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D. Deckungsrechtliche Ebene nach französischem Recht

III. „Obligatorische Haftpflichtversicherung“ der dem Bauherrn Verhafteten

1. Konzeption und Versichertes Risiko

Gemäß Art. L. 241-1 und L. 241-2 C.ass. (Assurance de responsabilité obligatoire, nachfol-gend „Obligatorische Haftpflichtversicherung“) „muss jede natürliche oder juristische Per-son, deren Haftung aus der Vermutung der Art. 1792 und folgende des Code civil über

72 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 111.

73 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 111.

74 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 142.

75 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 142.

24 3. Kapitel: Die Entwicklung der Baufertigstellungs- und Baugewährleistungsversicherung unter Einfluss des französischen Bauversicherungssystems

Bauarbeiten an Gebäuden hergeleitet werden kann, durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt sein. (…)“. Demnach verfolgt diese Obligatorische Haftpflichtversicherung den Zweck, dass die Verantwortlichkeit der dem Bauherrn Verhafteten, insbesondere des Er-bauers, effektiv durchgesetzt werden kann76. Die Versicherungspflicht bezieht sich deshalb auf alle von der zehnjährigen Garantiehaftung umfassten Schäden, die dem Versicherungs-nehmer in Ausübung seiner Bautätigkeit entstehen77. Dagegen bezieht sich die gesetzliche Versicherungspflicht nicht auf Schäden, die unter die einjährige Garantie für einwandfreie Herstellung und die zweijährige Funktionsgarantie fallen78.

2. Beginn und Dauer des Versicherungsschutzes

Gemäß Art. L. 241-1 Abs. 3 C.ass. muss der Versicherungsschutz für die exakte Dauer der zehnjährigen Gewährleistungspflicht aus der Garantiehaftung aufrechterhalten werden. Bei Aufgabe der Geschäftstätigkeit und Nichtübertragung des Geschäftskapitals bleibt der Ver-sicherungsschutz ohne Zahlung einer Zusatzprämie grundsätzlich bestehen79.

3. Entschädigungsleistungen des Versicherers

Die Entschädigung des Versicherers wird regelmäßig in Form eines Finanzausgleichs mit der vorfinanzierenden Obligatorischen Schadensversicherung durchgeführt (s.o.). Gleich-zeitig ist u.a. zwecks Hebung der Bauqualität zwingend ein Selbstbehalt des Versicherungs-nehmers vorgeschrieben. Dieser darf nicht durch Abschluss einer anderen Versicherung umgangen werden und ist dem Bauherrn gegenüber auch nicht einwendbar80.

4. Nicht versicherte Tatbestände

76 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 113.

77 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 146-147.

78 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 114.

79 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 149.

80 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 148.

1. Abschnitt: Entwicklung und Inhalt des Bauversicherungssystems in Frankreich 25

Wie bereits erwähnt, sind die Haftungstatbestände der einjährigen Garantie für einwand-freie Herstellung sowie der zweijährigen Funktionsgarantie von der Deckung ausgeschlos-sen. In der französischen Rechtsprechung wurde dieser Ausschluss bestätigt und außerdem hervorgehoben, dass weder Körperschäden noch Schäden Dritter bzw. an ihrem Eigentum durch die Obligatorische Haftpflichtversicherung gedeckt sind81. Weiterhin nicht versichert sind Schäden, die vor der Abnahme entstehen, sowie Sach- und immaterielle Schäden als direkte Folgen von Schäden, die unter die zehnjährige Gewährleistungspflicht fallen82. Ebensowenig sind Schäden gedeckt, die absichtlich oder durch arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers verursacht wurden, sowie Schäden, die durch normalen Gebrauch, Missbrauch, mangelnde Pflege u.ä. entstehen oder auf ein äußeres Ereignis zurückzuführen sind83. Gesetzlich geregelt ist auch der Ausschlusstatbestand, dass Schäden, die durch wil-lentliche oder unentschuldbare Nichteinhaltung der Regeln der Baukunst entstehen, nicht gedeckt sind84 (wobei die Regeln der Baukunst hauptsächlich im geltenden französischen Recht, in der technischen Normung der zuständigen Organe und in der Baubeschreibung festgelegt sind85). Allerdings darf der Versicherungsnehmer diesen Ausschluss nicht gegen-über dem Entschädigungsberechtigten einwenden86.

5. Obliegenheiten des Versicherungsnehmers

Die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers sind vergleichbar mit den oben beschriebe-nen Obliegenheiten des Versicherungsnehmers der Obligatorischen Schadensversicherung.

6. Finanzierung

81 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 147-148.

82 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 148.

83 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 147.

84 Kindt, Die Entwicklung der Décennale in Frankreich und deren Übernahme in den Ländern der arabischen Welt, S. 147.

85 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 120.

86 Srkal, Baurechtliche Gewährleistung und Versicherung in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutsch-land, S. 120.

26 3. Kapitel: Die Entwicklung der Baufertigstellungs- und Baugewährleistungsversicherung unter Einfluss des französischen Bauversicherungssystems

Wie bei der Obligatorischen Schadensversicherung werden die Prämiensätze von den Ver-tragsparteien ausgehandelt, wobei Schadensfreiheitsrabatte nicht vorgesehen sind, dagegen aber ein ausgeprägtes Bonus-Malus-System, das sich erstmals auf die vorausgehenden Jahre bezieht87.

7. „Direktklage“ des Bauherrn im Insolvenzfall des Versicherungsnehmers (Action directe)

Gemäß Art. L. 243-7 Abs. 2 C.ass. (Action directe, nachfolgend: „Direktklage“) „können die Opfer von Schäden im Sinne des Gesetzes Nr. 78-12 vom 4. Januar 1978 unmittelbar gegen den Versicherer des für die genannten Schäden Haftenden klagen, wenn über diesen der Konkurs eröffnet wurde“. Im Sinne eines effektiven Insolvenz- und v.a. Verbraucher-schutzes des Bauherrn räumt diese Vorschrift dem Geschädigten die Möglichkeit ein, auch im Falle der Insolvenz des verantwortlichen Erbauers etc. eine Direktklage gegen dessen Versicherer zu erheben. Diese Vorschrift spielt wegen ihres insolvenzrechtlichen Aspekts der Haftung für Bauschäden und der damit im Falle der Insolvenz oft sehr schwierigen Schadensregulierung eine erhebliche Rolle88. Denn mit der Einführung der Obligatorischen Haftpflichtversicherung und der Einräumung dieser Direktklage wurde im Sinne des Ver-braucher- und Insolvenzschutzes Abhilfe gegen den unbefriedigenden Zustand vor der Reform im Jahre 1978 insoweit geschaffen, als dass bis dato wegen häufig fehlender Zah-lungsfähigkeit der Bauunternehmer und der mit ihnen solidarisch haftenden Personen Er-satzansprüche gegen diese nicht durchsetzbar waren, nunmehr aber gegen deren Versiche-rer89.