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6. STEIGERUNG DER STUDIUMSBETEILIGUNG

6.2. PERSONEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

Lässt sich die Zahl der Studierenden in Deutschland durch eine stärkere Förderung von SchulabsolventInnen mit Migrationshintergrund steigern? Laut der Daten des Mikrozensus aus dem Jahr 2005 hat etwa ein Fünftel der Bevölkerung in Deutsch-land einen Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt 2007b, S. 7). Die 18. So-zialerhebung von Studierenden kann erstmals Informationen über die Gruppe der Studierenden daraus liefern (Isserstedt/Link 2008). Bis dahin wurden nur Bildungsin-länder erfasst. Von allen Studierenden haben 8% einen Migrationshintergrund. 43%

davon sind Bildungsinländer. Bei 46% handelt es sich um Eingebürgerte und bei 11% um Studierende mit doppelter Staatsbürgerschaft. Während nur 13 % aller Stu-dierenden insgesamt einer niedrigen sozialen Schicht entstammen, sind es bei den Studierenden mit Migrationshintergrund 41%. Das Potential von Studierenden eines

benachteiligten sozioökonomischen Hintergrunds wird bei diesen Gruppen mehr als bei deutschen Studierenden ausgeschöpft.

Aber wie stellt sich die Situation bei der Übergangsquote dar, wie viele der Studien-berechtigten wählen tatsächlich ein Studium? Eine konkrete Zahl zu Studienberech-tigten einzelner Jahrgänge wurde bisher allerdings nicht durchgeführt. Bislang gibt es nur eine Sonderauswertung, bei denen der Migrationshintergrund detailliert ausge-wertet wurde. Diese Auswertung des Statistischen Bundesamtes beruht auf dem Mikrozensus des Jahres 2005. Hieraus kann entnommen werden, wie viel Prozent einer bestimmten Altersklasse eine Fachhochschul- und allgemeine Hochschulreife erreicht haben. Dabei werden die Alterklassen ‚unter 25 Jahren’ und ‚zwischen 25 und 35 Jahren’ unterschieden. Da sich bei der jüngeren Altersklasse noch viele in der Ausbildung befinden und die Prozentzahl der Studienberechtigten in allen Grup-pen noch sehr niedrig ist, scheint die Zahl der 25-35jährigen aussagekräftiger zu sein. Männer ohne Migrationshintergrund haben zu 39,1% eine Studienberechtigung, Frauen zu 40,5%. Bei Personen mit Migrationshintergund sind es 31,7% der Männer und 31,8% der Frauen.

Eine Kombination der beiden Datenquellen der Sozialerhebung von Studierenden und der Sonderauswertung des Mikrozensus ist nur bedingt möglich, da der Migrati-onshintergrund unterschiedlich definiert wurde. So ergibt sich ein ganz anderes Bild bei den Studienberechtigten im Vergleich zu den Studierenden, da 22,1% der 25-35jährigen mit Studienberechtigung einen Migrationshintergrund haben, aber ganze 8% der Studierenden. Wenn nur Eingebürgerte und Ausländer mit Studienberechti-gung betrachtet werden, so haben der Mikrozensus-Auswertung zufolge 15,7% der Studienberechtigten zwischen 25 und 35 Jahren einen Migrationshintergrund. Diese Zahlen sind jedoch nur als grober Anhaltspunkt zu sehen, da die Daten durch

Selbstauskunft erhoben werden.

