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3 Pharmakologischer Teil

3.1 Inhibitoren der 5-Lipoxygenase .1 in vitro-Testsysteme

3.1.3 Photoaffinity-Labeling

Eine Methode, die in der Medizinischen Chemie zur Optimierung der Inhibitor-Entwicklung eingesetzt wird, stellt das „Photoaffinity-Labeling“ (PAL) dar. Es basiert auf einem Enzym-Inhibitor, der mit einer photoaffinen Gruppe verknüpft und somit markiert (Labeling) ist.

3.1.3.1 Das Prinzip des Photoaffinity-Labeling

Das Photoaffinity-Labeling (PAL) wurde in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt: Kiefer et al. erwähnten diese Technik im Jahre 1970 erstmals unter dem Namen Photoaffinity-Labeling [Kiefer et al., 1970]. Einige Jahre zuvor wurden verschiedene Arbeiten publiziert, die die Aktivierung bestimmter chemischer Gruppen durch Licht beschreiben, so dass stabile kovalente Bindungen zu anderen Strukturen entstehen [Fleet et al., 1969; Singh et al., 1962]. Einige Jahre später wurde der Mechanismus des PAL veröffentlicht [Ruoho et al., 1973].

Die Technik des PAL beruht auf der Verknüpfung einer photoaffinen Gruppe mit einem Inhibitor. Wichtig ist hierbei, dass der markierte Inhibitor weiterhin eine hohe Affinität zum Enzym und gute IC50-Werte erzielt. Im Jahre 2007 wurde von Sinz ein Übersichtsartikel über die PAL-Methode veröffentlicht [Sinz, 2007]: Während der Inkubation dieses markierten Inhibitors mit dem Enzym wird die photoaffine Gruppe durch Lichteinstrahlung aktiviert. Die Wellenlänge des Lichts ist dabei abhängig von der verwendeten photoaffinen Gruppe. Durch diese Photoaktivierung knüpft sie eine stabile kovalente Bindung zur nächstgelegenen Aminosäure der Bindungstasche des Enzyms. Im nächsten Schritt wird das Protein durch Proteasen verdaut, also in bestimmte Aminosäureketten zerlegt. Standardmethode ist hier die Umsetzung mit Trypsin, welches die Proteinsequenz nach den Aminosäuren Arginin und Lysin schneidet. Mit Hilfe kombinierter Durchläufe der Massenspektrometrie (MS-MS) werden die Stücke der Aminosäurekette analysiert. Da an einem dieser Stücke der Inhibitor über seine photoaffine Gruppe kovalent gebunden ist, kann es in einem Vergleich mit dem verdauten, reinen Enzym identifiziert werden. Durch umfangreiche Berechnungen wird im letzten Schritt analysiert, wo dieses Aminosäurestück im Enzym lokalisiert ist. Da es einen Teil der Bindungstasche repräsentiert, erhält man mit der PAL-Methode genaue

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nisse über die Bindungstasche ohne auf aufwändige kristallographische Methoden zurückgreifen zu müssen. Diese Erkenntnisse spielen bei der Entwicklung neuer und besserer Inhibitoren eine wichtige Rolle. In Abbildung 3.5 ist das PAL-Prinzip schematisch dargestellt.

Abb. 3.5: Darstellung des Prinzips des Photoaffinity-Labeling (modifiziert nach [Sinz, 2007]). Erklärung der einzelnen Schritte:

1 Inhibitor mit photoaffiner Gruppe 4 Enzymatischer Verdau durch Proteasen 2 Inkubation des Inhibitors mit dem Enzym 5 Einzelne Aminosäurekettenstücke 3 Durch Lichtstrahlung wird photoaffine Gruppe

aktiviert und baut kovalente Bindungen aus

6 MS-MS-Analytik

3.1.3.2 Photoaffine Gruppen

Photoaffine Gruppe müssen folgende Voraussetzungen erfüllen, um im Bereich des PAL eingesetzt zu werden: eine ausreichend hohe chemische Stabilität vor der Photoaktivierung, eine leichte Photolyse bei einer Wellenlänge, die das Protein nicht beschädigt, sowie eine hohe Reaktivität des gebildeten Zwischenprodukts mit den Aminosäuren des Proteins. Die entstandenen Produkte sollten zudem stabil und homogen sein, so dass sie gut isoliert, aufgereinigt und schließlich analysiert werden können.

Arylazide, Benzophenone und Diazirine stellen die am häufigsten eingesetzten photoaffinen Gruppen dar. Die photoaffinen Gruppen können entweder in die Moleküle eingebaut werden, so dass die Strukturen nur unwesentlich größer werden. Oder sie werden über einen Platzhalter (Spacer) verknüpft, welcher meistens aus einer Alkylkette besteht.

113 Abbildung 3.6 zeigt die Strukturen der photoaffinen Gruppen und die Wellenlänge, die für ihre Photoaktivierung benötigt wird [Sadakane & Hatanaka, 2006].

Abb. 3.6: Übersicht der Strukturen der photoaffinen Gruppen [Sadakane & Hatanaka, 2006].

Um die PAL-Methode für die Entwicklung der 5-Lipoxygenase-Inhibitoren einsetzen zu können, wurde zunächst eine Substanz synthetisiert, die eine photoaffine Gruppe enthält: 4.

