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positiv als Aufforderung zur Besinnung, zur Einkehr hören und verarbeiten können, so mag Melancholie, ja Schwermut oder gar Depression Einzug

Im Dokument Medizinisch-Pädagogische (Seite 33-36)

halten.

In der naturverbundenen Arbeitswelt gibt es jetzt hauptsächlich Tätigkeiten des Yer-Arbeitens. Die Früchte sind eingebracht, sie müssen nun haltbar, als

Vorrat versorgt werden. So wird gekeltert und eingekellert; Mais, Kräuter,

vielerlei Obst zum Trocknen aufgehängt. Auch das Feuerholz muss für den

Winter gerichtet und aufgeschichtet werden. Ganz wichtig ist das Schlachten,

wobei zwei verschiedene Elemente helfen: Die Luft mit dem Feuerrauch und

das Salz, das erdige. Denn das Fleisch, die Wurst werden geräuchert oder eingepökelt haltbar gemacht. Damit die Arbeit im Winter weitergehen kann,

müssen Wolle und Flachs so vorbereitet werden, dass die Spinnräder fleißig

surren können. Viele Tiere legen, ebenso wie der Mensch, Vorräte für den

Winter an. Und einige wie Bär, Murmeltier und andere Höhlenbewohner

ziehen sich nun in ihr Winterschlafquartier zurück und dämpfen ihr eigenes Leben in Atem, Puls und Wärme so ab, dass sie monatelang nur schlafen

können. Den Bienen hilft der Mensch. Er hat ihnen im Sommer ihren fleißig

gesammelten Honig weggenommen. Nun versorgt er sie in ihrem Stock dafür für den Winter. Draußen in Garten und Feld wird beschnitten was im Som mer üppig wuchs: Bäume, Reben und Ranken. Der Mensch muss mit Hand anlegen, um die sommerlichen Naturkräfte zurückzudrängen, zu stutzen, damit sich im Absterben und Konzentrieren Neues vorbereiten kann.

Das Zurückweichen der äußeren Kräfte will auch im Menschen Neues auf

geheimnisvolle Weise entstehen lassen. Er braucht dazu aber eigene Aktivi

tät, wenn er sich nicht der grübelnden, bedrückenden Dämmerstimmung überlassen will. Es ist noch ein Weg bis zur Adventszeit zu gehen, der gar zu

leicht zum resignativen Abwarten und nicht zum wirklichen Gehen verleitet.

Der Gang durch das Jahr bietet den Menschen seit langer Zeit Hilfen an durch die Gedenktage von Allerheiligen am 1. 11., Allerseelen am 2. 11. und dem Totensonntag am letzten Sonntag vor dem ersten Advent. Der Volks trauertag wurde als Zwischenstation später hinzugefügt. Alle diese besonde ren Tage wollen die Verbindung zur „anderen" Welt, zur Geisteswelt stär ken. Es ist die Welt der Verstorbenen, die uns in dieser Zeit besonders nahe

sind. Das Nahesein von lieben Menschen, die schon „drüben" sind, hat je

doch zwei Komponenten. Gerne wenden wir uns ihrem beendeten Erdenle ben zu, pflegen Erinnerungen an den Toten, pflegen sein Grab und suchen

die Persönlichkeit, die wir in der gemeinsam verbrachten Zeit gekannt haben.

Wehmut, Trauer, unterstützt durch die Novemberstimmung, kann uns „Zu

rückgebliebenen" ganz beherrschen, wenn wir nicht die Welt, in der der Ver storbene nun lebt, real und nah als eine helle um uns wissen, in der sich auch Entwicklung vollzieht. Die November-Gedenktage wollen die Gewissheit

stärken, dass Neues, Stärkendes hereinwirken kann in das tägliche Leben,

dass der Blick nicht nur rückwärts schweifen soll, sondern den Nebel drau

ßen sein lässt und sich innerlich vorwärts richtet.

So wirkt außen in der Natur der Tod. Das Leben verdorrt, verdämmert, wird

farblos und nackt. Es zwingt den Menschen dazu, sich zu bescheiden, das

äußere Leben einzuschränken. Im Mittelalter, als die Menschen noch abhän

giger von der Natur waren, als sich die menschlichen Arbeiten ganz nach der

Natur richten mussten, wurde die Notwendigkeit zur Bescheidenheit gerade

in der Novemberzeit stark erlebt. So entwickelten sich die Monatstugenden,

gepflegt in vielfaltiger Ausgestaltung in Zusammenhang mit der

Stemen-weisheit. Zum Beispiel erfahren wir durch die Farzival-Dichtung des Wolf

ram von Eschenbach, dass diese zwölf Tugenden zur Gralsweisheit gehörten

und einem geheimnisvollen Hund auf seine lange Leine, sein Brackenseil,

geschrieben wurden. So konnte diese Weisheit weitergetragen werden, Men schen konnten sie lesen. Bescheidenheit heißt die Tugend des November. Sie ist nicht nur die äußerlich aufgezwungene Haltung, sondern soll aktiv zur eigenen Tugend erhoben werden. Das fordert Geduld. Und es ist

nahelie-gend, dass auch die Geduld eine Monatstugend der Skorpionszeit ist. Sie kann zur Einsicht führen, zum Einsehen von Notwendigkeiten, wie sie der

November mit Tod und Dunkelheit vor uns hinstellt.

