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Praktische Hinweise zur Betreuung von Naturwaldreservaten (Totalreservat)

Ausbau des Naturwaldreservatenetzes

Merkblatt 32 Anlage 3 Naturwaldreservate

5. Praktische Hinweise zur Betreuung von Naturwaldreservaten (Totalreservat)

5.0 Allgemeine Grundsätze

Die nun folgenden Hinweise gelten für die Totalreservatsflächen im Naturwaldreservate-Pro-gramm. Hinweise für die Behandlung der Vergleichsflächen folgen in Punkt 6.

Allgemeiner Grundsatz

Jegliche Störung des Zustandes oder der natürlichen Prozesse in Naturwaldreservaten ist kon-sequent zu vermeiden. Nur unter strenger Einhaltung dieses übergeordneten Grundsatzes können Naturwaldreservate ihre Aufgaben erfüllen.

Die nachstehenden Hinweise sollen diesen Grundsatz für die Betreuungspraxis konkreti-sieren und dazu beitragen,

- die Aufgaben und Funktionen der NWR zu sichern, - erfahrungsgemäß auftretende Störungen zu unterbinden und - mögliche Risiken, die von NWR ausgehen können, zu vermeiden.

5.1 Forsteinrichtung Inventur

Standorts-, Funktionen- und Bestandsinventur der NWR werden anläßlich der Forsteinrich-tungserneuerung des Betriebes, zu dem die Flächen gehören, in der jeweils üblichen Weise fortgeschrieben. Dabei sind vorhandene Spezialaufnahmen (Probekreis-Aufnahmen u. a.) zu nutzen.

Waldeinteilung

Die Waldortbezeichnung einschließlich Flächengliederung nach Abt., U-Abt. oder Unterflä-che und Bestand ist beizubehalten. Es ist darauf zu achten, daß bei neuerliUnterflä-cher Herleitung der Flächengrößen keine Abweichungen gegenüber der vorigen Aufnahme allein aus vermes-sungstechnischen Gründen entstehen.

Kartendarstellung

Die Naturwaldreservatseigenschaft wird auf der Forstgrundkarte und der Forstübersichts-karte mit dem Kürzel NWR für das Totalreservat (bzw. NWV für die Vergleichsfläche) gekennzeichnet.

Auf der Waldfunktionenkarte und der Flächenschutzkarte wird das Naturwaldreservat im Grünthema mit der Biotopstufe I und dem Kürzel NWR dargestellt.

5.2 Forstbetrieb, allgemein Lagekenntnis

Die im Forstbetrieb tätigen Personen müssen über Lage und Zweckbestimmung von Natur-waldreservaten genau unterrichtet sein. Dies gilt insbesondere für Waldarbeiter, aber auch für Holzrücker, Fuhrleute und Selbstwerber. Dieser Personenkreis ist allgemein zu informieren und in jedem Einzelfall örtlich einzuweisen und zu überwachen.

Hiebsmaßnahmen in benachbarten Beständen, Windwurf

Fäll- und Rückearbeiten in benachbarten Beständen sind so durchzuführen, daß das NWR nicht berührt wird. Wird ein Stamm - versehentlich oder durch Sturmeinwirkung — in das NWR hineingeworfen, so ist auf der Grenze ein Trennschnitt anzulegen. Das im NWR lie-gende Holz verbleibt an Ort und Stelle, das außerhalb lielie-gende Holz kann verwertet werden.

Fällt ein Stamm, z. B. durch Windwurf, aus dem NWR heraus, so ist sinngemäß zu verfahren.

Es ist unbedingt zu vermeiden, daß Stämme oder Stammteile in das NWR hinein oder aus ihm heraus gerückt werden.

Müssen in einem NWR ausnahmsweise Bäume gefällt werden, so sind sie grundsätzlich in das NWR hineinzuwerfen und dort liegenzulassen (s. auch Abschnitt 5.6).

Holzlagerung und Holzrücken

Durch Rücken, Lagern und Abfuhr werden Boden und Bodenvegetation beeinträchtigt. Im Bereich von NWR darf deshalb - auch an Wegen - kein Holz gerückt und gelagert werden.