Die zur Verfügung stehenden Informationen zum höchsten Bildungsabschluss zeigen also vor allem, dass die Daten mit Vorsicht zu interpretieren sind. Bisherige Analysen zu Absolventenzahlen ausländischer Studierenden ergaben weiter bislang stets, dass diese Gruppe häufiger das Studium abbricht. Dies muss zwar nicht unbedingt auch auf Studierende mit Migrationshintergrund zutreffen, dennoch scheinen die Zahlen der Mikrozensus-Auswertung unwahrscheinlich hoch. Ein Beleg dafür ist auch der kürzlich veröffentlichte ‚1. Integrationsbericht’ aus NRW. Ein knappes Vier-tel der Bevölkerung sind Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte, leicht höher ist der Anteil dieser Gruppe an den SchülerInnen. Aus der dortigen Schulstatistik er-gibt sich weiter, dass SchülerInnen mit Zuwanderungsgeschichte nur noch etwa zu 13% an den Gymnasien vertreten sind, wobei die Gruppe der Ausländer/Aussiedler sogar nur 5,7% der dortigen Population stellt (Ministerium für Generationen - Famili-en - FrauFamili-en und Integration des Landes Nordrhein-WestfalFamili-en 2008, S. 27, 150). Die Hürde könnte deshalb viel stärker im Zugang zur Hochschulberechtigung zu liegen denn in der Aufnahme eines Studiums nach erfolgreichem Schulabschluss - aber als wirklich sicher kann eine solche Aussage nicht gewertet werden.

6.3. Beteiligungssteigerung durch Personen mit

Hochschulzugangsbe-rechtigung: SchulabgängerInnen aus Regionen ohne Hochschulen

Dass Studierende wenig mobil sind und gerne in der Nähe studieren ist seit langem bekannt. Wenig untersucht ist allerdings die Frage, ob das Fehlen eines nahen Stu-dienangebots dann zur Bildungsmigration führt oder ob stattdessen eher gar nicht

studiert wird. Die vorne dargestellte sehr unterschiedliche Situation in den Bundes-ländern legt einen solchen Anfangsverdacht nahe. Zur Überprüfung wurde eine eige-ne Auszählung mit regional differenzierten Daten von StudentIneige-nen durchgeführt.

Hierzu wurde auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte das Angebot an dort vorhanden Studienplätzen im WS 2004/2005 ermittelt, sowie der Anteil der Personen mit Hochschulzugangsberechtigung in den jeweiligen Kreisen/Städten, die in

Deutschland insgesamt studieren. Bezugsbasis waren die AbiturientInnen der Jahre 2000 – 2005. Leider liegen keine regional ähnlich tief gestaffelten Angaben für Per-sonen mit Fachhochschulreife vor, so dass eine gewisse Unschärfe in der Sicherheit der Aussage verbleibt. Allerdings ist nicht nur die Anzahl der Personen mit Fach-hochschulreife erheblich geringer als die mit allgemeiner Hochschulreife, sondern auch deren Studierneigung (Wissenschaftsrat 2004, S. 17).

Um sehr kleinen und in der Regel dann auch hoch spezialisierten Einrichtungen wie z.B. Hochschulen für Kirchmusik nicht einen zu großen Einfluss zuzusprechen, wur-de als Unterscheidungskriterium wur-definiert, ob in einem Kreis, einer Stadt wenigstens 1.000 Studierende eingeschrieben sind. Die Mehrzahl der Regionen in Deutschland hat nach diesem Kriterium (gar oder fast) keine Studienplätze: die Relation ist 277 ohne und 158 mit Hochschule(n).

