• Keine Ergebnisse gefunden

Potentiale und Grenzen modularer Produktfamilien

Durch eine modulare Strukturierung von Produktfamilien können Potentiale in allen Phasen des Produktlebens erschlossen werden (Bild 2.6). Die Potentiale, aber auch die Grenzen modularer Produktfamilien, werden im Folgenden erläutert.

Bild 2.6: Einordnung der Potentiale modularer Produkte in die Produktlebensphasen Beschaffung

Reduzierung der Komplexität

hohe Robustheit der Produktstruktur gegen-über Änderungen

Wiederverwendung von Modulen

Eindeutige Zuordnung von Organisations-einheiten

geringer Koordinations-, Kommunikations- und Dokumentations-aufwand

Parallelisierung der Entwicklung

Zuordnung von Modulen zu

In der Produktentwicklung können Potentiale modularer Produktfamilien insbesondere aufgrund der technisch-funktionalen Entkopplung erschlossen werden. So kann durch die Abgeschlossenheit der Module eine Reduzierung der Komplexität der Entwick-lungsaufgabe erreicht werden. Die Komplexität von Produkten bestimmt sich durch die Anzahl ihrer Komponenten sowie der Beziehungen und Wirkflächen zwischen den Komponenten (vgl. [Mer06]). Durch die Entkopplung von Modulen kann die Anzahl der Beziehungen verringert werden, die im Rahmen der Entwicklung berücksichtigt werden müssen.

Darüber hinaus wird durch die technisch-funktionale Entkopplung eine hohe Robust-heit des Produkts gegenüber konstruktiven Änderungen erreicht. Änderungen bleiben aufgrund der Entkopplung der einzelnen Module weitgehend auf die entsprechenden Module beschränkt und beeinflussen das Gesamtprodukt nur in geringem Maße [Göp98]. Dieser Effekt kann bei modularen Produkten in vielfältiger Form genutzt werden. Module können beispielsweise im Lauf des Produktlebenszyklus weiterentwi-ckelt werden, um technische Neuerungen in das Produkt einfließen zu lassen. Neben Produktpflegemaßnahmen ermöglicht die Abgeschlossenheit der Module auch eine schnelle Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen. Dies können neue Technologien sein, aber auch neue oder geänderte Normen oder Gesetze.

Bei der Weiterentwicklung von Produkten ermöglicht die Abgeschlossenheit der Modu-le eine Wiederverwendung einzelner ModuModu-le des Vorgängerprodukts. Damit kann nicht nur der Aufwand für die Weiterentwicklung deutlich gesenkt werden, sondern auch die Dauer.

Die Abgeschlossenheit der Module wirkt sich aber auch positiv auf die Strukturierung des Entwicklungsprozesses aus. Bei einer entsprechend aufgebauten Organisations-struktur können Entwicklungsaufgaben eindeutig Organisationseinheiten zugeordnet werden. Dies verringert den erforderlichen Koordinations-, Kommunikations- und Dokumentationsaufwand [Kop04] und erlaubt die parallele Bearbeitung von Entwick-lungsaufgaben. Durch die Parallelisierung von Entwicklungsaufgaben wird nicht nur eine Verkürzung der Entwicklungszeiten ermöglicht, sondern erlaubt bei klar definier-ten Schnittstellen auch die Einbindung von externen Entwicklungspartnern [Bal98].

In der Beschaffung ermöglicht eine modulare Strukturierung von Produkten den Zukauf von Modulen, die vom Zulieferer bereits vormontiert und geprüft sind. Wie bereits aufgezeigt, können darüber hinaus auch Entwicklungsleistungen ausgelagert werden.

Insbesondere bei komplexen Produkten ist ein Zukauf von Modulen erforderlich, um nicht das Netz der Zulieferer bis hin zum Komponentenhersteller als Ganzes verwalten zu müssen [Bal93].

Wie bereits in der Entwicklung können auch in der Herstellung Potentiale durch die Wiederverwendung von Modulen erschlossen werden. Durch höhere Stückzahlen können Skaleneffekte genutzt werden und durch die Verwendung von Baugruppen, die bereits eine hohe Reife erreicht haben, kann die Fehlerrate verringert werden [Göp98].

Zusätzlich ist die Möglichkeit einer hierarchischen Strukturierung der Produktionspro-zesse von besonderer Bedeutung für die Herstellung. Bei einer parallelen Vormontage von Modulen verkürzt dies die Durchlaufzeiten deutlich. Zugleich können Qualitäts- und Funktionsprüfungen an den vormontierten Modulen separat durchgeführt werden.

