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Der ordinäre Gehorch a) Das Reeschensystem

Im Dokument und Jahrhundert (Seite 76-80)

C. Dienste und Abgaben der Bauern

2. Der ordinäre Gehorch a) Das Reeschensystem

Allgemein herrschte auf den Domänen Kurlands1 das Plan­

scharwerksystem 2 in Kurland »Reeschensystem« genannt.

Dieses bestand darin, daß jedem Wirt ein Stück Acker in jedem der 3 Felder zur vollständigen Bearbeitung überwiesen wurdeз.

Er mußte es umpflügen, beeggen, düngen 4, besäen, mit den nötigen Gräben versehen und abernten. Auf den meisten Do­

mänen hatte jeder Wirt auch noch ein Stück Heuschlag zu mähen, sog. »Heureeschen«.

Die Reeschen wurden zuweilen von den Wirten (meist den kleinen) selbst geleistet, häufiger aber von dem Dienstvolk des Wirts; solche abgesandte Fronarbeiter hießen »Reescheneek«,

»Nowadneek« oder »Wallakneek«. Diese Arbeiter kamen »auf ihr eigen Brot«; nur bei besonders schweren Arbeiten erhielten sie Essen vom Hofs. In der Heu- und Erntezeit, zuweilen auch beim Pflügen und Düngerfahren wurde dem »Reescheneek« der ordinäre Wochenarbeiter zur Hilfe gegeben.

Auf allen Ämtern war übrigens die Bearbeitung der Äcker nicht gleich geregelt. Auf vielen bestritten die ordinären »Arbeiter zu Pferde«6 die ganzen Feldarbeiten, auf anderen wieder nur die Reeschenarbeiter. Der häufigste Fall war der, daß die Reeschen­

arbeiter die Hauptsache erledigten, und die Pferdegänger den Rest beendeten.

Die Urteile über dieses System sind sehr verschieden. Bei ungenügender Berücksichtigung der Kräfte des Bauerhofes und bei einem Mißverhältnis zwischen Bauerschaft und H o f e s l a n d 7

konnte es verderblich für die Bauern werden8, bei guter Vertei­

lung der Arbeit und Rücksichtnahme auf den eigenen landwirt­

1 In Livland kam dies System auch vor, in Esthland seltener. Keußler, Zur Geschichte uud Kritik usw., III, pag. 192, Anm. 2. Tobien, pag. 418.

2 Vgl. Knapp, »Bauernbefreiung in den älteren Provinzen Preußens«, I, pag. 21.

3 Solch ein Stück Acker hieß die »Reesche«, auch »Nowadde« oder »Wallake«.

4 Diese nannte man die »Mitsreeschen«.

5 So z. B. im Amte Thomsdorf bei Heu-, Ernte- und Mistfuhrarbeiten, Inv. 1722.

6 So hießen die Arbeiter, welche die Spanndiensttage leisteten.

7 Areal der Gutswirtschaft.

8 Tobien, pag. 418.

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schaftlichen Betrieb des Bauern hatte dieses System dagegen große Vorteile. Es ermöglichte dem Bauern bei fleißiger Arbeit in kurzer Zeit seine Reesche zu beenden, wodurch Zeit und Mühe gespart wurden; auch fiel die unbequeme Beaufsichtigung weg.

Auf den Domänen sehen wir bei der Verteilung der Reeschen unter die Bauern folgenden Gesichtspunkt: die Ausdehnung des Hofesfeldes richtet sich nach der Arbeitskraft der Bauern, nicht aber die Fronpflicht der Bauerschaft nach der Ausdehnung des Gutsackers. Dadurch war eine Überlastung der Bauern ausge­

schlossen. Von der herzoglichen Kammer wurde für jeden Wirt eine Anzahl von Lofstellen1 bestimmt, die er zu bearbeiten hatte, welche nicht ohne ausdrücklichen Befehl vergrößert werden durfte.

Reichte das nicht aus, um das ganze Feld zu bestellen, so mußten die Pferdegänger einspringen, manchmal auch die Fußgänger, die dann Pferde und Geräte aus dem Amte erhielten2. Waren die Reeschen zahlreicher als das Hofesland zu seiner Bedienung brauchte, so durften Wüsteneien zugenommen werden з, aber nur dann. Sonst durften solche durch die ordinären Arbeiter oder angeworbenen Tagelöhner beackert werden.

