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Politische Orientierungen und soziale Ungleichheit

Der politische Standort und politische Grundpositionen führen dazu, dass das Ausmaß der Ungleichheit unterschiedlich wahrgenommen und davon abhängig als ungerecht oder gerecht bewertet wird. So bewirkt eine politisch „linke“ Selbstzuschreibung („Verglichen mit den meisten Leuten in diesem Land bin ich politisch ziemlich…“) eine eher kritische Einstellung gegenüber den sozialen Unterschieden, während eine eher „rechte“ Zuordnung stärker legiti-mierend wirken kann. 23% der befragten Studierenden stufen sich als politisch „links“ ein.

Die große Mehrheit (59%) sieht sich politisch in der Mitte und nur drei Prozent verorten sich im „rechten“ Spektrum.

Je nach politischer Selbsteinstufung wird das Ausmaß der sozialen Unterschiede unter-schiedlich bewertet und gerechtfertigt. Während die politisch „linken“ Studierenden das Aus-maß der sozialen Ungleichheit vergleichsweise häufig als groß bezeichnen und mehrheitlich diese soziale Tatsache delegitimieren, gehen in der politischen Mitte 43% von großen sozi-alen Unterschieden aus, was sich aber erstaunlich wenig in Kritik an der sozisozi-alen Ungleich-heit niederschlägt (30% ungerecht). Die politisch „rechten“ Studierenden, allerdings eine kleine studentische Gruppe, sehen deutlich weniger soziale Unterschiede (34% große Un-gleichheit) als andere und legitimieren diese häufiger (27%) als dass sie abgelehnt werden (12%). In solcher Deutlichkeit wird die Schichtungsordnung durch keinen anderen Einfluss-faktor legitimiert. Im Vergleich dazu sieht die politisch „linke“ studentische Gruppe zu 62%

die sozialen Unterschiede als völlig ungerecht (vgl. Abbildung 5).

Die politischen Grundpostionen werden unterschieden nach sozialdemokratisch, grün-alterna-tiv, kommunistisch-marxistisch, liberal, christlich-konservativ und national-konservativ. Der sozialdemokratischen Grundposition stimmen 67% der Studierenden zu, der grün-alternativen 64%, der kommunistisch-marxistischen 13%, der liberalen 37%, der christlich- konservativen 35% und der national-konservativen 5%.

Die Einnahme einer bestimmten politischen Grundposition wirkt sich auf die Beurteilung der sozialen Ungleichheit unterschiedlich stark aus:

Kommunistisch-marxistische Position: Soziale Ungleichheit wird hier am häufigsten als zu groß bezeichnet (64%). Entsprechend fällt das kritische Potential aus: 65% dieser Studie-renden charakterisieren die sozialen Unterschiede als ungerecht. Bei Ablehnung dieser politischen Grundposition sind 43% der Studierenden von großen sozialen Unterschieden überzeugt und 31% üben daran Kritik.

13 Abbildung 5

Politischer Standort und Ausmaß sowie Bewertung sozialer Ungleichheit:

Studierende an Universitäten (2010)

Skala von 1 = links bis 7 = rechts; Angaben in Prozent für Kategorien: 1-2 = links; 3-5 = Mitte, 6-7 = rechts

Skala von 0 = gering bis 6 = groß; Angaben in Prozent für Kategorien: 5-6 = groß; Skala von 0 = ungerecht bis 6 = gerecht; Angaben in Prozent für Kategorien: 0-1 = ungerecht, 5-6 = gerecht

**p 0.01 (CHI2-bzw. Mittelwert-Test)

Quelle: Studierendensurvey 1983-2010, Arbeitsgruppe Hochschulforschung, Universität Konstanz

Sozialdemokratische Position: 50% der Unterstützer dieser Position finden die Unterschiede zu groß und 42% bezeichnen sie als ungerecht, während die Studierenden, die diese Position ablehnen, die sozialen Unterschiede zu 42% als zu groß bezeichnen und 28% sie kritisieren.

Grün-alternative Position: Für ebenfalls 50% der Unterstützer dieser Position sind die sozi-alen Unterschiede zu groß und 44% bezeichnen sie als ungerecht. Bei Ablehnung der grün-alternativen Position bezeichnen 41% die sozialen Unterschiede als zu groß und 24% lehnen sie als ungerecht ab.