Ebenso muß verhindert werden, daß Holz durch NWR hindurch gerückt wird. Auch das Ein-blasen von Rinde in ein NWR ist durch entsprechende Einweisung der Maschinenführer zu verhindern.

Bei der Anlage eines Holzpolters, das voraussichtlich mit Insektiziden behandelt werden muß, ist zu beachten, daß ein Mindestabstand zum NWR von 100 m eingehalten wird.

Selbstwerber, Leseholzsammler

Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Wirtschaftswald und Naturwald ist die Tot-holzanreicherung. Die Entnahme von Holz, insbesondere von Totholz, aus dem NWR durch Selbstwerber oder Leseholzsammler und die hiermit verbundenen Störungen werden erfah-rungsgemäß nicht erkannt oder unterbewertet. Sie müssen durch genaue Einweisung und strenge Kontrollen unterbunden werden.

Gewinnung von Saat- und Pflanzgut

Naturwaldreservate dienen auch der Erhaltung genetischer Ressourcen. Die Gewinnung von Saat- und Pflanzgut in NWR ist nicht zulässig.

Bestandesrand und Waldeinteilungslinien

Ein Rückschnitt von Bestandsrändern des NWR z.B. zur Freihaltung des Lichtraumprofils von Wegen soll möglichst schonend erfolgen. Waldeinteilungslinien, die NWR durchschnei-den, werden nicht mehr freigehalten.

Wege

Wege in den Naturwaldreservaten sollen möglichst für forstbetriebliche Zwecke nicht mehr genutzt werden. Sperrung oder Verlegung ist aus Gründen der Verkehrssicherung einer Besei-tigung der von Bäumen ausgehenden Gefahr vorzuziehen.

5.3 Waldschutz

Gefahr für umgebende Waldflächen

Einzelbaumweises bis flächiges Absterben gehört zu den natürlichen Prozessen in NWR. Ist aus einer solchen Entwicklung innerhalb eines NWR eine konkrete Gefahr für umgebende

Waldflächen zu befürchten, so ist zunächst die Hessische Forsteinrichtungsanstalt und der zu-ständige Waldbaudezernent einzuschalten, nach einer genauen Schadensprognose wird über Gegenmaßnahmen entschieden. Hierbei ist die geringstmögliche Eingriffsstärke zu wählen.

Lockstoff allen, Köderstationen

Lockstoffalien und Köderstationen können die Fauna eines NWR schon dann beeinflussen, wenn sie in seiner Nähe aufgestellt sind. Es ist darauf zu achten, daß sie in ausreichender Entfernung zum NWR betrieben werden, daß heißt:

- bei Schmetterlingsfallen Mindestentfernung 50 m, - bei Borkenkäferfallen Mindestentfernung 20 m, - bei Köderstationen Mindestentfernung 100 m.

Pflanzenschutzmittel

Pflanzenschutzmittel dürfen in NWR nicht eingesetzt werden. Ist ein Pflanzenschutzmittel-einsatz im Betrieb außerhalb des NWR nicht vermeidbar, so ist in allen Fällen (z. B. Herbizid-einsatz in der Kulturpflege, Insektizidbehandlung von Holzpoltern, Spritzung mit Flugzeugen u.a.) ein Mindestabstand von 100 m zum NWR einzuhalten.

Düngung, Kompensationskalkung, Nährstoffeinträge

Düngung von NWR ist nicht zulässig. Gleiches gilt für Kompensationskalkungen, da deren Wirkung sich nicht auf die Kompensation saurer Depositionen beschränken läßt. Aufgrund einer Reihe von Nebenwirkungen (z.B. Veränderung der Bodenvegetation, der Bodenfauna und des Bodenchemismus) müssen sie als zusätzliche erhebliche Einwirkung auf natürliche Prozesse betrachtet werden.

Die gleichen Grundsätze gelten für jede Art von Nährstoff- und Materialeinbringung (z.B. Rindenabfälle, Grasmulch, Klärschlamm).