Die Felder, welche von den »Reescheneeken« und die, welche von den Pferdegängern bearbeitet wurden, waren scharf getrennt Dem Disponenten war es streng verboten, die Felder der Pferdegänger zum Planscharwerk zu schlagen, um so die ordinären Fröner andersweitig benutzen zu können 4.

Die Größe dieser Reeschen war auf den einzelnen Ämtern recht verschieden, je nachdem wieviel Land ein Wirt inne hatte.

Meistenteils waren die Reeschen 3 Lofstellen 5 groß, und wurden allmählich auf 4 und 5 Lofstellen6 in jedem Felde erweitert. Im

1 Siehe Anhang.

2 z. B. Amt Holmhof, U. P. 1739.

3 Amt Neuhausen, А. C. 1792, § 13.

4 Vgl. Ellern, Inv. 1764.

5 Die Reeschen wurden in früherer Zeit gewöhnlich in »Löf Aussaat« angegeben.

Man kann im Durchschnitt annehmen, daß ein Löf Roggen, Gerste und Weizen auf eine Lofstelle gesät wurde, Hafer dagegen i 1/2 Löf. Je nach dem Boden war die Aussaat verschieden dicht.

6 Die Amtsordnung von 1780, П, § 4 schreibt vor, die Reeschen wenn möglich, auf 4—5 Löf zu bringen. Gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts wurden die Reeschen in Lofstellen eingemessen. Cursieten, U. P. 1771.

Einzelfalle kommen Reeschen von 1*/2 Lofstellen1 und solche von 10 Lofstellen pro Wirt vor2.

Neben diesen Ackerreeschen, zu denen auch die Mistreeschen gehörten, hatten die Bauern noch in den Hofesheuschlägen Gras zu mähen und dieses aufzuhäufen. Die Heureeschen betrugen gewöhnlich 3 — 5 Lofstellen. Zuweilen wurde den Bauern auch auferlegt, eine bestimmte Anzahl von Heuhaufen з oder Heufudern zusammenzunehmen, wobei die Zahl der zu mähenden Lofstellen von dem Graswuche des Jahres abhing.

b) Die Fronarbeiter zu Pferde und zu Fuß

Alle Wirte, welche mit genügendem Dienstvolk und Zug­

tieren versehen waren, mußten außer den Reeschenarbeiten noch Hand- und Spanndienste leisten. Diese wurden nach Haken berechnet, so daß ein vollbesetzter Haken wöchentlich einen Arbeiter zu Fuß und einen zu Pferde leisten mußte4. Der typische Bauer der Domäne ist der Viertelhäker, namentlich im XVIII. Jahrhundert. Ein Wirt schickte also gewöhnlich jede vierte Woche einen Arbeiter zu Pferde und einen zu Fuß nach dem Amtshofe. Im Einzelfalle trifft natürlich dieser Anschlag häufig nicht zu. Auf vielen Ämtern waren die Bauernhöfe größer,

*/2 oder sogar 1 Haken umfassend, auf anderem wieder sehen wir 8—9 Wirte auf einem Haken, die bis 4 Pferde- und Fuß­

gänger in der Woche schicken. Dieses hängt aber auch mit dem schwankenden Größenbegriff des Hakens zusammen 5.

Auf vielen Ämtern waren die Fußarbeiter sehr wenig zahl­

reich, dafür wurden mehr Pferdetage geleistet, oder umgekehrt.

Die Pferdearbeiter wurden zu sehr verschiedenen Diensten gebraucht. Wie wir schon sahen, bestellten sie einen Teil des Ackers, wobei auf einen Arbeiter 5 Lofstellen gerechnet wurden, die er im Laufe des Jahres in jedem Felde bearbeitete6. Ferner

1 Niederbartau, wo die Bauernhöfe klein waren x/4 bis */s Haken.

2 Neu hausen 1714, wo sehr große Bauern saßen, Halbhäker. In der Pflug und Erntezeit wurden den Bauern aber die Wochenarbeiter erlassen.

3 In Kurland beißt so ein Heuhaufen »Kuije«.

4 Ziegenhorn, § 661. Wallgahlen, Inv. 1627.

5 Siehe Anhang »Haken«.

6 А. C. Neuhausen 1792, § 13. Arrendeanschlag, Seigerbe 11 1788.

wurden die Pferdegänger zu allerlei Arbeiten im Amtshofe ge­

braucht, zum Dreschen, Wasser- und Futter fahren u. a. m.

