• Keine Ergebnisse gefunden

8.2 Fallstudie: Ultraschalltomographie an Marmorsäulen

8.2.2 Prieborner Marmor

8.2.2.1 Schadens- und Gefügekartierung

Die untersuchte Säule aus Prieborner Marmor befindet sich auf der seezugewandten Seite des Marmorpalais und ist in eine Balustrade integriert. Sie trägt mit weiteren fünf Säulen einen Balkon und stellt damit ein konstruktives, d.h. tragendes Bauelement dar. Makroskopisch weist die Säule eine deutliche Schädigung auf, die sich in einer starken Rückwitterung der Oberfläche äußert und deutlich durch eine Reliefbildung der Foliationslagen (dunkel- und hellgraue Bänderung) geprägt ist. Hierbei ist eine höhere Verwitterungssensibilität für die dunklen Lagen des Gesteins festzustellen. Die makroskopischen Gefügeelemente sind in Abb. 8.6 schematisch dargestellt. Die Foliation streicht N-S und zeigt ein steiles Einfallen nach W. Weiteres wesentliches Gefügeelement sind zwei Rissscharen wobei Rissgeneration C1 steil nach E einfällt und Rissgeneration C2 ein mittleres Einfallen nach NW zeigt (vgl.

Abb. 8.6).

Gefügekundlich betrachtet wird das Risssystem C1 im Wesentlichen von offenen Rissen dominiert, wobei nicht eindeutig geklärt werden kann wie weit sich diese Öffnung ins Gesteinsinnere fortsetzt. Zweifelsfrei ist an den Rissflanken im Oberflächenbereich eine deutliche Rückwitterung zu erkennen, welche vor allem auf chemische Lösungsprozesse und ein „sandiges Abzuckern“ der Körner zurückgeführt werden kann. Im Gegensatz dazu treten bei der Rissgeneration C2 vorwiegend mineralisierte Risse auf, die aufgrund der Gesamtrückwitterung der Säulenoberfläche ein positives Relief formen (vgl. auch Makrorissschema Abb. 8.12). Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die offenen Risse C1 einen hohen Einfluss auf das mechanische Verhalten und auf die Ultraschallgeschwindigkeiten ausüben, da sie Flächen geringer Kohäsion darstellen.

Bezüglich der makroskopischen Gefügeelemente (Ausbildung der Foliation, etc.) ist das Säulenmaterial mit der Laborprobe aus Prieborner Marmor identisch. Damit kann davon ausgegangen werden, dass die untersuchten Materialien auch im Mikrobereich weitgehend vergleichbar ausgebildet sind.

Abb. 8.6: Kartierung von Gefügeelementen der untersuchten Säule aus Prieborner Marmor. a) Darstellung der kartierten Strukturen und b) schematische Darstellung der Hauptgefügeelemente und ihre Orientierung innerhalb der Säule.

8.2.2.2 Tomographische Inversion der Ultraschalldaten

Für die tomographische Auswertung wurden Ultraschalluntersuchungen an fünf Ebenen der Prieborner Säule in den Höhen 0,58 m, 2,20 m, 3,23 m, 3,63 m und 3,88 m durchgeführt. Die für die Kompressionswellen in Abb. 8.7 dargestellten rekonstruierten Tomogramme zeigen untereinander eine relativ gleichmäßige Geschwindigkeitsverteilung. Danach befindet sich dezentriert nach Osten ein Geschwindigkeitsminimum, wohingegen im westlichen Teil der Säule ein lokales Geschwindigkeitsmaximum detektiert werden kann. Die Geschwindigkeiten variieren dabei zwischen 3,0 km/s und 4,8 km/s. Die Säulenquerschnitte in den Höhen 0,58 m und 2,20 m erreichen lediglich maximal um 4.0 km/s. Eine Ausnahme bildet der Querschnitt in Höhe 3,63 m mit relativ geringen Geschwindigkeitskontrasten.

Der Niedriggeschwindigkeitsbereich könnte mit einer von GRUNERT (1988) diskutierten Kernauflockerung, bedingt durch die eventuell höhere Luftfeuchtigkeit auf der seezugewandten Seite erklärt werden. Beim Vergleich der ermittelten Gefügedaten der Säulenkartierung mit den Tomogrammen erscheint diese Erklärung nicht schlüssig. Hier wäre vielmehr eine N-S streichende Niedriggeschwindigkeitszone zu erwarten, welche durch die makroskopisch nachweisbaren offenen Risse C1 erzeugt werden.