Waldbrand

Feuer kann Wälder in der Größenordnung von NWR existenziell bedrohen und vernichten.

Deshalb sind Brände, die in einem NWR entstehen oder darauf übergreifen, i.d.R. zu be-kämpfen. Nach dem Brand wird die NWR-Fläche nicht geräumt und der natürlichen Sukzes-sion überlassen.

Nisthilfen, forstlicher Vogelschutz

In NWR verbleiben alle Höhlenbäume im Bestand. Das Anbringen von Nistkästen ist daher überflüssig. Vorhandene Nistkästen sollen wieder entfernt werden.

5.4 Jagdbetrieb Jagdausübung

Jagdbare Arten, die die Eigendynamik der NWR nicht unnatürlich beeinflussen oder sonst keiner scharfen Bejagung bedürfen, sind im NWR und im weiteren Umfeld zu schonen. Dage-gen dürfen Naturwaldreservate nicht als Ruhezonen für Schalenwildarten behandelt werden.

Die Schalenwildbestände sind vielmehr in NWR und Umgebung konsequent und konzentriert zu reduzieren.

Treibjagden mit Durchgang dichter Treiberketten sind im NWR zu unterlassen. Drück-und Stöberjagden, bei denen auch im NWR weiträumig abgestellt wird, beeinträchtigen das NWR insbesondere dann nicht, wenn sie außerhalb der Vegetationszeit stattfinden.

Jagdverpachtung

Die Jagd im NWR muß unmittelbar durch das zuständige Forstamt ausgeübt werden (Regie-jagd). NWR und deren benachbarte Flächen sind von der Jagdverpachtung auszunehmen. Die Ausgabe von Jagderlaubnisscheinen ist unzweckmäßig.

Jagdeinrichtungen

Die Anlage von Fütterungen, Salzlecken, Wildäckern und anderen Anziehungspunkten für Schalenwild muß im NWR und in der Umgebung unterbleiben. Das Freimachen von Schuß-schneisen oder das Köpfen und Aufasten von Bäumen im NWR sind nicht mit dem Grundsatz der Vermeidung von Störungen vereinbar. Das Freihalten von Pirschwegen muß auf das aller-notwendigste Maß beschränkt bleiben. Gegen das Entfernen einzelner Zweige zur Freima-chung eines Schußfeldes ist nichts einzuwenden. Kanzeln und Hochsitze sind nicht zulässig.

5.5 Erschließung und Erholung Allgemeines Betretungsverbot

Zur Vermeidung von Störungen wird für NWR ein allgemeines Betretungsverbot ausgespro-chen. Rechtsgrundlage ist § 25 Abs. 3 Nr. 4 HForstG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 5 2. DVO HForstG. Das Verbot ist in der Erklärung oder Verordnung auszusprechen.

Wege, Erholungseinrichtungen, Massenveranstaltungen

Forst-, Wander-, Reit- und andere Freizeitwege, auch Loipen oder Trampelpfade, die durch ein NWR verlaufen, sind herauszuverlegen oder einzuziehen, wo immer dies rechtlich und praktisch durchzusetzen ist. Die Unterhaltung und Benutzung bestehender Wege ist auf das Mindestmaß zu beschränken. Ausbauten sind nicht zulässig. Ist das Aufbringen von Wegebau-material zur Wegepflege unumgänglich, ist nur Material zu benutzen, das in seinem Mineral-bestand dem Ausgangsgestein des NWR entspricht. Grabenräumungen, Bankettpflegemaß-nahmen u.dgl. sollten unterbleiben.

Eingezogene Wege und unerlaubte Pfade müssen mit sperrigen Baumkronen und anderen natürlichen Hindernissen dauerhaft verbaut werden, bis der Weg zugewachsen ist.

Erholungseinrichtungen, die Besucher anziehen und zum Aufenthalt einladen, können in NWR oder deren unmittelbarer Nähe nicht geduldet werden. Dies gilt i.d.R. nicht für histo-risch gewachsene Ausflugsziele.

