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In diesem Abschnitt wird es darum gehen, welche Bedeutung das ‘Sich-Verpflichtet-Fühlen’ für das individuelle Leistungsverhalten hat und welche diesbezüglichen organi-sationalen Einflußmöglichkeiten bestehen. Das Gefühl der Verpflichtung kann dabei zum einen durch sozialen Druck aus der unmittelbaren Umgebung des Individuums, zum anderen aufgrund von verinnerlichten moralischen Regeln zustande kommen90. Die subjektive Norm in der Theorie geplanten Verhaltens ergibt sich als die Summe der Produkte aus wahrgenommenen normativen Erwartungen wichtiger Bezugspersonen und der jeweiligen Motivation zur Konformität (SN = Σ NEižMi)91. Faßt man das han-delnde Individuum selbst als eine der für die Entscheidungsfindung wichtigen

87 Zur persuasiven Kommunikation siehe z.B. Zimbardo/Leippe (1991), S. 127 ff.; Olson/Zanna (1993), S. 135 ff.; Tesser/Shaffer (1990), S. 503 ff.; Chaiken/Stangor (1987), S. 592 ff.

88 Hier gilt der gleiche Hinweis wie in Fußnote 86

89 Zu einem entsprechenden Prozeßmodell der Überredung siehe McGuire (1969), S. 173 ff.; McGuire (1985), S. 258 ff. Im letztgenannten Artikel unterteilt McGuire die genannten Prozeßschritte noch wei-ter. Insbesondere den Determinanten der Rezeption und Akzeptierung kommt dabei eine große Bedeu-tung zu. Auf diesbezügliche Einzelheiten kann an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen wer-den. Siehe dazu Stroebe/Jonas (1990), S. 181

90 Siehe dazu die Abschnitte 5.3.2. und 5.3.3.

91 Vgl. Ajzen/Fishbein (1978), S. 408; Ajzen (1991), S. 195

personen auf, können die subjektive Norm und die wahrgenommene moralische Ver-pflichtung in einer gemeinsamen Normkomponente zusammengefaßt werden. Da sich die organisationalen Einflußmöglichkeiten auf persönliche normative Vorstellungen des handelnden Individuums nicht wesentlich von denen auf normative Erwartungen ande-rer unterscheiden, erfolgt in diesem Abschnitt eine solche Zusammenfassung der bisher getrennt behandelten Komponenten.

Versucht man nun, die im Hinblick auf das individuelle Leistungsverhalten wichtigen Bezugspersonen zu identifizieren, so kommen - neben dem Individuum selbst - vor al-lem Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen und unmittelbare Vorgesetzte in Frage. Wer jeweils als wichtige Bezugsperson zu gelten hat, wird von Akteur zu Akteur und von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Was in diesem Zusammenhang den möglichen organisationalen Einfluß betrifft, so wird er sich im wesentlichen auf die Organisationsmitglieder, d.h. das handelnde Individuum selbst, seine Kollegen und Vorgesetzten beschränken. Dabei bilden wiederum die jeweiligen normativen Vorstel-lungen bzw. normativen Erwartungen den Hauptansatzpunkt, weshalb sich die folgen-den Ausführungen auf sie konzentrieren werfolgen-den.

Auch die normativen Vorstellungen des (potentiell) Handelnden und die normativen Erwartungen seiner Bezugspersonen in der Organisation lassen sich aus bereits mehr-fach angesprochenen Gründen nur in sehr begrenztem Umfang beeinflussen. Ein großer Teil davon ist bereits im Rahmen früher Sozialisationsprozesse (mehr oder weniger) fest verankert worden92. Dabei spielt die jeweilige (landes)kulturelle Prägung eine große Rolle93.

Welche normativen Vorstellungen bezüglich des hier interessierenden Leistungsverhal-tens verbreitet sind, wird von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich sein. Die deutsche Gesellschaft und die der meisten westlichen Industrienationen werden bei-spielsweise häufig als Leistungsgesellschaften bezeichnet - ein Indiz dafür, daß Leistung in diesen Gesellschaften eine große Bedeutung beigemessen wird94. Insofern dürfte in diesen Ländern von der landeskulturellen Prägung im Hinblick auf das individuelle

92 Vgl. Wilpert (1989), S. 169

93 Vgl. Wilpert (1989), S. 169 f.

94 Vgl. Bolte (1979), S. 11; Höhne (1978), S. 12; Schlie/Stegbauer (1988), S. 104 ff. Allerdings hat im Verlauf des in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Wertewandels Leistung an Bedeutung bzw.

