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PIERNIKARSKI versucht in dieser Arbeit, Aspektpaare bzw. Oppo־

sitionen des polnischen Verbs vor slavischem Hintergrund zu er-mitteln. Sein Anliegen ist dabei weitgehend auf die formale Seite der Aspektbildung gerichtet, er geht von einem bekannten

221 )

Inhalt aus, um von ihm zu einer bestimmten Form zu kommen.

Nur auf der Grundlage einer semantischen Analyse lassen sich seines Erachtens bestimmte aspektuelle Oppositionstypen ermit-teln, und wo eine solche nicht ausreicht, sei sie durch

syntak-222)

tische Kriterien zu ergänzen.

So untersucht er das, wohl leicht Übertrieben ausgedrückt,

"komplette Material der polnischen Sprache" 223), wobei er sich hauptsächlich mit den Aspektoppositionen beschäftigt, deren formales Kriterium der Perfektivität ein Präfix ist. Die Bil- dungen mit Suffix stellen demgegenüber kein Problem dar, und deshalb ist bei ihnen eine Klassifizierung unmittelbar möglich.

Nach dieser morphologisch bedingten Einteilung unterscheidet er anhand von "syntaktischen Kriterien" generell drei Gruppen von Verben, deren jeweils gemeinsame Merkmale in direktem Zusammen- hang mit dem Aspekt stehen:

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-1. transitive Funktionsverben (poln. "czasowniki czynnoá- ciowe przechodnie"),

2. Verben, die einen Ortswechsel des Subjekts ausdrücken, und

224 ) 3. Prozeßverben (poln. "czasowniki procesywne").

An diesen Gruppen läßt sich nämlich zeigen, daß das Substantiv,

"das die Funktion der Veränderungsdeterminante (poln. "wyznacz-nik zmienności") erfüllt, eine zentrale Position in

syntak-tischen Schemata einnimmt: die des Objekts, des adverbialen Ob-jekts oder des SubOb-jekts, d.h. die zentralste Position im Ver-hältnis zum Verb." 225) In dieser Einbeziehung eines "näheren Kontextes des Verbs" liegt für uns das Bedeutsame an PIERNI- KARSKIs Arbeit.

Während er primär an einer Klassifizierung der Verben unter bestimmten Gesichtspunkten interessiert ist, interessieren uns die als Nebenprodukte angefallenen Beobachtungen hinsichtlich der sprachlichen Umgebung des Verbs. In einem für PIERNIKARSKI sekundären Ergebnis stimmen wir nämlich Überein: "Eine Defi- nition des Aspekts ausschließlich gestützt auf den morpholo- gischen Bau des Verbs ist nur in einigen Fällen möglich. In der Mehrzahl der Fälle ist die Art des Vorgehens umgekehrt, d.h.

daß nach Feststellung der Abhängigkeit, in welcher gegebene Ver־

ben stehen, formale Exponenten einer gegebenen semantischen Re- lation bestimmt werden... Weder ein Präfix allein, noch ein Suffix ist bereits Exponent der Perfektivität oder Imperfekti- vität.226״)

Da für die weitere Arbeit nur dieses Ergebnis von Bedeutung ist, kann an dieser Stelle auf eine kritische Auseinanderset-zung mit Ansatz und anderen Erkenntnissen verzichtet werden.

Vor allem die Definition der Aspekte würde hier wohl Wider-Spruch wecken, erscheint es doch sehr fraglich, ob sich der ipf. Aspekt tatsächlich durch eine "mögliche direkte zeitliche Begrenzung einer Handlung" auszeichnet, wohingegen die pf. Ver-ben vor allem zur "Beschreibung von an einem Objekt hervorge-rufenen Veränderungen" 227) dienten.

Wir halten jedoch fest, daß für eine eingehendere funktionelle Analyse des Aspekts auch nach PIERNIKARSKI eine Untersuchung der Beziehungen zwischen Aspekt und sprachlicher Umgebung sinn- voll und notwendig ist. Wir werden in diesem Zusammenhang vor allem den Verbindungen zwischen Adverbial und Verb Aufmerksam- keit schenken, doch kann diese Umgebung selbstverständlich auch über die Satzgrenze hinausgehen, um etwa auch Beziehungen zwi- sehen mehreren Äußerungen einzuschließen.