8 Überführung der Laborerkenntnisse ans Bauwerk 121

Abb. 8.7: Tomographische Inversionen der Vp-Ultraschalldaten in den verschiedenen Ebenen der Prieborner Marmorsäule.

8.2.2.3 Labordaten vs. Felddaten

Um zu überprüfen, wie die in Marmoren häufig vorkommenden Geschwindigkeitsanisotropien das Muster der Geschwindigkeitsverteilungen in den Tomogrammen beeinflussen bzw. verändern, wurden die vor Ort Daten den Labordaten gegenübergestellt. Die vollständige Vp-Bestimmung an Kugelproben (vgl. Kap. 4.3.3.3) hat gezeigt, dass eine deutliche intrinsische Richtungsabhängigkeit der Wellengeschwindigkeiten in Marmoren durch die Textur des Gesteins erzeugt wird. Diese Anisotropie wird i.d.R.

aufgrund von Mikrorissbildung im Laufe der fortschreitenden Verwitterung verstärkt.

Die zum Vergleich herangezogene Probe aus Prieborner Marmor weist eine sehr starke Richtungsabhängigkeit der Ultraschallwellengeschwindigkeiten auf. In Abb. 8.8 ist dies für die wassergesättigte und trockene Probe dargestellt. Die Vp-Daten wurden aus Kugelmessungen gewonnen, wobei die Entnahme der Daten auf einer Schnittebene erfolgte, die eine vergleichbare Orientierung zu den Tomographieebenen vor Ort aufweist (ca. 70 ° einfallende und geographisch gleich orientierte Foliation).

Das Diagramm zeigt, dass die Vp-Geschwindigkeiten zwischen den beiden Probenzuständen stark variieren. Die wassergesättigte Probe zeigt Werte zwischen 5,3 km/s und 5,7 km/s und die trockene Probe variiert von 2,2 km/s bis 3,0 km/s. Für beide Probenzustände kann das Maximum parallel zur NS-Richtung und die minimalen Vp-Werte parallel zur EW-Richtung festgestellt werden. Die Verstärkung der Anisotropie von 5 % im wassergesättigten Zustand zu 30 % im trockenen Zustand bei gleicher Richtung zeigt, dass die Rissbildung die Richtungsabhängigkeit von Vp verstärkt hat (vgl. Kap. 4.3.3.4).

Abb. 8.8: Ultraschallgeschwindigkeitsanisotropie einer Kugelprobe des Prieborner Marmors im wassergesättigten (schwarze Linie) und im trockenen Probenzustand (graue Linie). Die jeweilige Geschwindigkeitsanisotropie ist in Prozent angegeben.

Um festzustellen ob diese ausgeprägte Vp-Anisotropie ein Tomogramm verändern kann, wurden die Kugeldaten aus der angeführten Ebene verwendet. Aus Ihnen selbst wurde ein Tomogramm erstellt. Hierzu wurden die Daten der Kugel im trockenen Probenzustand verwendet, da sie der Situation vor Ort am nächsten kommen. Die Geschwindigkeiten der Kugelprobe liegen zwar etwas niedriger als die der vor Ort gemessenen Säule. Dies kann jedoch auf i) einen abweichenden Verwitterungszustand sowie auf (ii) die Exposition am Bauwerk (konstruktives Bauelement) oder (iii) erhöhte Gesteinsfeuchte vor Ort zurückgeführt werden. Da die Strahlengänge der Kugelmessungen grundsätzlich durch den Mittelpunkt der Probe verlaufen, wurden sie für die tomographische Inversion umgerechnet. Dies erfolgte durch Abgreifen von Parallelstrahlen zu denen der Messanordnung der vor Ort Tomographie (s. Abb. 8.9a).

Grundsätzliche Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist die Annahme eines gleichbleibenden bzw. gleich geschädigten Probenkörpers. Die umgewandelten Daten wurden somit vergleichbar zu denen der Säulenquerschnittstomogramme ausgewertet. Das so ermittelte Tomogramm ist in Abb. 8.9c dargestellt und zeigt eine deutliche Anisotropie der Ultraschallgeschwindigkeitsverteilung. Die jeweiligen Maxima sind auf der N- und S-Seite, die Minima entsprechend im Westen und Osten des Diagramms lokalisiert. Im Zentrum befindet sich ein weiterer Kanal mittlerer Geschwindigkeiten. Das Muster des Tomogramms weist dabei eine ausgeprägte Übereinstimmung mit dem der Kugelmessung auf (vgl.

