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Präsentieren / Rekonstruieren

I

Präsentationen gehören zum Kerngeschäft der Kunstgeschichte: in der For-schung als schreibende und publizierende Darlegung von Untersuchungser-gebnissen; in der Lehre als pädagogisch möglichst adäquate Darstellung die-ser Untersuchungdie-sergebnisse; in der Vermittlung, die man partiell sicherlich auch als einen Teil der Lehre begreifen kann, als unterhaltende wie bildende Ausstellung von künstlerischen Gegenständen.

Redner haben sich lange daran gewöhnt, ihren Vortrag digital visualisie-rend zu begleiten – und das ist in der Kunstgeschichte insofern besonders bedeutsam, als der illustrierende Teil des Vortrags in Form einer Präsentation der diskutierten Kunstwerke integraler Bestandteil des Vortrages ist und nicht nur erläuternde Begleitung, ohne die der Gehalt zwar weniger plausibel, aber immerhin doch zu vermitteln ist. Üblich ist die Verwendung von Pro-grammen wie PowerPoint, in das die zu verwendenden Bilder aber immer erst händisch importiert werden müssen, die dann bei Bedarf auch noch – ebenfalls händisch – mit den erläuternden Metadaten zu versehen sind.

Eine Alternative bietet Prometheus mit seinem integrierten Präsentations-programm, wobei an dieser Stelle erneut nicht die Charakteristika eines be-stimmten Programms vorzustellen sind, sondern strukturelle Eigenheiten di-gitaler Applikationen. Werke können hier einschließlich der Metadaten direkt aus der Datenbank in die Präsentation übernommen werden – zurzeit aller-dings nur Bilder, die bei Prometheus selber vorhanden sind.184 Das ist nicht nur eine erhebliche Arbeitserleichterung, die verwendete Software ermög-licht auch einen erstaunlich „natürlichen“ Umgang mit dem Material, der deutlich mehr als etwa in PowerPoint eine Verwendungsweise erlaubt, die dem Umgang mit dem Material in real life entspricht. Die Abbildungen etwa lassen sich bequem größer/kleiner stellen, je nach ästhetischem und interpre-tativem Bedürfnis, vielleicht auch mit Blick auf die Originalgröße des Wer-kes. Auf der Präsentationsfläche und zwischen den einzelnen Folien können

184 Soll sich die Funktion in der Fachwelt durchsetzen, so ist unbedingt eine Möglichkeit vorzusehen, externe Digitalisate einzubinden, oder doch zumindestens eine, die den schnellen Import von solchen Digitalisaten in Prometheus erlaubt.

sie so hin und hergeschoben werden, wie es dem Vorgang entspricht, den man einstmals auf dem Diatisch zwecks Organisation des Vortrages durchge-führt hat. Dabei wird auch ein Überblick über den Kontext der benachbarten Folien zur Steigerung argumentativer Schlüssigkeit ermöglicht.

Der ganze Ablauf ist im übrigen so intuitiv, dass er durchaus auch für an-dere Verwendungszusammenhänge adaptiert werden kann – etwa Ausstel-lungen im Internet, die eventuell auch noch von den Internet-Usern selber bewerkstelligt werden. Er entspricht einer Tendenz, die in der Computerwelt an vielen Stellen zu beobachten ist, und der bei vielen ebenfalls gemischte Gefühle erzeugt: Die steigende Rechenkraft der Computer wird in eine Natu-ralisierung ihrer Verwendungsweise umgemünzt, die die Geräte immer stär-ker zu einem Körperteil des Verwenders werden lassen. Am deutlichsten ist dies bei den vor wenigen Jahren durch die Firma Apple popularisierten Tablet-Rechnern zu beobachten, die Internet-Guru Kevin Kelly dithyram-bisch beschreibt: „Gesten sind König. Wisch mit deinen Fingern, um zu scrollen, wedele mit den Armen, wie bei der Wii (Anm. HK: Videospielkon-sole, die nicht über Tastatur oder Joystick, sondern über Bewegungen wie Armschwenken des Benutzers gesteuert wird), schüttele oder kipp die Touch-Tafel. Genieße ihre Körperlichkeit.“185 In Aussicht gestellt wird in diesem Zusammenhang gerne – und hierauf beruht natürlich der Affront – dass einer der nächsten Schritte die direkte Integration der Rechner in den menschlichen Körper mit sich bringen wird, die bislang mit Geräten wie dem Herzschrittmacher eher auf leisen Sohlen daher kam.186

