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Offenheit muss sich auch lohnen

Was ist zu tun?

5. Offenheit muss sich auch lohnen

Die Demokratisierung der Wissenschaft darf jedoch nicht zur Banalisierung wissenschaftlicher Leistung führen. Im Gegenteil: Wer Ideen und Daten teilt, muss belohnt werden. Wer statt nur mit seinesgleichen auch mit For-schern anderer Disziplinen oder wissenschaftlichen Laien spricht, muss spür-bar wertgeschätzt werden. Denn Offenheit gegenüber der Gesellschaft kostet Zeit, die für das Publizieren in Fachzirkeln fehlt. Das aber ist bisher der einzige Weg zur Karriere in der Wissenschaft.

Die Idee der offenen Wissenschaft wird sich nur durchsetzen können, wenn sie auch für Wissenschaftler reizvoll, also mit Karriereanreizen ver-bunden ist. Die Exzellenzinitiative hat gezeigt, wie Reformen in der Wissen-schaft schnell wirksam werden können – indem sie die Vergabe von vielen Millionen Euro Forschungsgeldern an einen Wettstreit der Ideen gekoppelt und so den Wettbewerbsgeist der Forscher herausgefordert hat.

Die Wissenschaft braucht jetzt einen neuen Wettbewerb: den um die bes-ten Ideen zu ihrer Demokratisierung. Damit wir künftig nicht mehr für sie auf die Straße gehen müssen, sondern sie bereits draußen auf der Straße vor-finden – immer wenn wir sie brauchen.

Literatur

Hartung, M. J., & Sentker, A. (12. April 2017). „Wissenschaft muss lernen zuzu-hören“. Interview mit Johannes Vogel. DIE ZEIT, 16. https://www.zeit.de/2017/16/

forschung-wissenschaft-oeffnung-buerger.

Schellnhuber, H. J. (12. April 2017). Wahrheit verpflichtet. DIE ZEIT, 16. https://

www.zeit.de/2017/16/wissenschaftler-glaubwuerdigkeit-march-of-science.

Simon, D. (14. September 2000). Marktplatz der Forschung: Demokratisiert die Wissenschaft! DIE ZEIT, 38. https://www.zeit.de/2000/38/Marktplatz_der_For-schung_Demokratisiert_die_Wissenschaft_.

Manuel J. Hartung leitet seit September 2019 gemeinsam mit Andreas Sentker das Ressort WISSEN der Wochenzeitung DIE ZEIT. Zuvor hatte er seit 2015 das CHANCEN-Ressort geleitet. Er ist Herausgeber des Magazins ZEIT GERMANY sowie Mitherausgeber von ZEIT CAMPUS und ZEIT SPEZIAL. Hartung studierte Geschichte in Bonn und New York sowie Public Administration in Harvard. Der ZEIT ist er seit 2004 verbunden, u. a. als Chefredakteur von ZEIT CAMPUS und Geschäftsführer des Tochterunternehmens TEMPUS CORPORATE. Er unter-richtete an den Universitäten Göttingen und St. Gallen und hat nun einen Lehrauf-trag an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.

Andreas Sentker ist Geschäftsführender Redakteur und Ressortleiter WISSEN der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er ist Herausgeber des Magazins ZEIT Wissen und Mit-herausgeber von ZEIT Doctor. Andreas Sentker hat Biologie und Rhetorik studiert und begann 1992 als Wissenschaftsjournalist zu arbeiten, u. a. für die Stuttgarter Zeitung und die tageszeitung. 1995 kam er zur ZEIT. 2009 wechselte er als Visiting Fellow für ein Semester an die Harvard University. Seit 2017 hat er einen Lehrauf-trag am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen.

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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en) 2020 139

J. Schnurr und A. Mäder (Hrsg.), Wissenschaft und Gesellschaft: Ein vertrauensvoller Dialog, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59466-7_10

Der Ruf nach mehr Engagement von Forschenden in der Wissenschafts-kommunikation ist in Deutschland nicht neu, sondern währt Jahrzehnte.

Spätestens mit dem sogenannten PUSH-Memorandum (1999; PUSH: Public Understanding of Science and Humanities), das namhafte Präsidenten füh-render deutscher Forschungseinrichtungen im Jahr 1999 unterzeichneten, waren entsprechende Forderungen und politische Willensbekundungen für mehr Wissenschaftskommunikation aus erster Hand schriftlich festgehalten.

Darin finden sich unter anderem folgende Passagen:

• „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden aufgefordert, ihre Arbeit öffentlich auch in einer für den Nicht-Spezialisten verständlichen Form darzustellen.“

• „Das Engagement für diesen Dialog darf dem wissenschaftlichen Ruf nicht abträglich sein, es sollte zu einem zusätzlichen Merkmal wissen-schaftlicher Reputation werden.“

• „Die Würdigung von Leistungen im Dialog mit der Öffentlichkeit soll im Rahmen der internen und externen Begutachtung bzw. Evaluation zusätz-lich zur Würdigung der wissenschaftzusätz-lichen Leistung erfolgen. Geeignete Formen der Anerkennung sollen entwickelt werden.“

Beatrice Lugger

B. Lugger (*)

Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) gGmbH, Karlsruhe, Deutschland

E-Mail: lugger@nawik.de

• „Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden aufgefordert, die notwendige Infrastruktur bereitzustellen sowie Lehr- und Weiterbildungs-angebote zu entwickeln, die die Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler in die Lage versetzen, ihre Arbeit öffentlich zu präsentieren.“

(PUSH-Memorandum 1999)

Seither ist vieles geschehen. Wir sind Zeugen eines massiven Medien-wandels, wobei mit den sozialen Medien neue, interaktive Plattformen ent-standen sind. Plattformen, mit denen Erscheinungen wie Fake News und Filterblasen einhergehen. Impfgegner, Klimaleugner und andere dubiose Interessenvertreter haben darin ihre Nischen zu globalen Netzwerken aus-gebaut. Wir sehen einen Aufstieg der Populisten, die den Stellenwert wissen-schaftlicher Erkenntnis nicht einmal mehr infrage stellen, sondern die wissenschaftlichen Erkenntnisse schlicht ignorieren. Eine beunruhigende Entwicklung.

Gleichzeitig ist aber die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Kommunikation nur unwesentlich gestiegen.

Infolge von PUSH & Co. kam es zwar zu einer Professionalisierung der Kommunikation der Institutionen und Hochschulen und zum vielfältigen Aufbau von Kommunikationsabteilungen. Für die Forschenden ist die vor rund 20 Jahren angedachte Kommunikationskultur mit einem Anreiz- und Reputationssystem aber kaum bis gar nicht realisiert. Und so sind es nach wie vor Einzelne, Naturtalente, die sich in die Kommunikation ein-bringen. Sie beteiligen sich an Kinder-Unis, langen Nächten der Wissen-schaft oder Bürgerdialogen. Eine systematische Förderung von Forschenden in Form von Zeit- und Finanzbudgets für Kommunikation ist in Deutsch-land immer noch weitgehend Fehlanzeige. Es mangelt selbst an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die zumindest Handreichungen für mehr Verständlichkeit lehren. Dabei ist das nur ein Anfangspunkt. Verständlich-keit ist die Grundvoraussetzung. Damit Wissenschaftskommunikation auch vonseiten der Forschenden gelingt, müssen deutlich mehr Themen gelehrt und umgesetzt werden.