Schaubild: Wahrscheinlichkeit der Studienaufnahme nach regionaler Herkunft

0 20 40 60 80 100 120

Studierende zu AbiturientInnen

Gebiete ohne Hochschulen Durchschnitt

Gebiete mit Hochschulen

Verglichen mit einem auf 100 gesetzten Durchschnitt, erreichen Personen mit einer Hochschulzugangsberechtigung, die in einer Region ohne Hochschule erworben wurde, eine relative Studierquote von 89%, Personen aus Regionen mit Hochschulen dagegen von 108%. Der Faktor ist also gut 1:1,2 (s. obenstehendes Schaubild). Er dürfte jedoch mit einer solchen Berechnung unterschätzt werden, da hier nur nach dem Studienangebot direkt im Kreis bzw. in der Stadt unterschieden wurde. Es ist wegen der Komplexität des dazu nötigen Ansatzes im Rahmen dieses Gutachtens nicht möglich, auch das Angebot in der Nachbarschaft mit ein zu beziehen. Die Ver-mutung ist aber, dass sich dann der Einfluss der Region auf die Studierbereitschaft als noch stärker heraus stellen würde. Denn eine multivariate Rechnung mit den Da-ten ergab als ersDa-ten Anhaltspunkt, dass unter mehreren regionalen Größen wie BIP/-Kopf, Arbeitslosigkeit, Ausbildungsplatzdichte etc. das regionale Angebot an Stu-dienplätzen die eindeutig stärkste Wirkung auf die Höhe der regionalen Studiums-aufnahme hatte (Grözinger 2008).

Die Eliminierung dieser ‚regionalen Diskriminierung’ spricht für die Errichtung neuer Hochschulangebote in Regionen, die bisher relativ weit von ausreichenden Studien-geboten entfernt waren. Dass damit die Steigerung der Studienbeteiligung signifikant beeinflusst werden könnte, gilt natürlich nur, wenn der Mangel tatsächlich als gravie-rend einzuschätzen wäre, also genügend Studierberechtigte in diesen unterversorg-ten Gebieunterversorg-ten lebunterversorg-ten. Das kann aber als sicher gelunterversorg-ten. Aus den Regionen ohne Hoch-schulen in der oben dargestellten Abgrenzung kommen immerhin 43% aller Abitu-rientInnen.

Die Pläne der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, vier neue Fachhochschu-len und an bestehenden FHs zusätzlich fünf ZweigstelFachhochschu-len einzurichten, sind deshalb durchaus ein Schritt in die richtige Richtung (Forschung & Lehre 6/2008, S. 366).

Andere Länder jenseits Deutschlands haben noch weitergehende Vorstellungen. So will die britische Regierung in den nächsten sechs Jahren 20 neue Universitäten ein-richten, um den Anteil der Studierenden an einem Altersjahrgang von 43 auf 50%

anzuheben (Forschung & Lehre 4/2008, S. 214).

Alternativ wäre statt des Aufbaus neuer Hochschulen (bzw. neuer Tochtereinrichtun-gen bestehender Hochschulen an anderen Standorten) auch an eine Subvention für die Bereitschaft zur Bildungsmigration zu denken. Hochschulen in den Neuen Bun-desländern sind z.B. weniger ausgelastet, was sich wegen des dort noch stärker als im Westen bemerkbar machenden demografischen Wandels fortsetzen dürfte (Gabriel/von Stuckrad 2007). Eine Prämie für Erstsemester, sich an einer von ihrem Heimatort weiter entfernt liegenden Hochschule mit freien Kapazitäten zu immatriku-lieren, könnte deshalb durchaus effizient sein. Eine Schätzung damit verbundener Kosten, um Studier- und Mobilitätsneigung gleichzeitig und signifikant zu erhöhen kann mangels dafür nötiger Informationen aber nicht geleistet werden.

6.4. Beteiligungssteigerung durch Personen mit Hochschulzugangsbe-rechtigung: Frauen

Eine Gruppe scheint nicht weiterer Förderung zu bedürfen, um ihre Partizipation zu steigern: die jungen Frauen. So heißt es etwas im neuen Bildungsbericht: „Mädchen werden im Durchschnitt früher eingeschult, haben bessere Leistungen in den

Schlüsselkompetenzen ‚Lesen’, bleiben seltener ohne Schulabschluss, bewältigen erfolgreicher und schneller den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung, absolvieren eine Ausbildung eher im anspruchsvolleren Segment der Berufsgruppen, erwerben deutlich häufiger die Hochschulreife, brechen ein Studium seltener ab, bil-den die Mehrheit der Hochschulabsolventen und nutzen als Berufstätige die Angebo-te der WeiAngebo-terbildung inAngebo-tensiver.“ (Arbeitsgruppe BildungsberichAngebo-terstattung 2008, S.11).

