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4. Einführung

4.6 Polyoxometallate

Metallkationen, Oxo-Anionen und polymere Oxidstrukturen sind in wässriger Lösung über eine Reihe pH-abhängiger Hydrolysereaktionen miteinander verknüpft (Abb. 7).

Abb. 7: Beispielhafte Darstellung pH-abhängiger Hydrolysereaktionen in Anlehnung an Referenz [81].

Die Löslichkeit der meisten bekannten Metalloxide und Polyoxosalze ist auf wenige Lösungsmittel begrenzt. Diesbezüglich bilden Isopoly- oder Heteropolyoxometallate der frühen Übergangselemente eine wichtige Ausnahme. Beide unterscheiden sich in ihrer Strukturformel:

[MmOy]p- Isopolyoxometallate

[XxMmOy]q- (x ≤ m) Heteropolyoxometallate

Dabei steht X für das Heteroatom und M für das Metallatom in seiner höchsten Oxidationsstufe (d0 oder d1).

Im gesamten Periodensystem sind nur fünf Übergangsmetalle, Molybdän (VI), Wolfram (VI), Niob (V), Tantal (V) und Vanadium (V), in der Lage Polyoxoanionen- Cluster aufzubauen, von denen nur zwei - nämlich Molybdän und Wolfram - umfangreich erforscht wurden.[81] Es stellt sich somit die Frage welche Eigenschaft ein Metallatom haben muss, um Polyoxometallate auszubilden?

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Neben den geeigneten Kationenradien muss das zur Verfügung stehende Metallkation ein guter Akzeptor für die pπ-Elektronen des Sauerstoffs sein. Die Fähigkeit pπ-Elektronen aufzunehmen nimmt mit zunehmendem Kationenradius ab. Für die Ausbildung eines POM- Clusters müssen aber beide Faktoren gleichzeitig erfüllt sein. Es gibt Kationen, die eine hohe bis sehr hohe Affinität zu den pp- Elektronen des Sauerstoffs zeigen, aber für eine notwendige oktaedrische Koordination zu klein sind (z.B. Cr6+-Ionen). Daneben gibt es Kationen, die eine hinreichende Größe haben, aber eine schlechte Affinität zu den Elektronen des Sauerstoffs besitzen (z.B. Te6+-Ionen).[81]

Im Gegensatz zu Cr6+ können V5+, Mo6+ oder W6+ eine oktaedrische Koordination realisieren (Abb. 8A).[82]

Abb. 8: A) Effektive Kationenradien nach Shannon und Prewitt. Eine oktaedrische Koordination wird im Bereich zwischen 0,65 und 0,80 Å realisiert.[83] Die aufgeführten Cr6+- und Zr4+-Kationen sind nicht mehr in der Lage eine oktaedrische Koordination zu verwirklichen. B) Schematische Darstellung von primären (links) und sekundären (sekundären) Heteroatomen (nach Referenz [81]).

Nachfolgend wird der Aufbau eines Hetropolyoxometallats generell beschrieben.

Polyoxomolybdate und Polyoxowolframate bestehen aus verzerrten Sauerstoffoktaedern. In den Lücken befinden sich die Metallatome. Die Oktaeder sind miteinander über gemeinsame Ecken oder Kanten verknüpft. Die Metallatome sind in Richtung des terminalen Sauerstoffs des Oktaeders verschoben. Aus der daraus

27 resultierenden Verkürzung der M-O-Bindungen entstehen die für diesen Strukturtyp notwendigen und charakteristischen Metall-Sauerstoff-π-Bindungen. Diese terminalen, nicht verbrückenden Sauerstoffatome sind nicht-basisch, regulieren die Protonierung und verhindern eine Weiterpolymerisation bzw. Kondensation des Polyaniongerüstes.[81] Anders als zum Beispiel bei porösem TiO2, bei dem die Kondensation über µ-Hydroxy-Gruppen erfolgt, muss bei den POMs zur Ausbildung eines Netzwerkes ein Vernetzer in Form von La3+- oder Cs+-Ionen eingearbeitet werden.[57,84,85]

Im Gegensatz zu den fünf Metallkationen, die fähig sind Polyoxo-Strukturen aufzubauen, sind mittlerweile 67 Elemente bekannt, die als Heteroatom in die verschiedenen Metalloxidcluster eingebettet werden können. Hierbei wird zwischen primären („zentralen“) und sekundären („peripheren“) Heteroatomen unterschieden.

Primäre Heteroatome sind für die Stabilität der Struktur des POMs essentiell. Sekundäre Heteroatome sind außerhalb der Heteropolyoxo-Anionen. Das Polyoxo-Anion ist davon unabhängig stabil (Abb. 8B).