Gerade in bezug auf eine solche Erweiterung der "näheren Umge- bung" wird PIERNIKARSKI durch ŚMIECH ergänzt, der die Bezie־

hungen zwischen den Aspekten in verschiedenen Satzarten bzw.

deren Satzgefügen zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung macht.

3.2.4. ŚMIECH (1971)

Wie erwähnt, betrachtet ŚMIECH in dieser Arbeit aus dem Jahr 1971 die Beziehungen zwischen mehreren Sätzen im Hinblick auf die in ihnen enthaltenen Aspekte. Er geht dabei von einer Satz-kategorisierung aus, die auf KLEMENSIEWICZ basiert und sämt־

liehe in der polnischen Syntax möglichen Typen umfassen soll.

Damit hofft er eine möglichst vollständige Systematisierung der Aspektfunktionen im modernen Polnisch zu erreichen, d.h. eine vollständigere als die KOSCHMIEDERs.22®* Der Autor sieht somit von Anfang an das Ziel seiner Untersuchung in einer Kontext-analyse, da ihm eine Betrachtung des Aspekts losgerissen von dessen Kontext nicht objektiv erscheint, und die Verwendung einer entsprechenden Aspektform "hauptsächlich durch die in einer Äußerung dargestellte Situation determiniert ist" 229) . ŚMIECH trennt bei seinem Vorgehen die Vorkommensarten der Aspektformen zuerst nach Modus (Indikativ, Imperativ und Kon-

junktiv) und dann nach Einzelsätzen bzw. nach gleichgeordneten oder untergeordneten Satzverbindungen bzw. -gefügen. Seine Er-

gebnisse sind zu umfangreich, als daß sie hier im Detail disku- tiert werden könnten. Es soll jedoch angesprochen werden, was an Anregungen für die weitere Arbeit bedeutsam zu sein scheint.

Weitere interessante Feststellungen, die in unserem Rahmen nicht berücksichtigt werden können, müssen einer späteren Diskussion

Vorbehalten bleiben• Hier wären zu nennen etwa die Abhängig- keit der aktuellen bzw. nichtaktuellen Gegenwart beim ipf.

Aspekt von der Semantik des entsprechenden Objekts oder Adver- biais230* oder gar von der Person des Verbs, d.h. vom Subjekt

ו ו

2 3 . Wesentlich ist für uns dagegen folgendes.

Es entspricht traditioneller Auffassung, daß die für den Sprach-Wissenschaftler größte sprachliche Einheit, die einer Untersu-chung zugänglich ist, der "Satz" zu sein habe. Auch die genera-tiv-transformationelle Grammatik geht Über diesen willkürlich gezogenen Rahmen nicht hinaus, von vereinzelten Ansätzen einmal

2 3 2 )

abgesehen . Es gibt jedoch unbestritten sprachliche Erschei- nungen, die befriedigend nur durch eine Erweiterung dieser Gren-

zen erklärt werden können. So z.B. die Pronominalisierung, bei der zwar die Möglichkeit besteht, die Funktion eines Pronomens innerhalb eines Satzes zu untersuchen, während die Ergebnisse dieser Untersuchung erst dann als vollständig bezeichnet werden können, wenn auch der referentielle Bezug, der meist satzüber- greifenden Charakter hat und damit textkonstituierend ist, ana-

lysiert ist. Auch die Tempusfunktionen müssen hier angeführt werden, die "consecutio temporum" etwa bezieht sich ebenfalls

auf eine satzübergreifende Erscheinung, bei der mehrere Sätze in einem gewissen Zusammenhang zueinander stehen.

Um ähnliche Verhältnisse scheint es sich beim Aspekt zu handeln, wenn man ŚMIECHs Ergebnisse näher betrachtet. Er stellte nämlich

Beziehungen zwischen verschiedenen Aspektformen in komplexen

"Sätzen"233* fest, was impliziert, daß es sich auch beim Aspekt um satzübergreifende Funktionen handeln kann, indem verschiedene Handlungen oder Tätigkeiten zueinander in Beziehung gesetzt wer- den. Hier handelt es sich sicher um eine neue und wesentliche Komponente in der Aspektdiskussion.

Sie kommt jedoch bedauerlicherweise nicht konsequent zum Tragen, 234) *

denn die Funktionen des Aspekts in Einzelsätzen werden von ŚMIECH durchaus noch traditionell beschrieben, d.h. mit Begrif-

fen wie "aktuell", ,,nicht-aktuell", "momentan", "iterativ" usw.

