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III. TEIL: URSPRUNG, ZEITLICHER ENTWICKLUNGSVERLAUF UND

4. DISKUSSION

4.1. Postmortale Angiographie

Als letzte der drei oben genannten Verfahren zur Darstellung von Gefäßen entwickelte sich die postmortale Angiographie, kurz nachdem Röntgenstrahlen praktisch angewandt werden konnten.

Auch bei dieser Methode kamen vor allem während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Injektionsmethoden und Kontrastmittel zum Einsatz, aber nur wenige werden heute noch angewandt. Bariumsulphat-Gelatine als KM gehört dazu, das vor allem nach Schlesingers Arbeit 85 oft für Angiographien eingesetzt wurde. Die moderne Arteriogeneseforschung begann mit Fulton 33, 34, der mit seinen Bismuth-Oxychlorid-Angiogrammen wichtige Erkenntnisse zur Kollateralentwicklung machte 79.

Die postmortale Angiographie ist eine komplexe Methode mit vielen Einflussfaktoren, die beachtet werden müssen, um aussagekräftige Angiogramme zu erzielen. Eine Herausforderung bei der Untersuchung von Kollateralen besteht vor allem darin, ausschließlich den präkapillären arteriellen Schenkel der Koronargefäße zu perfundieren. In den meisten Studien wurde zur KM-Perfusion, wie in der vorliegenden Studie, die Perfusionstechnik nach Schlesinger angewandt, umstritten war aber der Perfusionszeitpunkt vor bzw. nach dem Lösen des Rigor mortis, die Notwendigkeit einer Vorperfusion, die Perfusionsmethode, die Höhe des Perfusionsdrucks und die Dauer sowie die Reihenfolge der Koronarperfusion. Diese Einflussfaktoren sollen nun im Einzelnen diskutiert werden.

4.1.1. Rigor mortis

Während in vielen Studien das Lösen des Rigor mortis abgewartet wurde 7, 40, 78, stellten andere Autoren fest, dass bei einer Perfusion nach mehr als 24 Stunden post mortem vermehrt Extravasate auftraten 38. In der vorliegenden Studie konnten wir keinen Qualitätsunterschied zwischen den Angiogrammen feststellen, die vor bzw. nach dem Lösen des Rigor mortis angefertigt wurden. Aus praktischen Gründen lagen aber oft 12-24 Stunden zwischen Herzentnahme und KM-Perfusion. Außerdem lassen sich die Herzen, wenn sie nach der Methode von Reiner und Rodriguez 70 aufgeschnitten werden, nur schlecht ausbreiten, wenn noch eine Todesstarre besteht 89.

68 4.1.2. Vorperfusion

Durch eine Perfusion mit 0.9%-iger NaCl-Lösung vor der eigentlichen KM-Perfusion werden Blutgerinnsel und Luftblasen aus den Gefäßen entfernt. Man beugt so einer inkompletten Füllung vor 38. Andere Autoren berichten jedoch auch über gute Ergebnisse ohne diese Vorperfusion 89. In der vorliegender Arbeit hat sich die Vorperfusion vor allem deshalb bewährt, weil dadurch Blutreste aus den Gefäßen gespült wurden und Artefakte durch eingeschlossene Luftblasen vermieden werden konnten.

4.1.3. Perfusionstechnik

Im Laufe der Zeit wurden viele Methoden und Techniken angewandt, um einen gleichmäßigen Druck aufzubauen: Perfusionen nur mit einer Handspritze 89, mit Hilfe von Schwerkraft, mit Injektionsautomaten oder Rollerpumpen 38. Der Versuchsaufbau in dieser Studie war an dem von Schlesinger 85 orientiert. Das geschlossene System des Versuchsaufbaus 1 zeigte, dass der Druck im System schnell anstieg, nachdem wenig KM in die Koronararterien perfundiert wurde, sich das Kontrastmittel in den Gefäßen aufstaute und dadurch der Perfusionswiderstand anstieg. Es verdeutlichte die Notwendigkeit eines Ventils, durch das Druck aus dem System entweichen konnte, wenn dieser zu stark stieg. Der Versuchsaufbau 2 löste dieses Problem, war aber zu ungenau in der Druckeinstellung. Beim Versuchsaufbau 3 ließ sich der Druck ohne Schwankungen gut einstellen. Ein weiterer Vorteil des Versuchsaufbaus 3 waren die Drei-Wege-Hähne, die direkt vor den Knopfkanülen angebracht waren. Damit konnten einerseits die zuführenden Schläuche vor der Vor- und KM-Perfusion entlüftet werden, andererseits konnte nach der KM-Perfusion ein Zurückfließen des KM vor dem Erstarren des KMs verhindert werden. Sukzessive konnte so die Perfusionstechnik verbessert werden, so dass die letzten Herzen der Etablierungsphase des Bariumsulphat-KMs 3 und die Versuchstierherzen des II. und III. Teils der Studie ohne Artefakte durch Luftblasen waren.