Die Koordination des Heteroatoms innerhalb oder außerhalb des Metallclusters ist variabel und hängt vom Heteroatom selbst ab. So können sowohl tetraedrische, oktaedrische, kubische und ikosaedrische Koordinationen für das Heteroatom realisiert werden (Abb. 9).

Abb. 9: Mögliche Polyeder der bisher als Heteroatome eingesetzten Elemente (nach Referenz [81]).

Eines der bekanntesten Heteropolyoxometallat-Strukturmotive ist der Keggin-Typ (Keggin POM). Dieses POM wurde 1826 zum ersten Mal von Berzelius synthetisiert und

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besitzt die allgemeine Summenformel [XM12O40]n-.[86] Die Struktur des

1.4,1.9,2.5,2.6,3.7,3.8,4.10,5.10,6.11,7.11,8.12,9.12-dodeca-μ-oxo-μ12-(tetraoxo-phos-phato-O1.4.9,O2.5.6,O3.7.8,O10.11.12)-tetrakis-[tri-μ-oxo-tri(oxomolybdat)](3-)-Anions wurde 1933 durch J.F. Keggin röntgendiffraktometrisch aufgeklärt.[87,88] Dessen pseudo-sphärische Struktur besteht aus einem Heteroatom-Sauerstoff-Tetraeder umgeben von zwölf ecken- bzw. kantenverknüpften Molybdän-Sauerstoff-Oktaedern (Abb. 10).

Abb. 10: Struktur des Keggin- Anions; rotes Polyeder: XO4–Tetraeder; blaue Polyeder: MO6-Oktaeder.

Daneben existieren eine Reihe zusätzlicher Heteropolyoxometallat-Strukturtypen, wie der Silverton-Typ [XM12O42], Dawson-Typ [X2M18O62], Waugh-Typ [XM9O32] und Anderson-Typ [XM6O24].[81]

Keggin POMs besitzen interessante und vielfältige chemische, physikalische und elektronische Eigenschaften,[89,90] die ihren Einsatz in der Katalyse und Elektrochemie rechtfertigen.[90-94] Allerdings ist die Zugänglichkeit zum katalytisch aktiven Zentrum der reinen Keggin POMs begrenzt, da diese anorganischen Oxide grundsätzlich eine sehr geringe Oberfläche besitzen.[91] Daher ist die Erhöhung der spezifischen Oberfläche durch geeignete Strukturierungsmethoden ein sehr stark umforschtes Gebiet.

Das Einarbeiten der Keggin POMs in funktionelle Architekturen und Materialien ist allerdings schwierig. Gelingt es, die hydrophilen Anionen mit hydrophoben, organischen Materialien ladungsvermittelt zu kombinieren, ist die Stabilisierung der resultierenden Hybridmaterialen dennoch limitiert.[91,95]

So konnten zum Beispiel die hydrophilen und hochgeladenen Keggin POM Einheiten in hydrophobe organische Matrizen eingebracht werden, indem die anorganischen

29 Gegenionen durch kationische Tenside ausgetauscht oder kovalent angebunden werden, was wiederrum zu der Etablierung der so genannten „Surfactant Encapsulated Polyoxometalate Cluster“ (SEC) führte.[96-103]

Für gewöhnlich sind diese tensidären POMs sphärische Nanoobjekte, die sich in organischem Medium lösen lassen und in einem zusätzlichen Arbeitsschritt in funktionale Mesostrukturen mit erhöhter katalytischer Aktivität überführt werden können.[104] So konnte bereits eine Vielzahl von Strukturen, wie „Zwiebeln“, „Würmer“,

„Honigwaben“, hexagonal geordnete Zylinder, „Scheiben“, „Röhren“ u.v.m.[105] generiert werden (Abb. 11).

Abb. 11: Typische Darstellung der SECs und ihre Selbstanordnung in unterschiedlichste Nanoobjekte. Oben: Platten-, Kegel- und Röhren-Struktur. Unten:

Zwiebel-Struktur.[105]

Eine Ausdehnung dieses Konzeptes auf amphiphile Diblocopolymere resultierte in der Verwirklichung von einzelnen, mizellaren, vesikulären und wurmartigen Nanoobjekten.[106,107] Darauf aufbauend konnten mit kernquervernetzten Diblockcopolymeren durch Selbstanordnung von diskreten, wurmartigen Nanohybriden verschlaufte spaghetti-ähnliche Mesostrukturen aufgebaut werden.[40]

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