenzverhalten und Neid (auf Kompetenz, Qualifikation und Leistungsfähigkeit). Ob eine Konkurrenzsituation sich positiv auf die Entwicklung von Mobbing auswirkt, hängt dabei im wesentlichen von der Unterneh-menskultur und der Wertschätzung der Mitarbeiter ab.

Fazit und Ausblick

Mobbing schafft zusätzliche Probleme. Es bindet Arbeitskraft, trägt zu drastischen Verschlechterungen des Betriebsklimas bei und verursacht erhebliche individuelle, betriebliche und volkswirtschaftliche Kosten. Diese Auswirkungen für die Individuen, Betriebe und die Sozialversicherungsträger machen deutlich, dass die unterschiedli-chen Akteure ein jeweils originäres Interesse an der Vermeidung von Mobbing haben müssten. Eine große Chance, Mobbing zu reduzieren, bietet die Prävention. Hier steht im Vordergrund die Reduzierung der mobbingbegünstigenden betrieblichen Faktoren, Sensibilisierung und Aufklärung über die Problematik sowie der institutio-nalisierte Umgang mit Mobbing.

Daraus ergeben sich konkret drei Ansatzbereiche:

1. Schaffung klarer arbeitsorganisatorischer Strukturen, Aufgaben und Verant-wortlichkeiten, offensive Information und beteiligungsorientierte Gestaltung von Planungs- und Entscheidungsprozessen, Transparenz in Bezug auf Entschei-dungen.

2. Sensibilisierung und Aufklärung. Hier sind sowohl Personalverantwortliche, In-teressensvertretungen und Betriebsleitung gefragt. Um das Thema Mobbing in der betrieblichen Öffentlichkeit zu verankern und zu diskutieren, müssen ent-sprechende Informationsmaterialen entwickelt und verbreitet werden. Schulun-gen für Führungskräfte und InteressensvertretunSchulun-gen vermitteln Sensibilität für das Thema und Handlungskompetenzen.

3. Entwicklung betrieblicher Regeln im Umgang mit dem Problem. Dazu zählt die Benennung eines klaren Beschwerdeweges für Betroffene. Hierzu gehören be-triebliche Ansprechpartner, die Rat im Umgang mit Mobbingfällen geben kön-nen sowie klare Verfahrenswege zur Behandlung eines Falls.

Parallel zur betrieblichen Bearbeitung des Themas ist eine Integration in die ge-samtgesellschaftliche Debatte notwendig. Das betrifft insbesondere auch die Integra-tion dieses Problembereichs in die Ausbildung betrieblicher FunkIntegra-tionsträger und Ak-teure.

Beschäftigungswirksame Arbeitszeitmodelle

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