Bei dieser Substanz ist die Benzophenon-Gruppe anstelle des rechten Phenylrings des C06-Grundgerüsts direkt in die Grundstruktur der Inhibitoren eingebaut. Die Synthese verlief wie in Kapitel 2.1.1.1 beschrieben mit p-Cyanobenzophenon. Abbildung 3.7 zeigt die Struktur von 4.

Abb. 3.7: Struktur von 4.

Die Klasse der Benzophenone zeichnet sich durch eine gut durchführbare Synthese aus, da die Substanzen bei lichtgeschützter Lagerung stabil sind. Arylazide und vor allem Diazirine müssen über mehrere Schritte vorsichtig (licht- und temperaturgeschützt) synthetisiert und anschließend kühl gelagert werden. Ein weiterer Vorteil ist ihre Anregungswellenlänge von 360 nm, so dass man mit einer üblichen UV-Lampe mit 366 nm anstrahlen konnte.

Außerdem sind die Substanzen mit einer Benzophenon-Gruppe in wässrigen Puffersystemen stabil. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn die Durchführung der PAL-Testung sollte unter denselben Bedingungen wie die der nicht-markierten Inhibitoren erfolgen.

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Sobald die Benzophenon-Gruppe durch Licht mit einer Wellenlänge von 360 nm aktiviert wird, bildet sie ein Biradikal, welches nach Aufnahme eines Wasserstoff-Atoms das α-C-Atom der nächstgelegenen Aminosäure angreift und eine kovalente Bindung aufbaut.

Abbildung 3.8 zeigt den Mechanismus [Photoprobe.com, 2011].

Abb. 3.8: Mechanismus des PAL-Prinzips mit einer Benzophenon-Gruppe [Photoprobe.com, 2011].

3.1.3.3 Anwendung des Photoaffinity Labeling

Die Benzophenon-markierte Substanz 4 wurde im nächsten Schritt im PAL-Testsystem eingesetzt. Es konnten jedoch noch keine belastbaren und reproduzierbaren Daten erhalten werden. Tabelle 3.15 zeigt die bisher durchgeführten Bedingungen.

Tab. 3.15: Bisher durchgeführte Bedingungen der PAL-Testsysteme.

Temperatur 4 °C, 20 °C, 37 °C Zeit 0,5 – 30 Min.

Lampe Labor-UV-Lampe (366 nm), UV-Laser (360 nm) Material Küvetten aus Quarz, Glas, Kunststoff

Konzentration 0,1 – 20 µM (IC50-Wert von 4: 0,45 µM)

Puffer, Reagenzien wässriger Puffer ± DMSO, ATP, Mg2+, EDTA, CaCl2

115 Verunreinigungen konnten durch die Aufreinigung mit einem ÄKTA-Gerät der Firma GE Healthcare (Buckinghamshire, UK) ausgeschlossen werden. Ebenso ist 4 unter den getesteten Bedingungen stabil genug: nach mehreren Bestrahlungen konnte per NMR festgestellt werden, dass sich die Struktur nicht verändert hatte.

Um festzustellen, ob die kovalente Bindung geknüpft wurde, suchten wir nach einer geeigneten Methode. Ein vorhandenes Fluorometer konnte uns nach längeren Versuchen nicht weiterhelfen. Schließlich setzten wir noch einen Schritt früher an: die Erzeugung des Biradikals. Das Vorhandensein einer Radikal-Struktur lässt sich mit Hilfe der EPR-Methode (electronic paramagnetic resonance) überprüfen, bei der ungepaarte Elektronen (Radikale, Übergangsmetallkomplexe, Sauerstoff) gemessen werden. Die hierbei gewonnenen Daten deuten allerdings darauf hin, dass keine Radikal-Struktur vorliegt und somit die photoaffine Gruppe unter den getesteten Bedingungen nicht aktiviert wurde.

3.1.3.4 Diskussion des Photoaffinity-Labeling

Auch wenn es uns bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht gelungen ist, Ergebnisse zu erzielen, die uns entscheidend hätten voran bringen können, so ist doch das Potential der PAL-Methode immens: vorausgesetzt, man findet die richtigen Bedingungen, um die kovalenten Bindungen zu knüpfen, ist das System mit entsprechend markierten Substanzen auch auf andere Enzyme übertragbar.

In der Literatur wurden einige erfolgreiche PAL-Experimente mit Benzophenon-markierten Substanzen beschrieben [Al-Mawsawi et al., 2006; MacDonald et al., 2001; Taylor et al., 1996] und der IC50-Wert von 4 mit 0,45 µM weist auf eine weiterhin sehr hohe Affinität und Inhibitionskraft hin, dennoch könnten die Probleme auch an der eingebauten photoaffinen Gruppe liegen. Eine mögliche Lösung könnte daher die Verbindung des Benzophenons über eine Alkylkette sein, so dass das konjugierte System dann unterbrochen ist. Denn ein großes konjugiertes System verhindert unter Umständen die Radikalbildung, indem es sie zum Beispiel durch Verlagerung mehrerer Doppelbindungen kompensiert. Auf der anderen Seite vergrößert eine solche Auslagerung der photoaffinen Gruppe den Inhibitor deutlich.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die PAL-Technik im Bereich der 5-Lipoxygenase-Inhibitoren erfolgreich einsetzen zu können. Das große Potential dieser Methode stellt aber genügend Anreiz für weitere Forschungen dar.