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4.6 Oxidativer Burst und Phagozytose – die nicht adaptive Immunabwehr der

Die Funktion der neutrophilen Granulozyten lässt sich im Ablauf der Infektionsabwehr in folgende Schritte einteilen: Adhäsion am Endothel, chemotaktische Migration, Phagozytose, Bereitstellung abbauender Enzyme sowie reaktiver Sauerstoff-Verbindungen (reactive oxygen species, ROS) und Abtöten von in den Körper eingedrungenen Erregern107.

Der Prozess der Phagozytose beinhaltet folgende Schritte:

1. Erkennen und Anhaften der Phagozyten am jeweiligen Mikroorganismus, 2. Aufnahme in eine Vakuole (Phagozytose) sowie

3. Abtöten und Abbau der phagozytierten Substanz.

Die Adhäsion der Leukozyten an den Endothelzellen gelingt erst durch die Expression der Adhäsionsmoleküle auf der Zelloberfläche, die durch bakterielles Antigen, wie Lipopolysaccha-ride, oder durch Zytokine, wie IL-1α, IL-1β oder TNF-α, angeregt werden108, 109. Das Erkennen der mikrobiellen molekularen Muster auf den Zelloberflächen der Erreger geschieht durch EPRR (endocytic pattern-recognition receptors), die für den gegebenen Zelltyp, z. B. Makrophagen, spezifisch sind, oder über Toll-like-Rezeptoren (TLR)110. Werden durch die EPRR bakterielle Antigenmuster erkannt, folgt die Endozytose und Aufnahme der Bakterien in die Lysosomen.

Die resultierenden Proteinreste werden prozessiert und mittels MHC-Molekülen an der Oberfläche des Makrophagen an T-Zellen präsentiert. Die TLR lösen über einen anderen Mecha-nismus die Immunantwort auf die Erkennung der pathogenen Antigene aus. Die Aktivierung von TLR-4 durch Lipopolysaccharide stimuliert die Expression von proinflammatorischen Zytokinen und weiteren kostimulatorischen Molekülen, die für die Immunantwort essenziell sind.

Wie in unseren Versuchen gezeigt, kommt es durch eine Erhöhung der Osmolarität sowie unter hyperglykämischen Bedingungen zu einer vermehrten Zytokinfreisetzung. Unter hyperglykämischen Konditionen sowie bei inadäquat eingestelltem Diabetes mellitus scheint es auch zu Veränderungen der phagozytotischen Aktivität zu kommen. Klinische Studien zeigen eine direkte Korrelation zwischen der diabetologischen Einstellung und der phagozytotischen Aktivität von polymorphonukleären (PMN) Zellen. Erhöhte Blutzuckerwerte von schlecht eingestellten Diabetikern gehen mit einer deutlich eingeschränkten phagozytotischen Aktivität einher111. Diese Ergebnisse werden in diversen Tiermodellen bestätigt. In der bereits erwähnten Studie an einem Hasenmodell50, die sich in einer iatrogenen diabetischen Stoffwechsellage befanden und eine 30%ige Körperoberflächenverbrennung aufwiesen, erfolgte eine Randomisierung in zwei Gruppen: in eine mit Insulinbehandlung zur Erhaltung der Euglykämie und eine ohne Insulintherapie mit hyperglykämischer Stoffwechsellage als Vergleichsgruppe.

Nicht nur die Zytokinsynthese wurde hier untersucht, sondern auch Teile des angeborenen Immunsystems. In der normoglykämischen Gruppe verbesserte sich die phagozytotische Aktivität um 150 %. Der oxidative Burst verdoppelte sich. Nielson und Hindson61 konnten in ihren in vitro Untersuchungen eine Abnahme der PMN-Funktion gesunder Probanden bereits nach einer 30-minütigen Inkubations in einem Glukosemedium größer als 200 mg/dl (= 11 mmol/l und 56 mmol/l) nachweisen. Hierbei war die Wahl des Stimulus ohne Auswirkungen auf die phagozytotische Aktivität. Die Wahl des Mediums jedoch, unabhängig ob L- oder D-Glukose, spielte keine Rolle, da beide gleichwertige Ergebnisse erzielten. Nur die Zugabe von Mannitol zu den Proben konnte keine Veränderungen der phagozytotischen

Aktivität herbeiführen. Auch hier wurde, wie in der Studie von Marhoeffer111, als mögliche Ursache eine Glykolisierung der Proteine aufgrund der hyperglykämischen Bedingungen gesehen. Liberek et al.63 wiesen jedoch auch durch die Modifikation der Osmolarität mit anderen Substanzen als Glukose einen erheblichen Effekt auf Änderungen der phagozytotischen Aktivität nach.

Dementsprechend verdeutlichen weitere Studien49, 112, 113, dass nicht nur die Hyperglykämie an sich, sondern auch die Veränderungen der Osmolarität einen Einfluss auf die PMN-Funktion ausüben.