Wertschätzung verloren, vgl. hierzu z.B. Inglehart (1998), S. 67 u. 69; Bartelt (1982). Zu teilweise gegenteiligen Ergebnissen kommen allerdings Hondrich/Schumacher/Arzberger/Schlie/Stegbauer (1988)

Leistungsverhalten eine unterstützende Wirkung ausgehen, da normative Vorstellungen und Erwartungen in der Regel tendenziell in Richtung auf hohe Leistung ausgerichtet sein werden.

Ein möglicher Einfluß der Organisation ergibt sich über das Phänomen der Organisa-tionskultur95, einem seit geraumer Zeit viel diskutierten Gegenstand der Betriebswirt-schaftslehre96. Bei der Organisationskultur handelt es sich um ein von den meisten Or-ganisationsmitgliedern geteiltes Werte- und Normensystem97 - ein kollektives Phäno-men also98. Sie wird teilweise durch Symbole kommuniziert99 und im Rahmen von So-zialisationsprozessen an neue Mitglieder vermittelt100. Die Organisationskultur erfüllt in Unternehmen im wesentlichen Koordinations-, Integrations- und Motivationsfunktio-nen101. Sie ist in Grenzen gestaltbar102, wobei jede gezielte Beeinflussung nur langfristig und indirekt, d.h. über die Gestaltung der Entwicklungsbedingungen erfolgreich sein kann103 und ggf. mit ungewollten (Neben)Wirkungen bewußter Gestaltung gerechnet werden muß104. Zwar wird die jeweilige Organisationskultur von allen Organisations-mitgliedern gemeinsam (weiter)entwickelt, dennoch ist in diesem Zusammenhang von einem asymmetrisch starken Einfluß der Unternehmensleitung bzw. des Managements auszugehen105.

95 Auch in transaktionskostentheoretischen Abhandlungen wird gelegentlich der Einfluß organisations-kultureller Phänomene, meist unter dem von Ouchi geprägten Begriff des ‘Clans’, einbezogen, vgl.

Ouchi (1980); Kreps (1990); Alvesson/Lindkvist (1993). Im Unterschied zur Behandlung dieses The-menkomplexes im vorliegenden Abschnitt handelt es sich dabei jedoch um eine ad hoc-Anreicherung der jeweiligen transaktionskostentheoretischen Argumentation, die mit den Grundannahmen dieser Theorie nicht zu vereinbaren ist.

96 Vgl. Krulis-Randa (1990), S. 13

97 Vgl. Kasper (1987), S. 441

98 Vgl. Steinmann/Schreyögg (1991), S. 533

99 Vgl. Moorhead/Griffin (1989), S. 497

100 Vgl. Steinmann/Schreyögg (1991), S. 534

101 Vgl. Dill/Hügler (1987), S. 147. Diese Funktionen werden allerdings meist nur starken Organisations-kulturen zugeschrieben, wobei diese Stärke abhängig ist von Prägnanz und Umfang der in ihr vertrete-nen Orientierungsmuster, vom Verbreitungsgrad dieser Muster unter den Mitarbeitern sowie von ihrer Verankerungstiefe im Wertesystem des einzelnen, vgl. Schreyögg (1989), S. 95 ff. Allerdings sind die Wirkungen starker Organisationskulturen durchaus ambivalent, vgl. Schanz (1994), S. 294 f. Zu mög-lichen dysfunktionalen Wirkungen starker Organisationskulturen siehe z.B. Deal/Kennedy (1982), S. 34 ff.; Laurent (1989), S. 89; Schreyögg (1992), Sp. 1532 f.