Es ist unbedingt zu verhindern, daß Wege, Schneisen und Erholungseinrichtungen in bestehenden NWR und in deren unmittelbarer Nähe neu angelegt werden.

Massenveranstaltungen, z. B. Volkswandertage, müssen weiträumig aus NWR und deren Umfeld herausverlegt werden.

5.6 Verkehrssicherungspflicht und Beschilderung

Zunehmende Totholzanteile, angeschobene Bäume usw. innerhalb von NWR müssen vom Waldbesucher so hingenommen werden, wie sie sich ihm darbieten. Ist für die NWR-Fläche ein allgemeines Betretungsverbot ausgesprochen, entfällt dort die Verkehrssicherungspflicht.

Um Eingriffe in das NWR vermeiden zu können, sorgt die Hessische Forsteinrichtungs-anstalt für eine Beschilderung, in der

- das allgemeine Betretungsverbot bekannt gegeben wird, - die Waldbesucher auf besondere Gefahren hingewiesen werden, - ein Haftungsausschluß bei Zuwiderhandeln ausgesprochen wird.

Im Rahmen der Verkehrssicherung durchzuführende Maßnahmen, die Anbringung von Schildern, sowie die damit verbundenen Kosten übernimmt das zuständige Forstamt.

Im Anhalt an die Empfehlungen des Erlasses III B 4 - 3023 - V 69 vom 4.8.1993 sollte der Bewuchs entlang von nicht eingezogenen Wegen, die für eine bestimmte Nutzungsart aus-geschildert sind, mindestens einmal jährlich überprüft werden. Der Beginn oder das Ende einer Vegetationsperiode ist dafür ein günstiger Zeitpunkt.

Nach besonderen Ereignissen (Sturm etc.) sollten zusätzliche Kontrollen durchgeführt werden. Das Ergebnis der Kontrollen ist in die Jahresmeldung (s. Ziff. 5.7) aufzunehmen.

Ergibt sich bei der Kontrolle eine Gefährdung durch fallendes Baummaterial, sind die Wege zu sperren und mit entsprechendem Gefährdungshinweis zu beschildern. An Wegen, die wegen ihres rechtlichen oder tatsächlichen Status nicht gesperrt werden können, sind Bäume, von denen eine Gefahr aus dem Reservat ausgeht, in das Reservat hinein zu fallen.

5.7 Überwachung und Jahresbericht

Die Stillegung von Waldflächen durch Erklärung zu Naturwaldreservaten bedeutet nicht, daß der zuständige Förster sich aus diesen Flächen zurückziehen soll. Regelmäßige Begänge zur Überwachung dienen insbesondere der Schadensabwehr und dem Beobachten von für die Naturwaldforschung wichtigen Ereignissen und Erscheinungen. Wichtige Ereignisse, die u. U. das unverzügliche Tätigwerden der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt erfordern, sind ihr sofort zu melden.

Alle Beobachtungen sollen vom Forstamt in Zusammenarbeit mit dem Revierleiter in einem Jahresbericht zusammengefaßt und zum 1. Oktober jeden Jahres an die Hessische For-steinrichtungsanstalt geschickt werden. Lokalisierbare Ereignisse wie z.B. Windwürfe, Funde seltener Pflanzen, sollen auf bei der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt erhältlichen Karten eingetragen werden.

Die Jahresberichte sind im Anhalt an den Vordruck im Anhang des Grundsatzerlasses abzufassen.

5.8 Information der Öffentlichkeit

Die interessierte Öffentlichkeit kann von den Naturwaldreservaten nicht ausgeschlossen wer-den. Sie sollte deshalb über Sinn und Aufgaben, sowie über die Störempfindlichkeit von NWR informiert werden. Durch geeignete Besucherlenkung sollen Beeinträchtigungen vermieden und gleichzeitig die wirklich Interessierten an das NWR herangeführt werden.

Es ist Aufgabe der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt mit der örtlich zuständigen Forstamts- und Revierleitung, eine koordinierte Öffentlichkeitsarbeit vor Ort abzustimmen.

6. Hinweise zur Betreuung von Vergleichsflächen und Pufferzonen