Als einziger Monat hat der November zwei Tiere, die ihn beherrschen. Man könnte auch sagen: Die Menschen haben das Himmelsbild in verschiedener Weise gesehen und gedeutet, - Skorpion und Adler.

Sind sich die beiden Tiere ähnlich oder stellen sie Gegensätze dar? Merk würdigerweise kann man beides finden. Gemeinsam ist Adler und Skorpion die trockene, fast verhärtete Körperstruktur; einmal im harten Schnabel, scharfen Klauen und dem Gefieder, das so gut wie abgestorbene Materie ist, zu sehen, zum anderen im harten, dunklen Panzer. Der Adlerhorst im Felsen, die Skorpionhöhle in der Erde sind harte, wenig anheimelnde Umgebung.

Beide emähren sich sozusagen aus zweiter Hand, sind Fleischfresser; beide müssen töten. Der eine tut dies mit Schnabel und Klauen, der andere durch seinen Giftstachel. Doch weit auseinander liegen ihre Lebensbereiche. Der Adler, König der Lüfte, lebt im weiten Raum, überschaut ein weites Revier.

Und das, was ihn dem Menschen so überlegen macht, ist sein Scharfblick, sein Unterscheidungsvermögen, seine Weitsicht. Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet, nötigt uns der Adler höchste Bewunderung ab. Dazu kommt seine Reichweite im Flug, seine Beherrschung der Luftverhältnisse. Einen Adler im Flug beobachten zu können, wünscht sich wohl jeder Mensch. Die von ihm dargelebten hohen Fähigkeiten will der Mensch verinnerlichen:

Geistigen Scharfblick, Weitsicht, Überschau, Reichweite sind im Menschen

geistig veranlagt und können innerlicht weiter ausgebildet werden. Doch sehr nahe beim Verstandesdenken lauert die Gefahr, dass sich der kalte Intellekt geltend macht, der keine Moral mehr kennt. Er kann sich als innerer Giftsta chel erweisen, der für den Menschen selbst und auch für seine Umgebung

zerstörend wirkt.

Geistiger, gedanklicher Höhenflug einerseits und unpersönlich kalkulieren der Verstand andererseits sind in jedem Menschen im Widerstreit. Wie oft fragen wir: Kann ich meine idealen Gedanken verwirklichen? Oder umge kehrt: Was helfen mir alle vernünftigen Erwägungen, alle logischen Argu mente, wenn ich keine Ideale dahinter sehe? Das ruft der November uns zu:

Verwebe beide Gedankenkräfte! Wie der Adler in der Luft zu Hause ist, der

Skorpion in der Erde, so leben im Menschen beide Lebensweisen, beide Möglichkeiten kann er ergreifen in sich selbst, damit nicht Zweifel, Zwie spalt aufkommen!

Der Adler wird als Tierkreisbild mit dem Skorpion zusammen wenig ge nannt. Doch kennen wir ihn aus einem Zusammenhang, der zum Tierkreis gehört, aber sehr häufig getrennt von ihm abgebildet wird. Das ist das soge nannte „Viergetier": Löwe, Adler, Stier und Mensch, das, aus der „Apoka lypse" stammend, in die christliche Kunst eingegangen ist. Diese Vier sind

sozusagen die Urbilder, die Repräsentanten des ganzen Tierkreises. Auch sie wollen verwoben sein, ineinander, miteinander im Menschen wirken, damit er alle seine Kräfte beherrschen lernt: Das Spinnen des Gedankenfadens und das Verweben des Gewonnenen ist die Geduldsproben des

November-Herbsteszeit.

Schwer und langsam geht das Jahr im November - Dezember seinen Gang.

Draußen mag man nicht verweilen, die Natur spricht nicht zu uns, nur der Wind macht sich bemerkbar. Es scheint schon Ende November die dunkelste Zeit zu sein; und dabei ist noch eine ganze Strecke bis zur Winter-Sonnenwende zu gehen. Insgeheim warten wir nur darauf, dass diese Spanne bald vorübergehen möge. Erwartung, Vorbereitung auf eine Wende erfüllt viele Menschen. Weinachten ist das Ende dieser düsteren Wegstrecke, es ist für die meisten Menschen - seien sie religiös gestimmt oder nicht - ein Punkt, auf den sie zuleben. So wurden „ganz von Natur aus" die Wochen vor dem Weihnachtsfest eine Erwartungszeit, in der man gerne voranschreiten möchte. Der scheinbare Stillstand in der Natur draußen bestimmt den Men schen zum inneren Wandern, zum Weiterstreben.

Fast bedrohlich kann die Natur wirken bevor es wirklich Winter wird; vor allem für Menschen, die auf das Draußensein angewiesen sind. Daher verste hen sich allerlei alte Bräuche, die es im November gab: Geistervertreibung, symbolische Hexenverbrennungen - wie sie noch in England als Halloween bekannt sind - mussten der Zeit der stillen Einkehr vorausgehen. Dann wur de der Toten gedacht, die auch heute noch am Totensonntag mit Lichtem vor dem Bösen geschützt werden.

Das katholische Kirchenjahr beginnt mit dem ersten Advent. Die „geschlos sene Zeit" (keine festlichen Hochzeiten, keine Lustbarkeiten) steht am An fang des Jahres. Und irgendwie machen doch alle Menschen etwas mit, was dieser geschlossenen Zeit entspricht, wenn dies auch recht unbewusst bleiben mag. Nach und nach scheinen dann die Adventslichter auf. Und dazwischen

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