102 Zu den kontroversen Standpunkten bezüglich der Kulturgestaltung siehe Schanz (1994), S. 299 ff. Zur ethischen Vertretbarkeit von Kulturgestaltung siehe z.B. Breisig (1990), S. 94; Neuberger/Kompa (1987), S. 269

103 Vgl. Schwarz (1989), S. 55; Seidel (1987), S. 295

104 Vgl. Kilmann/Saxton/Serpa (1985), S. 15

105 Vgl. Bleicher (1992a), Sp. 2245

Am Anfang aller diesbezüglichen Gestaltungsüberlegungen steht die Frage, welche Werte und Normen aus Sicht der Organisation in der Organisationskultur verankert sein sollten, um Leistung und hohes Engagement bei den Mitarbeitern hervorzurufen. Zum einen kann hohe Leistung an sich zu einer Norm erhoben werden. Auch Werte wie Loyalität und Pflichtbewußtsein sowie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit bzw. einer Schicksalsgemeinschaft können mehr oder weniger direkt einer gesteigerten individuel-len Leistungsbereitschaft zuträglich sein106. Zum anderen können auch die übergeordne-ten Ziele der Organisation Teil ihrer Kultur sein107. Sind diese Ziele für die einzelnen Organisationsmitglieder nachvollziehbar, sinnhaft und erstrebenswert und werden sie in der Folge verinnerlicht, kann auf diese Weise ein hohes individuelles Engagement her-vorgerufen werden.

Was nun die gezielte Verankerung von dem individuellen Leistungsverhalten zuträgli-chen Werten und Normen in der Kultur einer Organisation - die konkrete Gestaltung also - anbetrifft, so sollen hier nur einige Ansatzpunkte aufgezeigt werden108.

Die von der Unternehmensführung entworfenen Unternehmensgrundsätze bzw. das Unternehmensleitbild sollen allen Mitarbeitern als gemeinsam geteiltes organisationsbe-zogenes Weltbild dienen109 und sind deshalb in der Regel kulturprägend. Zur Leistungs-anregung müssen die obengenannten Werte und Normen sowie die übergeordneten Ziele der Organisation in diese Unternehmensgrundsätze aufgenommen werden. Damit ein solches Leitbild dann auch seine Funktion erfolgreich erfüllen kann, ist es allerdings notwendig, daß es von allen Führungskräften akzeptiert sowie bei der täglichen Arbeit beachtet und vorgelebt wird und daß die Führungskräfte - insbesondere auch in bezug auf das Leistungsverhalten - eine Vorbildfunktion wahrnehmen110.

Im Rahmen der Personalauswahl kann darauf geachtet werden, daß möglichst solche Bewerber eingestellt werden, die sowohl über eine hohe generelle Leistungsmotivation verfügen als auch sonst zum Unternehmen und seiner Kultur passen. Soll allerdings eine bestimmte Kultur erst entwickelt werden, können neue Mitarbeiter auch als sogenannte

106 Vgl. Simon (1991), S. 34 ff.

107 Vgl. French/Kast/Rosenzweig (1985), S. 525

108 Zu Phasen der gezielten Veränderung einer Unternehmenskultur siehe Dierkes/Hähner/Raske (1996), S. 324 ff.; Scholz (1993), S. 528 ff.

109 Vgl. Schanz (1994), S. 304. Zu Unternehmensgrundsätzen im allgemeinen siehe z.B. Gabele (1982);

Gabele/Kretschmer (1986); Bleicher (1992)

110 Vgl. Gabele/Kretschmer (1986), S. 151; Bleicher (1992), S. 56. Zur Vorbildfunktion von Führungs-kräften siehe Hubner (1985), S. 210 ff.

‘Change Agents’ eingesetzt werden. In diesem Fall muß die Selektion darauf ausgerich-tet sein, daß die neu einzustellenden Mitarbeiter die von der Unternehmensleitung an-gestrebten Werte und Normen verkörpern111. Die sich an die Personalauswahl anschlie-ßende Eingliederung gibt dem Management die Möglichkeit, die neuen Organisa-tionsmitglieder in ihrem Sinne, d.h. im Sinne einer bestehenden oder angestrebten Or-ganisationskultur zu sozialisieren112.