Richtig daran ist, dass junge Frauen häufiger als junge Männer eine Hochschulzu-gangsberechtigung erwerben (und wenn es um diese Dimension der Bildungsbeteili-gung im Sekundärbereich geht, ist bei Steigerungsbemühungen sicher eher bei den Jungs als bei den Mädchen anzusetzen), aber dann geschieht etwas häufig Überse-henes: sie nehmen relativ sehr viel weniger ein Studium auf. Aufgrund von Befra-gungen nach dem Abitur ermittelt das HIS, dass - soziale Herkunft, Notendurch-schnitt etc. gegeben - Männer eine etwa anderthalb mal so hohe Wahrscheinlichkeit wie Frauen aufweisen, zu studieren (Heine/Spangenberg et al. 2006, S. 28).

Schaubild: Wahrscheinlichkeit der Studienaufnahme nach Geschlecht

0 20 40 60 80 100 120

Studierende zu AbiturientInnen

Frauen Durchschnitt Männer

Dieser auf Umfragedaten beruhende Verdacht lässt sich durch eine eigene Auszäh-lung mit dem oben erwähnten Datensatz mit regional differenzierten Angaben von Studierenden erhärten. Das Ergebnis ist, dass – wieder verglichen mit einem auf 100 gesetzten Durchschnitt – Frauen 84% erreichen und Männer 120%. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern nimmt tatsächlich etwa den Faktor 1:1,5 an (s. oben-stehendes Schaubild). Mit welchen Mitteln allerdings eine Steigerung der Studierquo-te junger Frauen erreicht werden könnStudierquo-te und welche KosStudierquo-ten damit eventuell verbun-den wären, liegt außerhalb des Rahmens dieses Gutachtens.

Tabelle: Anteil der Absolventinnen nach Fächergruppen in Prozent

Insgesamt Med./Sozi ales

Bio-, Na-tur-, Ag-rarwiss.

Math./Inf. Geist./

Erz.

Soz./Jur./

Wirtsch.

Ing., Fer-tigung,

Bau

Deutsch-land 48,8 62,2 46,0 25,7 69,1 47,9 22,4

OECD-Mittel 57,4 72,0 51,1 29,2 71,7 55,4 25,0

Differenz 8,6 9,8 5,1 3,5 2,6 7,5 2,6

Jedoch soll abschließend darauf hingewiesen werden, dass der Anteil der Frauen in Deutschland wie auch im internationalen Vergleich nach Fächern sehr unterschied-lich ausfällt. Bei den Absolventinnen im Tertiärbereich A liegt Deutschland im Schnitt um fast neun Prozentpunkte unter dem Mittel der OECD-Länder (s. obenstehende Tabelle). Aber der Unterschied lässt sich weniger durch eine überhohe Minderbeteili-gung in den vermutlich von vielen als besonders kritisch angesehenen Fachgruppen

‚Bio-, Natur- und Agrarwissenschaften’‚ Mathematik/Informatik’ und ‚Ingenieurwesen, Fertigung und Bauwesen’ erklären. Sondern er ist zumindest auf der absoluten Ebe-ne oft noch stärker, wo Frauen bereits relativ gut vertreten sind (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2006, S. 39).

6.5. Der Kombinierte Einfluss: Weibliche Studienberechtigte aus Regi-onen ohne Hochschulen

Schließlich kann noch gefragt werden, ob der Aufbau neuer hochschulischer Einrich-tungen in bisher hier nur schwach oder gar nicht versorgten Gebieten eine

ge-schlechtsspezifische Wirkung zu entfalten vermöchte. Frauen und Männer wählen immer noch recht unterschiedliche Fächer und auch ihre Bereitschaft zur Bildungs-migration muss nicht identisch sein. Über letztere lagen bisher nur wenige Informati-onen vor. Alleine der grobe Indikator einer Wanderung über die Bundeslandesgrenze war bekannt und hier stellten sich Frauen als etwas mobiler dar

(Kultusministerkonferenz 2002, S. 19).