Mit dem kurz geschilderten Präsentationsprogramm und dem früher schon besprochenen Hyperimage zur Bilddetailanalyse ist aus Prometheus aus einer auf die Funktion als Meta-Datenbank für Kunstwerkreproduktionen speziali-sierten Anwendung fast schon ein universeller Verwalter für alles geworden, was mit der digitalen Vermittlung von kunsthistorisch orientierten Inhalten zusammenhängt. Das entspricht der Offenheit des Digitalen auch insofern,

185 Zitiert nach Gundolf Freyermuth, der eine sehr instruktive Abhandlung über iPadologie geschrieben hat und darin u.a. den Übergang vom grafischen zum natür-lichen User Interface als Errungenschaft der Tafelrechner beschreibt: http://carta.in-fo/27917/ipadologie-ii-abschied-von-der-analogen-hardware/ (zuletzt besucht am 11.2.2013).

186 Auch mit Googles Datenbrillen ist dieser Schritt noch nicht vollständig vollzogen, obwohl die sprachgesteuerte Projektion von WWW-Seiten in das Brillenglas hinein doch einiges an sich hat, um den Kulturpessimisten ein weiteres Mal zu erhitzen:

https://plus.Google.com/+projectglass/posts (zuletzt besucht am 11.2.2013).

als digitale Projekte, so sie nur auf offen zugänglichen Software-Produkten beruhen, prinzipiell auch von dritter Seite erweiterbar sind. Entscheidend dabei ist, dass für den Nutzer frei wählbar bleibt, welche Leistungen aus der Basisanwendung er oder sie in die darüber gelegte Anwendung importieren will – also z.B., ob die Metadaten des Bildes aus der Bilddatenbank in die Präsentation mit übernommen werden.

Über das Vorhandene hinaus sind hier durchaus noch andere Funktionen denkbar, mit denen der in der Kunstgeschichte gängige Workflow zu organi-sieren wäre. Sehr gut vorstellbar wäre etwa eine Publikationskomponente, mit der in Prometheus eine Zeitschriftenfunktion zu implementieren ist, die sich für den Gegenstand ihrer Untersuchung gleich bei den Inhalten der Meta-Datenbank bedienen könnte, also den in ihr gespeicherten Kunstwerk-reproduktionen. Im Rückgriff auf die eben geäußerte Idee, das Präsentations-programm nicht nur für Vorträge, sondern auch etwa für User-generierte Ausstellungen im Internet zu nutzen, lässt sich andersherum auch vorstellen, die Komponenten in Plattformen wie Artigo einzubauen. Crowdgesourcte Daten könnten dann zum Ausgangspunkt für Ausstellungen genommen wer-den, die sicherlich nicht mehr viel mit dem zu tun hätten, was in klassischen, Experten-getriebenen Kunstmuseen zu sehen ist. Aber warum sollten sich nicht – eventuell auch noch anonyme – Nutzer im Internet dafür zur Verfü-gung stellen, eine Ausstellung um den Begriff „Kind“ herum zu gestalten, den eben diese (oder andere) User taggenderweise spielerisch für die Be-schreibung von Kunstwerken vorher erzeugt haben? Zweifellos wäre hier ein kenntnisreicher Moderator notwendig, der verhindert, dass allzu viel Blöd-sinn entsteht. Aber die gegenseitige Kontrolle und Anregung der Mitarbei-ter/innen dürfte einiges bringen und es wäre eine vielversprechende Erfah-rung zu sehen, ob eine solche Gruppe, die ja zunächst einmal aus Personen besteht, die sich untereinander nicht kennen, in der Lage ist, sich selber orga-nisierend eine gewisse Hierarchie auszubilden, welche die notwendige Prak-tikabilität der Unternehmung garantiert.187 Ein solcher Ausbau der Systeme

