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Präventive Maßnahmen und Projekte

Bestenfalls beginnt die Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer, bevor ein konkreter Verlust zu betrauern ist. Schulpädagogi-sche Auseinandersetzungen mit dem Themenkomplex haben lange zu wenig Beachtung gefunden. In den letzten Jahren sind jedoch ein zunehmendes Interesse an präventiven Projekten zum Themenbereich sowie der gleichzeitige Wunsch nach Begleitung und Beratung in akuten Krisenfällen festzustellen. Besonders aufmerksam wurden Verantwort-liche im schulischen Bereich nach den Ereignissen von Winnenden, als auf tragische Weise klar wurde, dass der Tod auch in größerem Ausmaß nicht vor der Schule halt macht. Zudem wurde durch andere Amokläufe an Schulen, den Mord an Mirco, die Love-Parade in Duisburg oder den

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Präventive Maßnahmen und Projekte 21 Suizid des Fußballers Robert Enke einer breiten Öffentlichkeit deutli-cher, dass es erforderlich ist, den Themenbereich in die Gesellschaft zu integrieren und einer Auseinandersetzung nicht auszuweichen.

Die Schule und die Schulpädagogik haben ihre Verantwortung auf diesem Gebiet erkannt. Zahlreiche Bundesländer haben in den Lehr-plänen für alle Schulformen die Themen »Sterben, Tod und Trauer«

als festen Bestandteil in Fächern wie Religion, Deutsch, Ethik oder Philosophie aufgenommen.

Trotzdem bestehen noch immer viel zu wenig schulinterne Struk-turen, auf die das System bei Betroffenheit Einzelner oder der Schul-gemeinschaft zurückgreifen kann.

Im Rahmen meiner Arbeit konnte ich Einblick in individuelle Bedürfnisse, Ängste und die persönliche Wahrnehmung trauernder Jugendlicher auf die Reaktionen des sozialen Umfelds bekommen.

Trauernde Jugendliche haben mir viel von ihren Erfahrungen und Wünschen nach Unterstützung von Seiten der Schule erzählt (vgl. Witt-Loers, Schulprojekte).

Auf der anderen Seite zeigen mir die Diskussionen und Fragen, die mir bei Fortbildungen immer wieder begegnen, die Vielfalt an Reak-tionen, Bedürfnissen und Ängsten, die die Konfrontation mit dem Themenkomplex bei Pädagogen auslöst. Gerade deshalb würde eine präventive Beschäftigung mit Tod und Trauer entlastend in akuten Situationen wirken und den Umgang miteinander erleichtern.

Nicht immer stehen Schüler, Lehrer und Eltern einem Umgang mit dem Themenbereich offen gegenüber. Vielfach bestehen Vorbehalte, die aus der Sorge resultieren, eine Auseinandersetzung wäre eher schäd-lich als hilfreich. Zudem können persönschäd-lich erlebte Verlusterfahrungen zu einer ablehnenden Haltung beitragen. Grundsätzlich ist von einer Auseinandersetzung nicht abzuraten. Diese sollte jedoch unter verant-wortlichen, fachlich fundierten Grundvoraussetzungen stattfinden und berücksichtigen, dass es Menschen mit unverarbeiteter Trauer, kom-plizierten oder traumatischen Trauerprozessen gibt, die professionelle Unterstützung benötigen. Deshalb sind Schulungen für Pädagogen von zentraler Bedeutung.

Neben der persönlichen Angst, sich dem Themenbereich zu stellen, ist ein anderes Hauptproblem die häufig kaum zu überschauende Zahl von Schülern und Lehrern an einer Schule. Sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen bringt deshalb vielfach große Probleme mit sich. Vorbereitende Fortbildungen für Pädagogen können hier hel-fen, persönliche sowie fachliche Kompetenzen zu stärken und eine

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gemeinsame Grundhaltung zum Umgang mit dem Themenkomplex zu erarbeiten.

Themenbezogener Unterricht

Das empathische Verständnis für Menschen in schweren Lebenssituatio-nen kann durch präventive Projekte und themenbezogeLebenssituatio-nen Unterricht entwickelt und gestärkt werden. Ein Fach wie Biologie bietet beispiels-weise die Möglichkeit letzte Lebensphasen, Merkmale des Todes, Wie bewältigt der Körper Schmerzen? inhaltlich zu bearbeiten. Auch andere Fächer wie Chemie (Korrosion …), Deutsch, Musik, Religion (Bestat-tungsarten, Jenseitsvorstellungen in verschiedenen Religionen …) Erd-kunde (Erosion …), Philosophie oder Erziehungswissenschaften, Sozial-wissenschaften (Trauer in unserer Gesellschaft …) ermöglichen die Auseinandersetzung mit dem Themenbereich auf einer breiten Ebene.