Bei den Aspektfunktionen in komplexen Sätzen dagegen wird mit

diesen Termini überhaupt nicht mehr gearbeitet 235) , vielmehr werden nun die erwähnten Relationen zwischen mehreren Handlungen

in die Betrachtung einbezogen• Man müßte deshalb fragen, ob der Aspekt tatsächlich zwei verschiedene Funktionen hat, eine Frage, auf die sich in der Arbeit keine Antwort findet und über die deshalb auch nicht weiter spekuliert werden soll. Jede Antwort wäre höchst problematisch, denn auch ein einzelner Satz steht stets zu anderen in gewissen Beziehungen, kommt in einem Text oder einer Situation vor, und kann deshalb nicht isoliert be- trachtet werden. Von der rein formalen Unterscheidung zwischen zwei Einzelsätzen und zwei Nebensätzen in einer Satzverbindung her läßt sich sicher keine schlüssige unterschiedliche Funktion der vorkommenden Aspektformen herleiten.

Diese Inkonsequenz wird angesichts der hauptsächlich unter- suchten Satzverbindungen noch augenscheinlicher. In der über- wiegenden Anzahl der Fälle handelt es sich nämlich um Verbin- dungen mit temporalen Nebensätzen, die eine bestimmte Abfolge von Handlungen ausdrücken, wobei die Verbalformen die Stelle der einzelnen Gliedsätze in der Handlungsabfolge festlegen•

Eine solche Zuordnung geschieht jedoch auch in einem Einzelsatz, wenn auch vielleicht nicht mit so eindeutigem Bezug. Daraus

kann aber noch keine gänzlich verschiedene Funktion eines Be- standteils der Verbalform hergeleitet werden.

Durch die Betrachtung von Temporalsätzen werden die Aspekte funktionell in engem Zusammenhang mit den durch dieselben Verb- formen ausgedrückten Tempora gesehen, wobei ŚMIECH eine an KO- SCHMIEDER orientierte Auffassung bezüglich des Status der

Aspekte vertritt. Er versteht den Aspekt als eine grammatische Kategorie, deren Wesen jedoch nicht in einer bestimmten Bewe- gungsrichtung auf einer Zeitlinie gesehen wird, sondern auf der punktuellen Bedeutung des pf. Aspekts aufbaut .

Die Bedeutung der Arbeit liegt in dem neuartigen Vorgehen, das die Betrachtung zweier Aspektformen in Abhängigkeit voneinander darstellt. Erst durch sie konnte es zur Aufdeckung weiterrei- ehender Verbindungen wie der zwischen Subjekt, Semantik des

Ob-jekts oder Adverbiais, zwischen der Reihenfolge von Sätzen usw.

auf der einen Seite und dem Aspekt auf der anderen Seite kom-men. Erwähnenswerts erscheint mir auch, daß hier einmal jemand, der eine slavische Sprache als Muttersprache spricht, auf die enge Verbindung zwischen Aspekt und Tempus hinweist, ja diese Verbindung sogar zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung macht 237)9. Nur dadurch kann man zu einem Ergebnis wie dem folgenden kommen , nach dem der "Aspekt vor allem zum Ausdruck des zeit-liehen Verhältnisses zwischen Handlungen" 238) diene, was aller-dings noch etwas eingeschränkt wird 239)'• Von einer ähnlichen Vorstellung werden auch wir ausgehen.

Von einer ganz anderen Anlage geht die letzte hier zu erwähnende Arbeit aus, in der CZOCHRALSKI in "konfrontativer Darstellung"

"Verbalaspekt und Tempussystem im Deutschen und Polnischen" un- tersucht.

3.2.5. CZOCHRALSKI (1972)240)

Wenn auch die Anlage der Arbeit, die sich durch die geplante Abgrenzung zweier Sprachen gegeneinander ergibt, eine unter-schiedliche Akzentsetzung in der Betrachtungsweise mit sich

bringen muß, so sind doch hinsichtlich der Grundannahmen gewisse Gemeinsamkeiten zwischen ŚMIECH und CZOCHRALSKI festzustellen«

Das gilt z.B. für die Beziehungen zwischen Tempus und Aspekt:

"... die Tempuskategorie ist im Polnischen unlösbar mit der Aspektkategorie verbunden. Jede Verbalform hat ja einen be-stimmten Aspekt. Aber der Aspekt macht noch nicht den ganzen grammatischen Inhalt der Verbalform aus. Vielmehr ist es so, daß die aspektbedingten Verbalformen bestimmte Temporal- bzw.