Eine besonders wichtige Funktion bei der Entstehung und Veränderung einer Organisa-tionskultur kommt der Gestaltung des betrieblichen Anreizsystems zu113. Schließlich wird durch das Anreizsystem festgelegt, welche Denkweisen, Handlungen usw. vom Management als richtig erachtet und folglich belohnt werden und welche ggf. zu Sank-tionen führen könnten114. Im hier interessierenden Zusammenhang ist entscheidend, daß Leistung durch das betriebliche Anreizsystem belohnt wird115.

Eine unmittelbarere, auch die Anreizgestaltung betreffende Form des Einflusses auf die normativen Erwartungen ist die Einführung von Gruppenanreizen116. Ist ein Teil der Entlohnung der Mitglieder von Arbeitsgruppen vom gemeinsam erzielten Gruppener-gebnis abhängig, hat jedes Gruppenmitglied automatisch ein Interesse daran, daß die jeweils anderen einen möglichst hohen Beitrag zum Gruppenoutput leisten. So entsteht eine Erwartungshaltung an bzw. ein sozialer Druck der Arbeitsgruppe auf das einzelne Gruppenmitglied, ein hohes Engagement zu zeigen.

Auch dem unmittelbaren Vorgesetzten kommt unter Umständen eine wichtige Rolle zu.

Hat er durch sein Führungsverhalten das Vertrauen und die Akzeptanz der ihm unter-stellten Mitarbeiter erworben und gilt er für sie als Vorbild, werden die von ihm an seine Mitarbeiter gerichteten normativen Erwartungen für diese von Bedeutung sein. In der Regel kann dabei davon ausgegangen werden, daß die Erwartungen eines Vorgesetzten auf den engagierten Einsatz seiner Mitarbeiter ausgerichtet sein dürften.

111 Zur Personalselektion siehe z.B. Weinert/Sarges (1992); Finzer/Mungenast (1992)

112 Zur betrieblichen Sozialisation siehe Kasper (1992); French/Kast/Rosenzweig (1985), S. 31 ff.; Ro-senstiel/Nerdinger/Spieß/Stengel (1989), S. 39 ff.; Rosenstiel (1992), S. 89 ff.

113 Vgl. Sethia/Glinow (1985), S. 401; Kerr/Slocum (1987), S. 99. Zur Gestaltung betrieblicher Anreizsy-steme siehe z.B. die Beiträge in Schanz (1991)

114 Vgl. Sethia/Glinow (1985), S. 406; Kerr/Slocum (1987), S. 99

115 Eine entsprechende Gestaltung des Anreizsystems war auch im vorhergehenden Abschnitt angeregt worden. Während es dort jedoch um die direkte Veränderung der Einstellungen von Organisations-mitgliedern ging, interessiert hier die über organisationskulturelle Werte und Normen vermittelte Wir-kung auf die normativen Vorstellungen bzw. Erwartungen der Organisationsmitglieder.

116 Zur Unterscheidung von Individual- und Gruppenanreizen siehe Schanz (1991a), S. 14 f.

Die bisherigen Ausführungen zur normenvermittelten Leistungsanregung bezogen sich auf die Beeinflussung der normativen Vorstellungen des (potentiell) handelnden Indivi-duums bzw. auf die Steuerung der normativen Erwartungen seiner Bezugspersonen in der Organisation.

Zum Abschluß soll der zweite Teil der Normkomponente, die Motivation zur Konformi-tät, angesprochen und in diesem Zusammenhang auf die bereits an anderer Stelle erör-terten Maßnahmen verwiesen werden117. Sind normative Erwartungen von Arbeitskol-legen und Vorgesetzten auf Leistung und hohes Engagement ausgerichtet, muß die Mo-tivation zur Erfüllung dieser Erwartungen gestärkt werden. Dies kann beispielsweise durch solche Maßnahmen erreicht werden, die die gegenseitige Abhängigkeit von Mit-arbeitern sowie gute Kollegen- und Führungsbeziehungen im allgemeinen fördern. Wir-ken normative Erwartungen dagegen potentiell kontraproduktiv, müssen die entspre-chenden Bezugspersonen möglichst isoliert und als unerwünschte Außenseiter darge-stellt und behandelt werden, um so die Motivation zur Konformität zu senken118.

7.2.4. Erhöhung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle als Mittel der