187 Vgl. den interessanten Bericht zu entsprechenden Projekten mit Schülern, die über ihre eigenen jüdische Identität berichten sollen: Allison Farber/Paul Radensky, Living Museum®: Supporting the Creation of Quality User-Generated Content, 2008, http://www.museumsandtheweb.com/mw2008/papers/farber/farber.html (zuletzt be-sucht am 11.2.2013). Vgl. allgemein zum Gegenstand auch schon Hubertus Kohle, Museum 2.0. Die Gedächtnisinstitution im digitalen Zeitalter. Perspektiven und Chancen, in: faust kultur, http://faustkultur.de/kategorie/kunst-/hubertus-kohle-mu-seum-20.html#.UQeNSvLldac (zuletzt besucht am 11.2.2013).

würde auch den schon erwähnten Lehren aus Barabásis Theorie der skalen-freien Netzwerke Folge leisten,188 insofern er die Sichtbarkeit einzelner Internet-Präsenzen erhöhen dürfte, die später eventuell sogar die Überlebens-fähigkeit des ganzen Faches verbessern könnte. Denn machen wir uns nichts vor: So wie das, was nicht im Internet vorhanden sein wird, tendenziell nicht mehr existieren wird, so werden auch ganze Fächer auf die Seite geschoben, die sich mit dem neuen Medium, das alle anderen in sich hineinsaugen wird, nicht arrangieren.

II

Wenn schon im digitalen Medium mit seiner Offenheit und Rekonfigurier-barkeit die Möglichkeit gegeben ist, die Organisation einer Ausstellung in die Hände der Nutzer zu legen, so bleibt das Museum erst einmal der klassische Ort, an dem solche Ausstellungen präsentiert werden. Aber auch in dieser Form bietet sich dem Museum mit dem Digitalen die Chance, eine zentrale Position in der viel diskutierten Wissensgesellschaft einzunehmen.189 Als Aufbewahrungs- und Präsentationsinstitution der kulturellen Überlieferung, sei es der wissenschaftlichen, volkskundlichen oder künstlerischen, ist es der Ort, welcher den Zugang zum „wie es eigentlich gewesen ist“ liefert und dem Betrachter das unvermitteltste Erlebnis von Geschichte ermöglicht.

Allerdings ist die Behauptung in ihrer Apodiktik natürlich zu hinterfra-gen. Das Museum zeigt die Originale, aber es isoliert diese auch aus ihrem lebendigen Kontext – eine Kritik, die der Institution von Anbeginn an ent-gegenschallte und mancherlei Vermutungen darüber anregte, dass im Mu-seum der Gläubige vor dem Altar nicht mehr niederkniet. Der Dampfhammer im Deutschen Museum ist ein imponierendes Gerät, aber seine Funktion wird in der reinen Präsentation wenig anschaulich. Das tirolische Bauernhaus im Freilichtmuseum Glentleiten ist in der dort vorhandenen Form ein behagli-ches Arbeits- und Wohnhaus. Ob diese Qualität auch im Alpenwinter der Frühen Neuzeit dominierte, sei dahingestellt. Francisco Goyas „Gerupfte

188 Vgl. oben, S. 81.

189 Vgl. einführend zum Thema: Herminia Din/Phyllis Hecht, The digital museum. A think guide, Washington 2007 und Parry (2010).

te“ aus der Neuen Pinakothek in München wirkt in der Reihung zwischen Hauptwerken Jacques Louis Davids und des französischen Rokoko wie eines von vielen Kunstwerken, die existenzielle Bedeutung aber, die es als implizi-tes Selbstporträt eines an der Welt Leidenden hatte, wird an dem Ort neutra-lisiert. Ein einfaches Beispiel wie die YouTube-Film-Demonstration eines Zylinderschreibtisches von David Roentgen mag das Gemeinte vorläufig verdeutlichen, da hier eine Funktionsweise des künstlerischen Gebrauchs-gegenstandes deutlich wird, wie es im Museum selber nie gelingen kann – aber auch in der Druckfassung des vorliegenden Buches nicht.190 Dabei geht es nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen, sondern das aura-tische Erlebnis des Originals am Ort mit der erklärenden Darstellung in der Vor- oder Nachbereitung zu kombinieren.