Der Themenkomplex Sterben, Tod und Trauer wird noch immer aus unserem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Jugendliche suchen des-halb – so mein Eindruck – häufig nach Gelegenheiten darüber zu spre-chen. Die selbstverständliche Einbindung in den Unterricht würde dem Gesprächsbedarf entgegenkommen und zudem signalisieren, dass in akuten Situationen Gesprächsbereitschaft vonseiten der Lehrer besteht.

Ein grundsätzliches Vertrauen könnte geschaffen und die Begegnung in akuten Situationen erleichtert werden.

Präventive Schulprojekte

Ein Überblick über bestehende Projekte gebe ich in einem Artikel

»Schulprojekte zum Umgang mit Tod und Trauer« der Fachzeitschrift für Krisen und Trauer »Leidfaden« 4/12. Hier wird deutlich, dass viele qualifizierte Projekte existieren, die einen Einblick in die wichtige Arbeit der Hospizbewegung geben und Schülern den Themenkomplex generell nahe bringen (vgl. Kapitel 5.8).

Fortbildungen und Vernetzung

Mein Anliegen ist, die präventive Arbeit an Schulen dahingehend auszu-richten, Pädagogen kontinuierlich und qualifiziert fortzubilden, Schulen zu vernetzen und im Vorhinein über Unterstützungsmöglichkeiten in akuten Krisen nachzudenken, schulinterne Krisenteams aufzubauen sowie die Themen Krankheit, Leiden, Abschied, Sterben und Tod selbst-verständlich auch in den Schulalltag zu holen, weil so ein Umgang damit geübt und erlernt werden kann.

Zudem sollte dafür gesorgt werden, dass nach aktuellen

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Präventive Maßnahmen und Projekte 23 situationen langfristig auf trauernde Jugendliche geachtet wird. Denn nicht nur die ersten Wochen und Monate sind wesentlich im Trauer-prozess. Die Aufmerksamkeit sollte auch nach einem Jahr, z. B. zum ersten Todestag, noch präsent sein. Diese Aufgabe sollte das soziale und schulische Umfeld mit übernehmen.

In Fortbildungen zum Themenbereich können fachliche und per-sönliche Kompetenzen zur Thematik aufgebaut und gefördert werden.

Im Hinblick auf akute Trauersituationen in der Schule, sei es beim Tod eines Angehörigen oder auch bei Betroffenheit der Schulgemeinschaft, könnte so ein individueller Umgang und eine den besonderen Kom-petenzen und Bedürfnissen der Schule entsprechender Umgang statt-finden. Der Themenkomplex ist nicht nur ein Feld für Spezialisten.

Gerade die Menschen, die in der Schule gemeinsam leben und arbeiten, sollten einen ihnen entsprechenden Umgang mit diesen Lebensthemen finden. Deshalb sind aus meiner Sicht Fortbildungen sowie die Einbin-dung des häuslichen und sozialen Umfelds grundlegend, damit sich ein offener Umgang mit Sterben, Tod und Trauer in der Schule entwickeln und dauerhaft in das Schulleben integriert werden kann (Hinweise im Kapitel 5.8).

Schulinternes Krisenteam

Notwendiger noch als Angebote externer Schulprojekte scheinen mir, wie zuvor beschrieben, Pädagogenfortbildungen, eine persönliche Aus-einandersetzung mit dem Themenkomplex, themenbezogener Unter-richt und eine individuelle Vorbereitung der Schulen auf Situationen wie den Tod eines Angehörigen, eines Schülers oder Lehrers zu sein. Um in akuten Fällen handlungsfähig zu sein, wäre es hilfreich, wenn Schulen auf ein Krisenteam zugrückgreifen könnten. Ein auf die Kompetenzen und konkreten Bedingungen der Schule zugeschnittener Krisenplan und ein Notfallkoffer können in akuten Situationen entlasten, wobei ich ausdrücklich darauf hinweisen möchte, dass ein vorgefertigter Krisen-plan niemals alle Eventualitäten berücksichtigen kann. Immer wieder bedeutet eine aktuelle Situation auch, individuell zu handeln. Grund-sätzliche Vorüberlegungen und Hilfen wie die vorliegende Orientierung erleichtern jedoch ein strukturelles Vorgehen im Notfall.

Schulen, die sich präventiv und für die Schüler erkennbar mit dem Themenkomplex Sterben, Tod und Trauer auseinandergesetzt haben, signalisieren ihren Schülern außerdem Kompetenz und ermutigen sie dazu, sich in einer akuten Situation vertrauensvoll an ihre Lehrer zu wenden.

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