Liberale Position: 40% der Befürworter finden die Unterschiede zu groß und 25% bezeichnen sie als ungerecht, während Studierende, die dieser Position negativ gegenüberstehen, zu 53%

von zu großen Unterschieden ausgehen und 51% sie ablehnen.

Christlich-konservative Position: 40% der Studierenden, die dieser Position zustimmen, bezeichnen die Ungleichheit als groß und 23% finden diese ungerecht. Studierende, die diese Position ablehnen, nennen zu 54% das Ausmaß der Ungleichheit groß und 51% stehen diesen sozialen Unterschieden kritisch-delegitimierend gegenüber.

National-konservative Position: 42% derjenigen, die diese Position unterstützen, finden die Unterschiede zu groß, und 21% bezeichnen sie als ungerecht, während 48% mit ablehnender Haltung gegenüber der national-konservativen Position die sozialen Unterschiede als zu groß bezeichnen und 50% sie kritisieren.

0 10 20 30 40 50 60 70

"rechts"

"Mitte"

"links"

Ausmaß der sozialen Unterschiede ist groß soziale Unterschiede sind ungerecht soziale Unterschiede sind gerecht Politischer Standort im

Links-Rechts-Spektrum

%

14

Die Zustimmung bzw. die Unterstützung verschiedener politischer Grundpositionen zeigt im Hinblick auf die Beurteilung und Bewertung sozialer Unterschiede eine klare Struktur. Je weiter „links“ die politische Grundposition der Studierenden ist, desto häufiger werden die sozialen Unterschiede als groß angesehen und desto weniger wird der Schichtungsordnung zugestimmt bzw. sie legitimiert. Dabei fällt auf, dass bei den sozialdemokratischen, bei den grün-alternativen und den kommunistisch-marxistischen Grundpositionen die Häufigkeit zwi-schen der Wahrnehmung großer sozialer Unterschiede und deren Ablehnung näher zusam-menliegen, während es bei sämtlichen anderen politischen Grundpositionen bei diesem Zusammenhang zu deutlichen Differenzen kommt. So nehmen letztere nicht nur die sozialen Unterschiede vergleichsweise deutlich weniger als zu groß wahr, sondern sie sehen deutlich häufiger auch keine Ungerechtigkeit darin, d.h. die Ablehnung der Schichtungsordnung fällt vergleichbar sehr gering aus (zwischen 21 und 25 Prozent). Es kommt daher nicht über-raschend, dass die Gegner der liberalen, der christlich- und national-konservativen Positionen in beiden Beurteilungen kritischer sind (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6

Zustimmung zu politischen Grundpositionen und Ausmaß sowie Bewertung sozialer Ungleichheit: Studierende an Universitäten (2010)

Skala von -3 = lehne völlig ab bis +3 = stimme völlig zu; Angaben in Prozent für Kategorien:

+1 bis +3 = stimme zu

Skala von 0 = gering bis 6 = groß; Angaben in Prozent für Kategorien: 5-6 = groß; Skala umgepolt von 0 = gerecht bis 6 = ungerecht; Angaben in Prozent für Kategorien: 5-6 = ungerecht

**p 0.01 (CHI2-bzw. Mittelwert-Test)

Quelle: Studierendensurvey 1983-2010, Arbeitsgruppe Hochschulforschung, Universität Konstanz

Insbesondere bei der national-konservativen Grundposition wird deutlich, dass es nennens-werte Anteile gibt, die die sozialen Disparitäten als gerecht bezeichnen (14%), aber auch die liberale und die christlich-konservative hat solche Anteile aufzuweisen (je 9%). Bei den anderen politischen Positionen sind diese Anteile deutlich geringer (zwischen 2 und 4 Pro-zent).

soziale Unterschiede sind groß soziale Unterschiede sind ungerecht

demokratisch grün-alternativ liberal christlich- konservativ

national- konservativ

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So beeinflusst die politische Orientierung der Studierenden deren Sicht auf die soziale Lage der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Sie hat maßgeblich mit Anteil daran, wie die ge-sellschaftliche Verteilungs- und Chancenstruktur bewertet und kritisiert bzw. legitimiert wird.