Es hat in der Geschichte der Museen mannigfaltige Versuche gegeben, die Isolierung des Gegenstandes aus dem gelebten Kontext heraus zu kompensie-ren. Wilhelm Bodes Period Rooms, die die Kunstwerke in den lebendigen Kontext ihrer historischen Erscheinung zurückversetzten, gehören in diese Bemühungen hinein. Und über Führungen, Kataloge, Vorträge und Seminare sind die Mängel der musealen Präsentation immer schon kompensiert wor-den. Das Digitale aber bietet die Möglichkeit, diese Vermittlung zu vitalisie-ren und den Belehrten an diesem Prozess produktiv zu beteiligen und damit einer Grundregel zu gehorchen, die der an das partizipative Netz gewöhnten jüngeren Generation entspricht. Und zwar in einer Form, die mit dem Erleb-nis des Originals gar nicht interferieren muss, da sie sich als ein autonomer Layer über die museale Präsentation legt. Das klingt ein wenig abstrakt und bedarf dringend der Konkretisierung. In jedem Fall widerspreche ich damit den inzwischen leerlaufenden ewigen Gegensätzen zwischen denjenigen einerseits, die eine vollständige Diskursivierung des Originals im Internet anstreben, andererseits ihren Kontrahenten, die im Erlebnis der Aura des Originals die einzige Legitimation für das Museum erblicken.

190 http://www.youtube.com/watch?v=bG8aDJPlSLU&feature=youtube_gdata_p^^^^

(zuletzt besucht am 11.2.2013)

III

Ein in seiner Perfektion schon fast abschreckend wirkendes Beispiel einer digital gestützten, mit universellem Anspruch auftretenden Kontextualisie-rung und HistorisieKontextualisie-rung bietet das Metropolitan Museum in New York mit seiner Heilbrunn Timeline of Art History191 (s. Abb. 32). Dabei unterbietet der Begriff Timeline das Angebot bei weitem. Zwar bildet eine Zeitleiste den Kern des Angebots: Der Nutzer wählt eine Zeitachse und bekommt ein ent-sprechendes Angebot, das von vorneherein die globale Perspektive ein-schließt, in der Europa nur noch einen Randbereich einnimmt. Beispiele aus dem Museumsbestand, die jeweils nach neuesten digitalen Verfahren präsen-tiert werden, visualisieren den gewählten chronologischen und geografischen Horizont. Begleitet wird das Ganze dann zusätzlich von anspruchsvollen Es-says, die vom Museumspersonal verfasst wurden. Aber wie gesagt, das An-gebot geht weit darüber hinaus und nutzt die prinzipiell unbegrenzten Re-kombinationsmöglichkeiten des Digitalen.

Abb. 32 Die Heilbrunn Timeline zur Kunst Zentral- und Nordasiens 1600–1800 des Metropolitan Museum of Art in New York

Der Zugriff ist grundsätzlich über eine geografische, zeitliche und thema-tisch orientierte Kategorisierung möglich, alle diese Kategorien sind natür-lich wiederum frei kombinierbar. Die thematischen Essays, von denen es an

191 https://www.metmuseum.org/toah/ (zuletzt besucht am 11.2.2013)

die tausend gibt, sind jeweils passend zu den Ergebnissen der Suchen ange-hängt.