241 ) temporalähnliche Punktionen ausüben."

Die Verbindung zwischen den beiden Kategorien zeigt sich bei CZOCHRALSKI darin, daß er beim Tempussystem zwischen "voll- endeten" und "unvollendeten" bzw. "perfektiven" und "imperfek- tiven" Tempora unterscheidet, deren Gebrauch sich nach folgenden Gegebenheiten richtet: "Der Gebrauch des Perfektivums oder des Imperfektivums hängt von der jeweiligen Sprechsituation oder Kommunikationsabsicht ab; denn die beiden Partner in einem

Aspektpaar sind zwar semantisch gleichwertig, aber keinesfalls synonym in Bezug auf die Handlungsauffassung."242)

Zu dieser Aussage, die allerdings ziemlich allgemein gehalten ist, schließlich ist jede sprachliche Ausdrucksform in gewisser Weise von der jeweiligen Sprechsituation oder Kommunikationsab-sicht abhängig, tritt noch eine die Aktionsarten betreffende.

In ihr vermißt man einen Hinweis darauf, daß es sich um ver״

schiedenartige Phänomene handelt, ja die Formulierung ruft so-gar einen in dieser Hinsicht falschen Eindruck hervor, wenn sie von "verwandten Erscheinungen" spricht: "Der Aspekt kann nicht

isoliert betrachtet werden, sondern in Verbindung und auf dem Hintergrund der mit ihm verwandten Erscheinungen, nämlich in Verbindung mit und in Opposition zu den Aktionsarten."243)

In der Kombination dieser drei "Kategorien" sieht CZOCHRALSKI den "polystrukturalen" Aufbau der Aspektkategorie, wobei sowohl die Aktionsarten als auch die Aspekte gemeinsame Funktionen ha-ben, die nicht unbekannt sind: Durativität, Iterativität, Semel-faktivität, Resultativität usw. Abgehoben wird der Aspekt inso-fern von den Aktionsarten, als bei ihm mehrere Merkmale gebün-delt Vorkommen, während für jeweils eine Aktionsart ein Merkmal bestimmend ist 244) . Die Verteilung der einzelnen Merkmale auf

"Funktionsbündel" ergibt folgende funktionale Charakterisierung der beiden Aspekte:

Perfektivum: momentan (nichtdurativ)

semelfaktiv (nicht-iterativ) resultativ (nicht-präresultativ) Imperfektivum: durativ (nicht-momentan)

iterativ (nicht-semelfaktiv)

präresultativ (nicht-resultativ)245*

Die beiden Aspekte sind demnach sowohl positiv als auch negativ gekennzeichnet und stellen damit gleichwertige, äquipollente Korrelate dar. In der Gewichtigkeit der einzelnen Merkmale be- stehen allerdings gewisse Unterschiede: während beim pf. Aspekt die Resultativität die wichtigste Einzelstruktur ist, sind beim ipf• Aspekt die durative und die iterative Struktur

ausge-Diese Lösung ist zwar im Hinblick auf die bekannte Frage nach der Merkmalhaftigkeit bzw. Merkmallosigkeit eines der beiden Aspektpartner 247)' akzeptabel, inhaltlich kann sie jedoch nicht überzeugen. Von der Akzeptabilität her trägt sie zweifellos den sprachlichen Gegebenheiten eher Rechnung als der erwähnte strukturalistische Ansatz, denn tatsächlich ist es zum rieh- tigen Verstehen einer Äußerung durch den Hörer nicht notwendig, daß dieser sich beim Vorkommen eines ipf. Verbs zuerst auf des- sen positiv gekennzeichneten pf. Partner beziehen muß. Vielmehr ist in einer Äußerung jedes vorkommende Verb in diesem Sinne positiv gekennzeichnet und somit unabhängig von seinem Partner.

Inhaltlich drängt sich bei CZOCHRALSKIs Lösung jedoch der Ver- dacht auf, daß den Aspekten wieder einmal bestimmte Aktionsar- ten zugeordnet werden sollen nach dem bekannten Schema: per- fektiv = momentan oder punktuell und imperfektiv = iterativ.

Damit würde die konsequente Interpretation des Aspekts als eine grammatische Kategorie zum Ausdruck von ntemporalähnlichen Funktionen" durchbrochen, und außerdem widersprechen dem die sprachlichen Gegebenheiten, wie sich an der Existenz pf. Ite- rativa zeigen läßt24®^.