Abb. 8.9b mit Abb. 8.9c). Die Untersuchungen zeigen, dass die anisotrope Geschwindigkeitsverteilung auf die tomographische Auswertung einen Einfluss haben muss.

Aufgrund dieser Erkenntnis wurde die tomographische Inversion der Ultraschalldaten zusätzlich mit einer Einberechnung der Richtungsabhängigkeit ausgewertet. Dies erfolgte durch ein Anisotropieverhältnis von Vp-Ost-West (VEW) zu Vp-Nord-Süd (VNS). Dieses wurde entsprechend der bekannten Richtungsabgängigkeit in Bezug zur Orientierung der Foliation eingerechnet. Die entsprechenden Ergebnisse zunehmender Anisotropie sind in Abb. 8.10 exemplarisch für die Ebene auf 3,23 m für VEW/VNS = 0,9, = 0,8, = 0,7 und = 0,6 dargestellt.

Deutlich ist zu erkennen, dass sich mit zunehmendem Anisotropieverhältnis die

8 Überführung der Laborerkenntnisse ans Bauwerk 123

Geschwindigkeitsverteilung in den Tomogrammen ändert. Hierbei entwickelt sich das lokale Geschwindigkeitsminimum zunehmend zu einem NS-streichenden Niedriggeschwindigkeits-kanal. Das lokale Geschwindigkeitsmaximum verschwindet mit zunehmendem Anisotropieverhältnis.

Abb. 8.9: Überführung der Ultraschallgeschwindigkeitsverteilung aus Kugelmessungen des Prieborner Marmors in eine tomographische Inversion: a) Durchschallungsstrahlen, die das Zentrum der Kugel durchstoßen und in die vor Ort Strahlengeometrie überführt wurden, b) Geschwindigkeitsverteilung in einer Kugelprobe aus Prieborner Marmor (Schmidt’sches Netz, untere Halbkugel) und c) entsprechende Geschwindigkeitsverteilung in der ultraschalltomographischen Darstellung.

Das Anisotropieverhältnis von VEW/VNS = 0,6 entspricht einer Richtungsabhängigkeit von ca.

40 % und erscheint aufgrund der Erkenntnisse aus den Kugelmessungen zu hoch. Jedoch ist auch in den Tomogrammen mit einem Anisotropieverhältnis von VEW/VNS = 0,8 und = 0,7 ein deutlicher Niedriggeschwindigkeitskanal mit NS-Streichen erkennbar. Parallel zu dieser Richtung verläuft ebenfalls das Streichen der durch die Gefügekartierung ermittelten Makrorisse. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Diskontinuitäten im Gestein eine Reduktion der Geschwindigkeiten hervorrufen. Damit kann eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Gefügeparametern und Geschwindigkeitsverteilung festgestellt werden.

Im Prinzip wurden bei der oben vorgestellten Vorgehensweise die intrinsischen und mikrorissgenerierten Geschwindigkeitsanisotropien des Marmors aus den ermittelten Geschwindigkeitsverteilungen herauskorrigiert. Der Grundgedanke ist dabei, dass intrinsiche Anisotropien aber auch gleichmäßig verteilte anisotrope Schäden (in diesem Fall eine

bzw. verzerren (maskieren). Da insbesondere die lokalen Schäden wie Makrorisse oder auch unterschiedliche Randentfestigungen (beregnete / geschützte Bauteilseite) mittels Ultraschall-tomographie detektiert werden sollen, erscheint es notwendig bei deutlich anisotropen Gesteinen die Richtungsabhängigkeit von Ultraschallgeschwindigkeiten zu beachten, da es ansonsten zu Fehldiagnosen kommen kann.

Abb. 8.10: Tomographische Inversion von Ultraschallgeschwindigkeiten des Prieborner Marmors (Ebene 3,23 m). Auf Laufzeitmessungen basierende Tomogramme der vor Ort ermittelten Vp

Daten mit Einrechnung zunehmender Anisotropie bis ungefähr 40 % (VEW/VNS = 0,6). Die Geschwindigkeiten sind in km s-1 angegeben. Die Nordrichtung ist gekennzeichnet.