Das Metropolitan Museum, welches dem Digitalen übrigens auch insofern sehr offen begegnet, als es in 2012 einen sehr großen Teil seiner Publikatio-nen (immerhin fast 400) frei zugänglich online gestellt hat, hat mit der Heil-brunn Timeline of Art History ein Angebot zur Verfügung gestellt, das ohne weiteres als eine professionelle Vorbereitung auf ein akademisches Kunstge-schichtsstudium durchgehen kann oder sogar Dinge einbringt, die selbst in einem solchen Studium kaum jemals berührt werden dürften. Die globale Ausrichtung dieses Angebots entspricht dem Weltkunstcharakter des Mu-seums. Institute mit weniger universellem Anspruch (und mit weniger uni-versellen Mitteln) werden kaum ein entsprechendes Angebot hinbekommen, aber es entbindet sie nicht davon, ihr Publikum auf eine zeitgemäße Weise anzusprechen und die Möglichkeiten des Digitalen zur Erweiterung, Vertie-fung und Kontextualisierung des in ihm Ausgestellten zu nutzen.

IV

Ein Museum, das in der digitalen Verarbeitung seiner reichen Bestände als vorbildlich gelten darf, ist das Brooklyn Museum, ebenfalls in New York.

Neben der Gediegenheit dessen, was in der Internet-Präsenz des Met anzu-treffen ist, brilliert es zudem mit eher experimentellen Ideen, die das Digitale auf dem Stand des Möglichen ausreizen. Dabei ist es nicht irgendein Mu-seum, das die Bescheidenheit seiner Bestände durch möglichst hippe Präsen-tation im Internet ausgleichen müsste, sondern ebenfalls ein Universalmu-seum mit herausragenden Beständen aus allen Bereichen der globalen Kunst-produktion, ein Weltkunstmuseum, wie es in den USA verbreiteter ist als in Europa. Es wurde im späten 19. Jahrhundert mit der Absicht gegründet, ein-mal zum größten Museum der Welt heranzuwachsen und ist in einem im-ponierenden Beaux-Arts-Gebäude untergebracht, das ursprünglich noch viel größer geplant war und die traditionelle Würde alles Musealen ideal verkör-pert. Solche architektonischen Würdeformeln aber haben es heute schwer und bedürfen in einem Kontext, dessen humanistische Prägung immer mehr verblasst, jeweils neuer Verlebendigung. Neben dem Metropolitan Museum in Manhattan, Luftlinie nur knapp 15 Kilometer entfernt, tut sich das

Mu-seum ein wenig schwer. Nicht nur, weil dessen Sammlung dann doch noch um einiges exquisiter ist, sondern wohl auch, weil Brooklyn nicht so sehr im Fokus des touristischen Interesses steht und im übrigen nicht über so potente Förderer wie das Met verfügt. Liegen die jährlichen Besucherzahlen im Metropolitan bei über 4 Millionen, krebst das Brooklyn Museum bei weniger als 400.000 herum und die Zahlen befinden sich seit den 1990er-Jahren auf einem zwar nicht kontinuierlichen, aber doch tendenziellen Rückzug.

Der die Geschicke des Museums seit 1996 leitende Direktor Arnold Leh-mann versucht, das Museum neu zu positionieren, und man hat den Ein-druck, dass er hier eine Strategie verfolgt, die derjenigen des Metropolitan geradezu entgegengesetzt ist. Angesichts einer Brooklyner Bevölkerung, die weniger am Bildungsbürgertum orientiert ist und vielfach aus Afro-Ame-rikanern und Hispanics besteht, aber auch, weil er grundsätzlich glaubt, dass die Institution nur überleben kann, wenn sie sich verändert, macht er ein an-deres Programm: experimentelle Ausstellungen, Street Events, ziemlich schräge Sachen eben. Und er versucht auch, seine präsumptiven Besucher anders anzusprechen, als das im immer noch als Bildungstempel daherkom-menden klassischen Museum der Fall ist. Es liegt auf der Hand, dass Lehman dafür zuweilen hart angegangen wird.192 Die durch und durch bürgerliche Institution Museum auf andere als bürgerliche Grundlagen zu stellen, bringt Ärger. Ein Teil dieser veränderten Strategie spiegelt sich auch in der WWW-Präsenz des Museums. Insbesondere die Internet-gestützte Nutzerbeteiligung dürfte vorbildlos sein.