Der eigene regional tiefgegliederte Datensatz enthält auch eine Unterscheidung nach dem Geschlecht. Und bei seiner Auswertung findet sich kein Unterschied mehr be-züglich der Wahrscheinlichkeit einer Studienaufnahme in Abhängigkeit von regiona-len Einflüssen. Der relative Anteil von AbiturientInnen aus Regionen ohne Hochschu-len ist bei Frauen genau gleich hoch wie bei Männern. Und getrennte multivariate Analysen nach der Wahrscheinlichkeit einer Studienaufnahme ergeben fast identi-sche Werte des Einflusses eines regionalen dichten Studienangebotes.

Einen guten ersten Eindruck von der Gleichartigkeit liefert das untenstehende Er-gebnis einer Regressionsberechnung, die mit Hilfe von nur zwei Variablen die Zahl der Studierenden eines Kreises bzw. einer Stadt erklären will: von der Anzahl der AbiturientInnen daraus und von dem Angebot an besetzten Studienplätzen in der Herkunftsregion. Beide Variablen sind hochsignifikant (** bedeuten eine 1%-Irrtums-wahrscheinlichkeit). Das regionale Studienangebot wurde bei der Auszählung nach Geschlechtern (zweite und dritte Spalte) dabei jeweils nur durch die jeweilige Anzahl an studierenden Männern oder Frauen gebildet, um unterschiedliche Fächervorlie-ben mit zu berücksichtigen. Trotzdem lässt sich keine Differenz feststellen: das regi-onale Angebot ist bedeutend, aber es ist dies in für beide Geschlechter identischer Weise.

Tabelle: Erklärung der Zahl der StudentInnen aus einem Kreis/einer Stadt

Alle Studierende Frauen Männer

Konstante 285** 85** 197**

AbiturientInnen 0,776** 0,779** 0,778**

Studienangebot in der Region

0,249** 0,248** 0,245**

N 433 433 433

Zwar ist nicht auszuschließen, dass vertiefende Analysen, die auch die verschiede-nen Fächerwahlen im Einzelverschiede-nen untersuchen, einmal gewisse Unterschiede bei den Geschlechtern zu entdecken vermögen. Für eine politikrelevante Einschätzung dürfte dann solche eventuellen, aber dann sicher relativ geringen Differenzen jedoch keine Rolle spielen. Das bedeutet aber auch, dass das Problem des Verlustes junger

Frauen im Übergang vom Erreichen der Hochschulreife zur Hochschule nicht ‚en passant’ durch ein regional breiteres Angebot mit gelöst werden kann.

7. Zusammenfassung und Bewertung

Deutschlands Hochschulen sind im internationalen Vergleich seit langem erheblich unterfinanziert und für die Bedürfnisse modernen Wissensökonomien unterdimensio-niert. Zusammen mit dem zu erwartenden Ansturm geburtenstarker Jahrgänge in den nächsten Jahren bedeutet eine angemessene Ausstattung und Erweiterung auf wenigstens das Durchschnittsniveau entwickelter Länder eine milliardenschwere Herausforderung. Der Durchschnitt mehrerer Kalkulationen verschiedener Varianten ergab: nötig wäre eine Steigerung der Hochschuletats in den nächsten Jahren über jeweils ca. 7 Mrd. €, wobei die Bandbreite zwischen ca. 4 und 11 Mrd. € liegt. Die Summe wird geringer ausfallen, wenn SchulabgängerInnen durch die bisherigen schwierigen Bedingungen nachhaltig verschreckt wurden, also auch in Zukunft kein Studium aufnehmen werden, und auch die Studienbedingungen viele Abbrecher pro-duziert, sie könnte sich aber durchaus auch in Richtung oberer Rand bewegen, näm-lich wenn eine bessere Ausstattung - wie in anderen Ländern - einen zusätznäm-lichen Nachfragsog erzeugt.