Die Pferdegänger kamen Montag morgens, oder Sonntag abends, wenn ihr Gesinde weit vom Amt entfernt war, und blieben auf dem Amtshofe die ganze Woche über. Sonnabends mußten sie zeitig entlassen werden; zuweilen mußten sie bei ihrem Antritt Moos, Blätter oder Heidegras zur Einstreu mit­

bringen1. Den Sonntag über wurden i—2 von ihnen auf dem Amtshofe behalten, um die wichtigsten Arbeiten zu besorgen.

Die Fußarbeiter2 waren kleineren Teils männlichen, vorwiegend aber weiblichen Geschlechts. Sie besorgten die Hilfsarbeiten, in­

dem sie dem Pferdegänger beim Getreideschnitt, beim Beladen der Erntewagen usw. zur Hand gingen, oder sie wurden zu allen möglichen Verrichtungen im Amte gebraucht: als Mühlen-, Brau­

oder Brennereiknechte, als Malz- und Riegenkerle, als Schweine­

hüter, Stutenwächter, Stallknechte, Wildschützen, Fischer, Über­

setzer (Fährleute) und Viehpfleger.

Die weiblichen Fußgänger wurden im Hause und Stall als Stuben-, Küchen- und Viehmägdeз beschäftigt, zuweilen auch im Garten oder Waschhaus. Sie kamen gewöhnlich um 10 Uhr*

zum Amtshofe eine Woche lang und wurden am Abend wieder entlassen; wahrscheinlich wohl nur dann, wenn sie aus nahe­

gelegenen Gesinden kamen. In einigen Ämtern bekamen die Mägde Flachs zu s p i n n e n S , зД Pfund; konnten sie das in ihrer Woche nicht beendigen, so wurde ihnen der Rest nach Hause mitgegeben6.

Außer diesem Gehorch zu Fuß bestand kein Zwangs­

gesindedienst auf den Domänen. Den Arrendatoren und Dis­

ponenten war es vielmehr strengstens verboten, Amtsuntertanen in den Hofesdienst zu nehmen 7. Dieses Verbot wurde aller­

1 Amtsordnung 1663, § 14.

2 Lettisch hießen diese »Ohterneeks« d. h. »der andre Arbeiter«.

3 Die Viehmägde werden auch »Korden« genannt. Ellern, U. P. 1782. »Korde«

vom esthnischen Wort »Kord« — Reihe. Transehe, pag. 121, Anm.

4 А. С. Zelloden 1694.

5 Neuhausen, U. P. 1767. Amtsordnung 1780, II.

6 U. P. Niederbartau 1783.

7 A. C. Tummen 1787, § 15. А. С. Neuhausen 1792, § 15. In Preußen wurde 1763 den Domänenpächtern verboten, den Gesindezwang über die Kinder der Amtsbauern auszuüben. Knapp, а. а. О., II, pag. 93.

dings von den Disponenten gerne übertreten1, doch klageten die Bauern darüber, so wurde der schuldige Arrendator oder Disponent bestraft2.

In der Regel übertraf die Zahl der Arbeiter zu Pferde die der Fußarbeiter; für letztere hatte man nicht genügende Ver­

wendung, namentlich auf den Ämtern mit sehr starker Bauer­

schaft. Die Zahl der Fußarbeiter war dagegen in Zeiten wirt­

schaftlichen Niedergangs, so nach dem Nordischen Krieg und in einigen Ämtern nach den Durchmärschen der Russen um 1760 recht groß: viele Bauern hatten ihre Pferde verloren bei Militär­

transporten 3 oder durch Requisitionen, so daß sie nur Fußgänger stellen konnten. Zuweilen erhielten dieselben Zugtiere und Gerät vom Amtshofe aus, doch waren das nur Ausnahmefälle, da ge­

meinhin wenig Arbeitspferde auf den Gutshöfen gehalten wurden.

Außer diesen beiden regulären Fronarbeitern mußten auf vielen Ämtern, namentlich im XVII. Jahrhundert, und auf solchen, wo die Reeschen klein oder gar nicht gebräuchlich waren 4, in der Heu- und Erntezeit 5 ein dritter Arbeiter gestellt werden.

Dieser Arbeiter, welcher gewöhnlich von Ostern bis Michaelis6

gestellt werden mußte, hieß der »Treschneek«7; meist kam er zu Fuß, seltener zu Pferde (siehe oben Anm. 4) auf Hofes oder auf eigenes Brot8.

Im Dokument und Jahrhundert (Seite 76-80)