Fehlerhafte Module können somit frühzeitig erkannt werden.

Im Vertrieb ist die einfache Erstellung von Produktvarianten mit Hilfe von varianten Modulen ein bedeutender Vorteil [Ulr04]. Bei einer eindeutigen Zuordnung der Unter-scheidungsmerkmale einer Produktfamilie zu ihren varianten Modulen wird die Konfi-guration von Produktvarianten ermöglicht. Eine hohe Produktvielfalt kann somit bei begrenzten Auswirkungen auf den Entwicklungs- und Herstellungsprozess realisiert werden [Rat93]. Darüber hinaus erlaubt die Konfiguration von Produktvarianten auch die Umsetzung von kurzen Lieferzeiten.

Durch die Verwendung von standardisierten Modulen in der gesamten Produktfamilie können auch bei variantenreichen Produkten Skalen- und Lernkurveneffekte erschlos-sen werden. Zusätzlich kann es durch eine unternehmensübergreifende Standardisie-rung ermöglicht werden, auf bereits am Markt verfügbare Module zurückzugreifen [Göp98].

In der Nutzungsphase kann die Austauschbarkeit von Modulen einen Vorteil für den Kunden darstellen [Ulr95]. Dabei kann es sich um die Aufwertung eines Produkts durch hochwertigere Ersatzmodule handeln oder um die Anpassung des Produkts an die jeweiligen Einsatz- und Umgebungsbedingungen. Der Austausch von Modulen kann aber auch bei der Wartung oder Reparatur von Produkten vorteilhaft sein. Wartungstä-tigkeiten können durch das Zusammenfassen von Verschleißteilen oder Verbrauchsma-terialien vereinfacht werden. Reparaturen können durch den Austausch von defekten Modulen durchgeführt werden. Schäden müssen somit nur bis auf Modulebene lokali-siert werden und gegebenenfalls wird eine Reparatur vor Ort und unter ungünstigen Bedingungen möglich.

Das Recycling und die Entsorgung des Altprodukts werden durch eine Zuordnung von Modulen zu Recyclinggruppen unterstützt [Kra94]. Somit wird durch eine modulare Produktstruktur eine wirtschaftliche Verwertung ermöglicht. Auch eine Wiederver-wendung einzelner Module ist dabei möglich.

Neben den vielfältigen Potentialen, die durch eine modulare Produktstruktur erschlos-sen werden können, müserschlos-sen jedoch auch die Grenzen berücksichtigt werden.

Grundle-gend ist hierbei, dass die modulare Struktur eines Produkts die Optimierung der Ge-samtfunktion behindern kann [Kop04]. Zwar können die Funktionen der Einzelmodule optimiert werden, sie sind aber bei einer übergreifenden Verwendung in einer Produkt-familie vielfach überdimensioniert oder zumindest nicht optimal auf das jeweilige Endprodukt angepasst.

Des Weiteren erfordern modular strukturierte Produkte im Gegensatz zu integral struk-turierten Produkten die Bereitstellung von Schnittstellen. Diese bringen allerdings ein Mehrgewicht des Produkts mit sich, erfordern zusätzlichen Bauraum und stellen einen Kostenfaktor dar. Produkte, die hinsichtlich Gewicht und Bauraum hohen Anforderun-gen unterlieAnforderun-gen, werden daher zu einem höheren Grad integral strukturiert. Dies gilt ebenfalls für einfache Produkte, die mit einer geringen Varianz in hohen Stückzahlen gefertigt werden. Hierbei sind die Kosten der Schnittstellen ausschlaggebend.

Der angestrebte hohe Anteil standardisierter Module bietet zwar grundlegende Vortei-le, muss aber auch kritisch hinterfragt werden. Eine Gefahr, die ein hoher Standardisie-rungsgrad mit sich bringt, ist eine mangelnde Produktdifferenzierung aus Sicht des Kunden. Für die Produktstrukturierung muss daher ermittelt werden, bis zu welchem Grad die interne Komplexität durch die Standardisierung von Modulen reduziert wer-den kann, ohne die externe Vielfalt zu begrenzen. Ein weiteres Risiko ergibt sich bei einer unternehmensübergreifenden Standardisierung von Modulen. In diesem Fall wird Konkurrenten die Substitution von Modulen erheblich erleichtert [Göp98].

Zusammenfassend ergibt sich aus der Betrachtung der Potentiale und Grenzen von modularen Produktfamilien, dass eine Entscheidung zugunsten einer eher integralen oder eher modularen Produktstruktur nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Pro-dukts und der unternehmensspezifischen Strategie getroffen werden kann.