Unsere Daten zeigten unter hyperglykämischen Bedingungen bei der Addition von 500 mg/dl Glukose entsprechend einer Osmolarität von 309 mOsmol/l eine statistisch signifikante Abnahme der phagozytotischen Aktivität. Dieser Effekt konnte ebenfalls durch Beimischung von 500 mg/dl Mannitol entsprechend derselben Osmolarität von 309 mOsmol/l erzielt werden.

Hervorzuheben ist, dass es bei der Zugabe von Glukose einen deutlichen Trend zu einer stärkeren Depression der phagozytotischen Aktivität gab. Die Untersuchungen des oxidativen Bursts ergaben ähnliche Ergebnisse. Durch Zusatz von 500 mg/dl Glukose (= 309 mOsmol/l) konnte ein statistisch signifikanter Abfall des oxidativen Bursts nachgewiesen werden, sowohl unter dem primären Stimulus PMA als auch nach der Inkubation mit E. coli. Die Zugabe von 500 mg/dl Mannitol (309 mOsmol/l) ergab erneut eine Reduktion des oxidativen Bursts, wiederum geringer als bei der isolierten Beimischung von Glukose.

Zusammenfassend lässt sich aus unseren Daten schließen, dass analog zu unseren Beobach-tungen der Zytokinproduktion die Einschränkung der Phagozytose sowie des oxidativen Bursts einerseits durch eine Erhöhung der Osmolarität bedingt wird, andererseits zu einem geringeren Anteil jedoch direkt durch die Glukoseaddition vermittelt ist. Diese Effekte scheinen zum größeren Teil durch Osmolaritätsveränderungen zustande zu kommen und zu einem geringen Teil aus glukosespezifischen Mechanismen zu resultieren.

Die Abnahme der phagozytotischen Aktivität sowie des oxidativen Bursts kann unterschiedliche Ursachen haben. Beispielweise können die intrazelluläre Destruktion und die Phagozytose partiell zumindest durch die Formation von Sauerstoffverbindungen und Radikalen (reactive oxygen species = ROS) gekennzeichnet sein. Hyperglykämische Stoffwechsellagen wurden in mehreren Studien mit einer Veränderung der ROS-Formation in Verbindung gebracht 114-116. Alexiewicz et al.117 zeigten eine Korrelation zwischen der intrazellulären Kalziumkonzentration mit der Ausprägung der Hyperglykämie und konsekutiven Folgen für die Phagozytoseaktivität.

Proteinkinase C einhergeht und somit aufgrund des akuten intrazellulären Kalziumanstiegs zu einer Depletion von Adenosintriphosphat führt, der für die Konformationsänderung der Zelle während der Phagozytose nötig ist52, 118. In der Literatur zeigen sich diskrepante Ergebnisse60, 67 bezüglich der Auswirkung von Glukose und Insulin auf die PMN-Funktion im Vergleich zu unseren Ergebnissen. Dies lässt sich u. a. den unterschiedlichen Untersuchungsmethoden zuschreiben, wie der Untersuchung der ROS-Formation und -Produktion.

Es bleibt weiterhin zu hinterfragen, ob die klinischen Studien und unsere in vitro Daten bezüglich der Auswirkungen der hyperglykämischen und hyperosmolaren Bedingungen auf den klinischen Verlauf der intensivierten Insulintherapie ausreichend Aufschluss geben. Walrand et al.67 führten an acht gesunden Probanden einen in vivo-Versuch durch, bei dem durch Insulin- und Glukoseinfusionen über vier Stunden erhöhte Insulinkonzentrationen im Blut und euglykämische Bedingungen hervorgerufen wurden. Unter den Insulininfusionen zeigte sich eine Erhöhung der Phagozytoseaktivität und somit ein insgesamt günstigerer Effekt als die direkte Auswirkung der Insulingabe.

In einer weiteren Studie60 mit zwölf gesunden Probanden, die sich einem vierstündigen hyperglykämischen oder hyperinsulinämischen, euglykämischen in vivo Infusionsversuch unterzogen, zeigten sich keine signifikanten Veränderungen der PMN-Funktion. Eine mögliche Ursache für diese Diskrepanz könnte die relativ kurze Infusionszeit bzw. kurze Hyperglykämiedauer von vier Stunden sein, da diese nicht ausreichend für eine ausgeprägte Änderung der PMN-Funktion ist. In unseren Kinetikversuchen zeigte sich erst ein signifikanter Anstieg der Zytokinfreisetzung nach bereits dreistündiger Präinkubation sowie nachfolgender sechsstündiger Inkubation. Eine Plateauphase der Zytokinproduktion wurde nach zwölf Stunden erreicht. Eine Messung der Zytokinkonzentration erfolgte deswegen in unserem Versuchsaufbau erst nach 24 Stunden Inkubation.