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5 DISKUSSION

5.3 Patientenabhängige Faktoren

Zu den Patienten-spezifischen Einflussfaktoren zählen die Mitarbeit des Patienten, der Ernährungszustand der Probanden, vorhandene Vorerkrankungen, die individuellen Möglichkeiten der Stressbewältigung und epidemiologische Daten.

Bezüglich der Patientenmitarbeit ergaben sich keine Komplikationen. Die Probanden erhielten die entsprechenden Nahrungstüten unter Aufsicht des Pflegepersonals einen Tag vor der Operation und über eine nasogastrale Sonde für mindestens 5 Tage postoperativ. Zum Thema Ernährungszustand veröffentlichten Tannock et al.

1974 eine Studie an Mäusen [174]. Im Vergleich zur Kontroll-Gruppe sank die Konzentration der verschiedenen Lactobacillen im GIT dramatisch in der Mäusepopulation, welche für 48 Stunden nicht ruhen durften und weder Nahrung noch Wasser erhalten hatten. Dies wurde auf eine hormonelle Imbalance, eine kompetitive Adhäsion der LAB und auf Eigenschaften des Wirts, wie die individuelle Antikörperproduktion, zurückgeführt.

Ein weiterer Faktor, welcher die Darmflora in Ihrer Zusammensetzung verändert und so eine nicht konkret abschätzbare Fehlerquelle darstellt, ist der Einfluss von negativem Stress. Zu den wichtigsten Botenstoffen, welche im Rahmen von psychischen und physischem Stress endogen freigesetzt werden, zählen Katecholamine und Glukokortikoide. Es ist davon auszugehen, dass Patienten vor einer großen Operation psychischem Stress ausgesetzt sind. Bereits 1974 wiesen Tanndock et al. nach, dass Stress die Konzentration der Milchsäurebakterien im Darm reduziert und die Konzentration koliformer Bakterien steigert [174]. Söderholm et al. erläuterten in ihrer Arbeit von 2001 die neurohormonelle Kontrolle der gastrointestinalen Barriere mit ihren physikalischen, enzymatischen und immunologischen Schutzmechanismen und der daraus resultierenden Abhängigkeit der Barrierefunktion von psychologischen und physiologischen Faktoren [163].

Ein psychologischer Aspekt wird u.a. bei der Nahrungsmittelallergie und bei chronischen Magendarmerkrankungen wie dem Morbus Crohn angenommen. Die meisten Studien wurden hierzu an Tiermodellen vorgenommen. Saunders et al.

beispielsweise konnten nachweisen, dass unter „restraint stress“ und „cold restraint stress“ die Permeabilität für große Moleküle im Jejunum trotz mikroskopisch intakter Mukosa zunahm. Da sich diese „Dysfunktion“ unter Gabe von Atropin weitgehend verhindern ließ, scheinen cholinerge Transmitter eine modulierende Funktion auf die Darmmukosa auszuüben. Eine abnorme parazelluläre Permeabilitätssteigerung wurde von Swain et al. nach „restraint stress“ und „swimmung stress“ in vivo nachgewiesen. Dieser Barrieredefekt konnte durch Antagonisierung der Adrenalin- und Glucokortikoidrezeptoren aufgehoben werden.

Insbesondere Glukokortikoide, welche innerhalb weniger Minuten nach einem Trauma ausgeschüttet werden, beeinflussen das Immunsystem, indem sie die Freisetzung von pro-inflammatorischen und anti-inflammatorischen Mediatoren stimulieren oder supprimieren. Die Produktion von IL-12 wird beispielsweise durch Glukokortikoide gehemmt und die von IL-10 gefördert. Auf der anderen Seite werden

Rezeptoren von pro-inflammatorischen Zytokinen und Chemokinen durch Glukokortikoide stimuliert. Aufgrund der kontinuierlichen Hemmung der Arachidonsäuremetaboliten, der freien Sauerstoffradikale und Stickstoffoxid zählen Glukokortikoide auch zu den potentesten anti-inflammatorischen Verbindungen [54].

Grzelak et al. konnten in diesem Rahmen keine signifikante Steigerung der IL-10 und INF-γ Konzentration nach kleineren operativen Eingriffen feststellen, so dass das Ausmaß der bevorstehenden Operation von Bedeutung zu sein scheint [62].

Um die Assoziation zwischen Immunsystem und zentralem Nervensystem zu verdeutlichen, ist zu erwähnen, dass beide Systeme entwicklungsgeschichtlich zusammenhängen. Gliazellen sind mit Makrophagen embryonal verwandt und produzieren wie diese unter bestimmten Konditionen verschiedenste Zytokine. Des weiteren stehen die immunregulatorischen Organe, wie Peyer Plaques, LK, Thymus oder Milz mit dem Parasympathikus und Sympathikus anatomisch in Verbindung.