Ein Ausweg könnte vielleicht in der folgenden Definition ge- sehen werden, die den Gegebenheiten Rechnung zu tragen sucht:

Die grammatische Kategorie des Verbalaspekts dient zur Wieder- gäbe allgemeiner, temporalähnlicher Relationen zwischen ein- zelnen Tätigkeiten oder Handlungen, wodurch er per definitionem unabhängig ist von den diese Tätigkeiten oder Handlungen sprach- lieh realisierenden Verben. Was jedoch die Realisierung dieser Beziehungen anbelangt, so sind bei ihr ebenso Restriktionen möglich, wie sie sich z.B. aufgrund eines finalen Verhältnisses

zwischen zwei Handlungen ergeben können. Das hat jedoch nichts mit der allgemeinen Kategorie unserer Relationen zu tun, son- dern betrifft eine Abhängigkeit zwischen den Inhalten zweier Verben. Lediglich die relative Häufigkeit, mit der diese Re-

Striktionen bei einer Aspektrelation angetroffen werden können, führt oft zur (nicht kausalen) Verquickung beider, d.h. der rein

grammatischen Kategorie und der rein lexikalischen Klasse

Eine derartige klare Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktions-art und den Tempora findet sich bei CZOCHRALSKI jedoch leider nicht. Deshalb können wir ihm auch nicht zustimmen, wenn er die temporalähnlichen Funktionen des Aspekts als sekundär bezeich-net: "Der perfektive Aspekt prädestiniert das perfektive Prä-teritum für die Vorzeitigkeitsfunktion in Temporalsätzen; der imperfektive Aspekt prädestiniert das imperfektive Präteritum u.a. für Schilderung von Zuständen. In diesem Sinne ist es schon richtig, daß die Aspekte einen temporalen Wert haben.

Wenn aber diese sekundäre Erscheinung geradezu zur causa effi-ciens der Aspekte erhoben wird, dann kann man einer solchen Auffassung nicht zustimmen." 249) Die Betrachtung des Materials wird zeigen müssen, welche Ansicht vorzugswürdig 1st•

Wir beenden damit unseren Überblick über die neuesten Arbeiten zum Aspekt im modernen Polnisch, der neben einer Orientierung auch zum Ziel hätte, die vorliegende Arbeit in einem bestimmten Rahmen zu zeigen, der wesentlich durch die Vorzüge wie Unzu- länglichkeiten der diskutierten Arbeiten bestimmt 1st• Hervor- zuheben sind in diesem Zusammenhang die Einbeziehung des Kon- textes bei der Funktionsbestimmung des Aspekts sowie eine vor- läufige Anlehnung an die Funktionen der Tempuskategorie• Das heißt, daß der Aspekt als grammatische Kategorie verstanden

wird, der als solcher keine lexikalische Bedeutung zugeschrieben werden kann.

In den folgenden Abschnitten werden zu denjenigen Komplexen, die sich bei der Betrachtung der Literatur als wesentlich herausge- stellt haben, eigene Vorstellungen entwickelt. Sie stellen die theoretische Grundlage für die praktische Analyse des sprach- liehen Materials im zweiten Teil dieser Arbeit dar. Dabei er- scheint es sinnvoll, zuerst einmal die Einschränkung auf den Verbalaspekt zu kommentieren, die nicht so selbstverständlich sein muß, wie das bisherige Vernachlässigen in der Diskussion zu implizieren scheint. Daran anschließen werden sich die Abē

schnitte "Aspekt und Kontext", "Aspekt und Aktionsarten” und

"Zeit - Tempus - Aspekt".

4. Zum "Verbalaspekt"

Der Aspekt wird normalerweise so fraglos als eine verbale Kate- gorie angesehen, daß er im Zusammenhang z.B. mit Substantiven kaum betrachtet wird, obwohl man bei ihnen zum Teil dieselbe Er- scheinung beobachten kann: "Substantive wie *oczyszczenie* und

1oczyszczanie1, 'rzucenie' und 'rzucanie' weisen jeweils aspek- tuale Kennzeichen auf, die für die Verbpaare 'oczyácié'/'oczy- szczać', * rzucić*/ 'rzucać* charakteristisch sind. Bezeichnen wir nun die Kennzeichen des Verbpaares jeweils als Aspektopposition perfektiv/imperfektiv, dann müßten wir konsequenterweise auch den abgeleiteten Substantiven die gleiche kategoriale Eigen- schaft zuerkennen."250* Wir wollen hier auch einmal andere Aspektformen betrachten, weil man nicht a priori ausschließen sollte, daß ihre Untersuchung etwas zur Funktionsanalyse des Aspekts beitragen könnte.