Zunächst einmal setzt das Museum auf Transparenz und es bemüht sich um eine möglichst weitgehende Präsentation seiner umfangreichen Bestände im Internet. Es bietet an die 100.000 Objekte in digitaler Reproduktion. Das ist längst nicht alles, was das Museum besitzt, aber doch ein guter Teil.

Dabei sind die Digitalisate in mittlerer bis großer Auflösung vorhanden – noch größere, also druckfähige, werden gegen Bezahlung abgegeben. Das Handling ist vorbildlich und durchschaubar. Ein Download in unterschiedli-chen Versionen wird vorgeschlagen, darunter sogar ein HTML-Code, mit dem man die Reproduktion adäquat annotiert in eine Web-Seite einbinden kann. Bildinformationen werden angegeben, darunter auch die Tatsache, ob

192 Vgl. etwa http://reocities.com/CollegePark/library/4694/strange5.html (zuletzt be-sucht am 11.2.2013). Originellerweise wehrt Lehman sich gegen den Populismus-Verdacht der New York Times per YouTube-Film, 2010, http://www.youtube.com/

watch?v=rRv9GmYg0og (zuletzt besucht am 11.2.2013).

sich das Werk in der Ausstellung befindet. Darüber hinaus lässt sich das Bild digital kommentieren, weiterleiten, in Listen einbinden etc. pp. Transparenz-Schaffung dürfte man auch in solchen scheinbaren Nebensächlichkeiten er-kennen können, die auf den Vollständigkeitsgrad der angegebenen Informa-tionen verweisen und auf die Tatsache, dass die InformaInforma-tionen permanent ergänzt und erweitert werden. Auf diesen Punkt komme ich nachher im Zu-sammenhang mit allgemeinen Überlegungen zu denkbaren musealen Inter-net-Strategien noch einmal zurück. Dabei fällt hier wie an vielen anderen Stellen auf, dass immer wieder der Nutzer und die Nutzerin eingebunden werden: “Records are frequently reviewed and revised, and we welcome any additional information you might have.” Die „additonal information“ kann über einen link auf „we welcome“ direkt an das Büro des Chief Curators ge-sandt werden. Es ist nicht nötig, sich durch eine versteckte (oder überhaupt nicht vorhandene) Mitarbeiterliste durchzuhangeln – um es dann im Zweifel lieber ganz sein zu lassen.

Die breite Präsentation der eigenen Bestände im Netz ist für die Wissen-schaft interessant, kann aber auch als ein heute unverzichtbares Medium der Besucherbindung gelten. Wer etwas zeigen will, muss zeigen, was er zu zei-gen hat. Und das schon für den Moment, in dem die Entscheidung, das jewei-lige Museum aufzusuchen, erst zu treffen ist. Die digitale Reproduktion ist keine Gefahr, weil sie nicht etwa vom Besuch abhält, sondern diesen erst befördert. Sie kann gerade in den Fällen Interesse wecken, wo dieses nicht schon im Ereignischarakter etwa einer Ausstellung begründet liegt und damit eine nachhaltige Bindungswirkung gerade gegenüber der lokalen und regio-nalen Bevölkerung entwickeln. Denn wenn man sich die Besucherstatistiken der Museen anschaut, dann stellt man schnell fest, dass deren glücklicher-weise immer noch steigenden Zahlen sich schwerpunktmäßig auf eben solche Ausstellungen beziehen und dass vor allem die Bestände von nicht in touris-tischen Zentren liegenden Instituten von Besuchern häufig weitgehend ver-schont bleiben.193

Als Transparenz hat aber auch zu gelten, dass das Museum eine denkbar offene Informationspolitik betreibt. Man kann ihm auf Twitter folgen, findet eine umfangreiche Präsenz auf dem Bildportal Flickr, kann Filme rund um

193 Vgl. die Materialien aus dem Institut für Museumsforschung, Heft 66: Statistische

193 Vgl. die Materialien aus dem Institut für Museumsforschung, Heft 66: Statistische