4.1.4. Reihenfolge der Koronarperfusion

Die Reihenfolge der KM-Perfusion der Koronararterien (d.h. eine Perfusion der Koronararterien gleichzeitig vs. sequenziell) ist vor allem bei der Darstellung von Kollateralen wichtig. Da z.B.

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interkoronare Kollateralen zwei unterschiedliche Stromgebiete miteinander verbinden, werden diese vor allem dann perfundiert, wenn wie bei einer sequenziellen Perfusion ein Druckgradient zwischen den Stromgebieten besteht 7, 101. Diese Technik wurde als erstes von Fulton etabliert 33. In der vorliegenden Studie konnte bestätigt werden, dass eine sequenzielle, gefolgt von einer gleichzeitigen Perfusion der Koronararterien, ein gutes Ergebnis liefert.

4.1.5. Perfusionsdruck, Perfusionslänge und Kontrastmittel

Die Höhe des Perfusionsdrucks und die Dauer der Perfusion ist grundsätzlich abhängig vom KM selbst, von der Viskosität des KMs und vom Gewebe. Direkte Vergleiche sind daher zwischen den Studien nur bedingt aussagekräftig.

Das 1. Bariumsulphat-KM nach Barmeyer zeigte in unserer Studie eine schlechte Füllung des Gefäßsystems und blieb hinter den Ergebnissen von Barmeyer 7 zurück. Der Unterschied in den Ergebnissen lässt sich bei sonst gleichen Voraussetzungen am ehesten auf die längere Perfusionszeit von 4 min (gleichzeitige und anschließend sequenzielle Perfusion der Koronararterien bei 200 mmHg) bei Barmeyer zurückführen.

Mit dem 2. Bariumsulphat-KM wurden insgesamt bessere Angiogramme als mit dem 1. KM angefertigt. Es zeigte sich auch, dass sich sowohl ein höherer Druck von 200 mmHg als auch eine längere Perfusionszeit positiv auf das Ergebnis auswirken.

Trotz der guten Ergebnisse mit dem 2. Bariumsulphat-KM wurde das 3. Bariumsulphat KM weiter untersucht, da schon die ersten Versuche zur Etablierung des Versuchsaufbaus 1 eine gute Füllung aufwiesen. Auf die Ergebnisse der ersten beiden KM aufbauend zeigte sich, dass sowohl der Druck wie auch die Perfusionszeit noch weiter erhöht werden können, um ein noch besseres Füllungsergebnis zu erzielen. Durch eine sequenzielle KM-Perfusion mit 240 mmHg über 5 min und eine anschließende 1-minütige Perfusion aller Koronararterien gleichzeitig konnten wir ein optimales Füllungsergebnis erzielen.

Obwohl der verwendete Perfusionsdruck höher als bei allen anderen bisherigen vergleichbaren Studien war 7, 33, 78

, wurden keine Extravasate oder Gefäßzerstörungen nachgewiesen. Eine Perfusion mit einem Druck, wie er auch physiologisch im Gefäßsystem herrscht, hat keinen

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Vorteil, da sich post mortem alle Einflussfaktoren auf den Blutdruck im Gefäßsystem verändern:

Venendruck, Gewebsturgor und Muskelspannung fehlen. Eine Perfusion post mortem folgt also nur physikalischen, nicht hämodynamischen Gesetzen. Dies führt zu einer Gefäßweitung, so dass post mortem gemessene Parameter nicht mit intravitalen Werten übereinstimmen, eine Vergleichbarkeit dadurch nur zwischen Tieren besteht, die mit derselben Methode perfundiert wurden 89.

Das Bismuth-KM entsprach dem KM, das auch Fulton benutzt hatte 33, es konnten aber unter gleichen Voraussetzungen keine ähnlichen Ergebnisse erzielt werden 33, 84. Versuche mit demselben Perfusionsdruck von 150 bis 200 mmHg mussten abgebrochen werden, da das KM die Koronarvenen mit perfundierte. Dabei konnte eine paradoxe Gefäßfüllung beobachtet werden: kleinste Gefäße wurden perfundiert, aber da das KM auch venöse Gefäße anfüllte und sich nicht präkapillar aufstaute, wurden vor allem größere Gefäße 2. und 3. Ordnung nicht perfundiert.

Ein weiterer Nachteil des Bismuths ist, dass es zwar eine höhere Röntgendichte als Bariumsulphat-KM aufweist, aber auch eine nachfolgende Histologie negativ beeinflusst 78. Es wurde daher darauf verzichtet, weitere Versuche mit diesem KM zu unternehmen.