Natürlich sind damit erhebliche Summen benannt und es stellt sich auch die Frage, wie rasch zusätzliche Mittel ausgegeben werden können. Aber hier handelt es sich sowohl um den Ausgleich von Defiziten bei Personal- wie bei Sach- und Investiti-onsmitteln, was eine zeitnahe Verausgabung deshalb durchaus ermöglicht. Vor allem aber wurden in den letzten Jahren viel zu wenig Personen für Lehre und Forschung eingestellt, so dass ein gewisser Überhang Hochqualifizierter auf dem Arbeitsmarkt durchaus vorhanden ist, auf den in kurzer Frist zurück gegriffen werden kann.

Ein Umsteuern in der Hochschulpolitik würde sich makroökonomisch durchaus loh-nen (oder umgekehrt ein weiteres Ignorieren entsprechend verstärkte Schleifspuren im Wirtschaftswachstum mit sich bringen). Es gilt die vielfach bestätigte bildungs-ökonomische Beobachtung, dass nicht nur die individuellen sondern auch die staatli-chen Ertragsraten den Realzins übersteigen (OECD 2007, Tabellen A9.6, A9.8). „Die Wachstumswirkungen von Ausbildungsinvestitionen sind folglich unbestritten… Setzt man für die tertiäre Ausbildung einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren an, so liegt der durchschnittliche makroökonomische Outputzuwachs etwa doppelt so hoch wie die mikroökonomisch zurechnende private Bildungsrendite einer solchen Ausbildung“

(Klös/Plünnnecke 2003, S. 21). Wenn auch mit Zeitverzögerung, profitieren nicht nur Individuen, sondern die Gesellschaft insgesamt von einer angemessen ausgestatte-ten Hochschullandschaft aufgrund dadurch entstehender höherer Einkommen und damit verbundener Zunahme an Steuereinnahmen. Aufstiegsoptionen durch Bil-dungsmöglichkeiten zu eröffnen bringt dazu eine Reihe weiterer positiver Zusatzwir-kungen mit sich, wie Verbesserung der Gesundheit, Verringerung von Kriminalität, Abbaus von Einkommensungleichheit (Wössmann 2007).

Neben der ökonomisch gut begründeten Notwendigkeit des Mobilisierens zusätzli-cher materieller Ressourcen sollte schließlich auch auf die Nachhaltigkeit politiszusätzli-cher Maßnahmen geachtet werden. Die bisherige Fehlallokation in Deutschland kann vor allem als Ergebnis eines Föderalismusversagens interpretiert werden. Studierende und ausgebildete AkademikerInnen werden von der Politik als prinzipiell mobil wahr-genommen, was für die (hauptsächlich finanziell verantwortlichen) Länder es attraktiv macht, in der Hoffnung auf ein Tätigwerden ihrer Nachbarn sich selbst nicht

ausrei-chend zu engagieren, was in der Summe zu geringen Ausgaben führt. Einer der Au-toren dieses Gutachtens hat frühzeitig davor gewarnt und Gegenvorschläge dazu gemacht, die einen Hochschulfinanzausgleich der Bundesländer nach Schweizer Vorbild und den Bund als Finanzverantwortlichen für Bildungsausländer vorsahen (Grözinger 1998; Grözinger 2004). Mittlerweile hat sich diese Einsicht verbreitet und finden sich etwa genauso in Publikationen des Wissenschaftsrat (Wissenschaftsrat 2006, S. 42, 53, 91) oder der deutschen Wirtschaft (BDA/BDI et al. 2008, S. 11). Die-ser sich formierende Konsens gilt es zu nutzen.

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