Die an dieser Studie teilnehmenden Patienten befinden sich in einer individuell stark empfundenen Stresssituation. Es ist davon auszugehen, dass u.a. durch die Aktivierung des Hypothalamus-Hypophysen-Systems, Stresshormone wie Adrenalin und Glukokortikoide vermehrt im Blut zirkulierten und so das Immunsystem beeinflussen.

In Betrachtung unserer Ergebnisse wird deutlich, dass die IL-12-Konzentration am ersten postoperativen Tag in beiden Gruppen deutlich sinkt ohne das Signifikanzniveau von p < 0,05 zu erreichen. Dies könnte u.a. auf eine steigende Glukokortikoidkonzentration zurückzuführen sein, wobei insbesondere die IL-12-Supprimierung zu einer massiven Inhibition der TH1-Immunantwort führt. Dies kann in einem ineffektiven Schutz gegenüber intrazellulären und opportunistischen Infektionen münden und verhindert gleichzeitig eine überschießende Immunantwort.

Die IL-10-Konzentration steigt im Gegensatz zur IL-12-Konzentration in beiden Gruppen deutlich an. Unabhängig von Makrophagen oder dendritischen Zellen stimulieren Glukokortikoide die Differenzierung der T-Zellen zu TH2-Zellen und führen zu einer vermehrten Freisetzung von IL-10 aus naiven T-Zellen und Gedächnis-T-Zellen. IL-10 wiederum stimuliert die TH2-Zellen im Sinne eines positiven feedbacks, was für die IL-10-Konzentrationssteigerung verantwortlich sein kann.

Ein weiteres Stresshormon ist Adrenalin, welches u.a. im Rahmen von Angst, Wut, Sauerstoffmangel und Schmerz vermehrt aus der Nebenniere ausgeschüttet wird.

Selbst bei anästhesierten Tieren verursachte die Reizung des N. ischiadicus eine deutliche Steigerung der Adrenalinkonzentration im venösem Vollblut [31]. Es ist davon auszugehen, dass Patienten unserer Studie trotz adäquater Anästhesie und Analgesie eine erhöhte Adrenalinkonzentration im Blut aufweisen.

Da Lymphozyten und Monozyten β-adrenerge Rezeptoren mit hoher Affinität exprimieren, beeinflusst eine steigende Katecholaminkonzentration das Immunsystem. Es wurde in vivo beobachtet, dass Katecholamine die Konzentration der Lymphozyten, insbesondere der CD8-positiven T-Zellen und der NK-Zellen, erhöht. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Katecholamine die Bindung von Lymphozyten an Endothelzellen hemmen und so die Migration verhindern [33].

Glukokortikoide und Adrenalin zirkulieren zudem aufgrund der starken physischen Belastung infolge der malignen bzw. chronischen Erkrankung vermehrt im Blut.

Physischer Stress kann z.B. durch lokale Entzündungsreaktionen, Blutverluste, Medikamente, Gewebsverletzungen, Blutdruck- und Temperaturveränderungen ausgelöst werden.

Interessant ist, dass zum Beispiel Angst ähnlich prozentuale Verschiebungen bezüglich der Konzentration und Aktivität von NK-Zellen, CD8- und CD4-positiver T-Zellen macht, wie Entzündungsreaktionen. Dies konnten Breznitz et al. in einer experimentellen Untersuchung von 1998 belegen. Allein die Ankündigung eines zwar nicht lebensbedrohlichen aber sehr schmerzhaften Elektroschocks führte bei gesunden Probanden zu einem Anstieg des prozentualen NK-Zellanteils, einer Reduktion des prozentualen Anteils der CD4-positiven T-Zellen und einem Anstieg der CD8-positiven T-Zellen [28]. Bemerkenswert ist, dass die Verschiebungen innerhalb von wenigen Minuten eintraten und wenige Minuten nach Ankündigung, dass die Untersuchung nun vorbei sein würde, wieder ihren Ursprungswert erreichten. Diese möglichen Veränderungen sind in unserer Studie nicht zu erfassen, da unsere Messzeitpunkte zu weit auseinander liegen.

Bezüglich der epidemiologischen Daten ist zu vermuten, dass z.B. das Geschlecht mit einem veränderten Immunstatus einhergeht. Diese Vermutung konnte in der Studie von Mazari et al. widerlegt werden [112]. Allerdings bestätigte die Untersuchung, dass die Ernährung und das Alter v.a. die Konzentrationen von Subpopulationen der T-Lymphozyten beeinflussen.

Zusammenfassend ist es schwierig, den Einfluss von psychischen und physischen Stressfaktoren auf das Immunsystem in Zahlen auszudrücken. Anhand des in dieser Studie gewählten Studiendesigns wurden mögliche Einflussfaktoren gleich verteilt.