Es ist sicher richtig, daß die o.a. Substantive deverbal sind, d.h. in diesem Sinne 3ekundär. Primär i3t der Aspekt eine ver- bale Kategorie, die aspektuale Kennzeichnung der Substantive so- mit ein Reflex der Verbalkategorie. Eine Vernachlässigung auf- grund entstehungsgeschichtlicher Tatsachen erscheint deshalb ge- rechtfertigt. Allerdings kann man sich fragen, ob die funktio- nelien Gegebenheiten des Aspekts in nichtverbalen Formen nicht vielleicht klarer zum Ausdruck kommen, da hier eine Verwechslung mit den Aktionsarten und den Tempora ziemlich sicher ausge-

schlossen werden kann. Im übrigen ist die Anzahl dieser Formen keineswegs gering, denn neben Substantiven müßten hier auch Ad-

jektive und Partizipien sowie Infinitive betrachtet werden. An- gesichts der Produktivität der Substantivierung von Verben im Polnischen käme jedoch den Substantiven eine besondere Rolle zu.

Betrachten wir jedoch zunächst einmal die Ubergangsformen zwi- sehen den Verben und den Adjektiven, d.h. die Partizipien. Ob- wohl sie noch sämtliche den Aspektcharakter ihrer Ausgangsverben

aufweisen, rufen sie hinsichtlich ihrer Verwendung kaum Zweifel hervor. Sehen wir einmal von der nur in einem umfangreichen Ex- kurs zu klärenden Frage ab, welche Adjektive als ehemalige Par­

tizipien diesen noch zugezählt werden müssen und welche schon 251 )

nicht mehr , so stellen wir bei ihrer Verwendung fest, daß diese gar nicht so reflektiert werden muß wie die der Verben.

Ein "rauchendes Feuer" ist im Polnischen eben ein "dymujące ognisko", und niemand käme auf den Gedanken, von einem "zdymu- jące ognisko" zu reden•

Dies wird traditionell dadurch erklärt, daß von einem pf. Verb kein präsentisches Partizip gebildet wird, obwohl eine Bildung morphologisch gesehen selbstverständlich möglich wäre. Anschau-

lieh zeigt sich das bereits im Bereich der Psalterliteratur, wo die dort noch auftauchenden pf. Präsenspartizipien sukzessiv

ו

gegen ipf. Entsprechungen ausgetauscht wurden 252 . Was also in einem älteren Sprachzustand noch möglich war, verstieße heute gegen die Norm. Dieser Verstoß läßt sich entweder durch eine Re striktion semantischer Art erklären, was angesichts der nicht wesentlich veränderten Semantik unwahrscheinlich ist, oder da- durch, daß die einstmals temporal bestimmte Form des Adjektivs (als Partizip) funktionell keine Verbindung mit dem pf. Aspekt zuläßt. Hier hätte man demnach ähnliche Verhältnisse wie beim periphrastischen Futur, mit dem Unterschied freilich, daß es sich bei dieser Form des Futurs um die Verbindung zweier selb- ständiger Formen handelt ("być" + ipf. Verb), während beim pf.

Präsenspartizip ein und dieselbe Form zur Diskussion steht. Für uns heißt das, daß wie beim Verb auch bei den Partizipien ge- wisse Restriktionen bezüglich der Verbindung temporaler Funk- tionen und den Aspekten bestehen. Entsprechendes wäre für die Adjektive anzunehmen. Betrachten wir jedoch einmal die Verhält- nisse bei den Substantiven.

4.1. Aspektverhältnisse bei Substantiven

Betrachten wir hierzu im Vorgriff auf das im zweiten Teil unter suchte Material eine Wortfolge, die aus Verb + deverbalem Sub- stantiv besteht, nämlich "on nic nie miał do powiedzenia", so

Betrachten wir hierzu im Vorgriff auf das im zweiten Teil unter suchte Material eine Wortfolge, die aus Verb + deverbalem Sub- stantiv besteht, nämlich "on nic nie miał do powiedzenia", so

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