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Während die Neujahrs- und Zwölftenumzüge fast durchwegs von der männlichen Jugend durchgeführt werden40, steht die Auferweckung des Lazarus (Palmsamstag) und der

Im Dokument Vorwort . . . 11 Kapitel 1 (Seite 159-162)

Ein-zug in Jerusalem (Palmsonntag) unter den Ägiden der Jungfrauen41. Das bei dem Umgang von Haus zu Haus gegen eine Gabenspende gesungene Lied beschreibt die Ereignisse der Hl. Schrift getreu vom Einzug Christi in Bethanien bis zur neugierigen Frage der Menge, was der auferstandene Lazarus im Hades gesehen habe, worauf dieser mit einer stereotypen Unsäglichkeitsformel antwortet ; es folgen entweder panegyrische Liedteile auf Familien-mitglieder42 oder Gabenforderung und Glückwunsch. An den »Heischegängen« können auch größere Mädchen teilnehmen, doch kommt es bei der infantilen Exekutionsform zu

39 Zur Zitationsweise der Handschriften : LA bezeichnet Sammelhandschriften des Forschungszentrums für grie-chische Volkskunde (Laographie) der Akademie Athen, LS die Sammelhandschriften des Seminars für griechi-sche Volkskunde an der Universität Athen.

40 Vgl. das vorige Kapitel. Exklusive Mädchenumzüge zu diesem Zeitpunkt erfolgen nur auf der Insel Kastellorizo, nahe der kleinasiatischen Küste (Anonymus, »Πρωτοχρονιά στο νησάκι μας«, H Μεγίστη 27, 1939/40, S. 7 f.).

In Sinope an der kleinasiatischen Schwarzmeerküste wirft ein Mädchen im Hause von Verwandten einen Lor-beerzweig ins Feuer und bekommt dafür eine Orange, gespickt mit einer Münze. Dieser mantische Bauch wird normalerweise von Knaben ausgeführt (G. A. Megas, Eλληνικαί εορταί και έθιμα της λαϊκής λατρείας, Athen 1956, S. 55 ff.).

41 Ausnahmen davon sind eher selten. So ziehen etwa in Maniaki in der Peloponnes arme Frauen herum und singen das Lazaruslied gegen eine Geldgabe (LA 1508, S. 39) ; in Tsakili in der heutigen Europäischen Türkei übernimmt ein verkleidetes Zigeunermädchen diese Aufgabe (Chourmouziadis, op. cit., S. 316), in Pasa in der Peloponnes kommen Frauen aus Mani mit einem lorbeergeschmückten Holzkreuz und singen die kalanda (LS 1441, S. 49). In diese Fällen ist die bloß pekuniäre Finalität des Umgangs ganz deutlich.

42 Puchner, »Lob- und Ansingelieder als Quellen der historischen Ruralsoziologie«, Studien zum griechischen Volks-lied, op. cit., S. 169 ff. Zu den Lazarusliedern ders., »Südosteuropäische Versionen des Liedes von ›Lazarus redi-vivus‹«, op. cit., und »Das griechische Lazaruslied. Vom religiösen Erzähllied zur gesungenen Gabenbitte«, ibid.

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keiner zahlenmäßigen Beschränkung. Die pompe kann schon am Freitag stattfinden43 oder auch mit den Umzugsbräuchen des Palmsonntags zusammenfallen44. Die Mädchen tragen dabei häufig die Festtracht45, schwingen Tücher und tanzen46 oder halten einen blumenge-schmückten Korb in Händen47 oder eine auf verschiedene Weise geformte Lazaruspuppe48, die manchmal wie ein Kleinkind im Arm gewiegt wird49 (Abb. 18). In den Korb wird zuweilen schon vor dem Umzug ein Ei gelegt, damit es sich durch die Geschenke (unge-färbte Eier) vermehre50. Die Ausschließlichkeit der Mädchen als Brauchausführende wird dadurch erklärt, daß auch Lazarus nur Schwestern hatte51. In Analogie zur Auferstehung

43 Zum Beispiel in Kastri in der Provinz Phthiotis (LS 1351, S. 27).

44 Z. B. in Balaftsa im Raum Thessaloniki, wo aber das eigentliche Lazaruslied schon verlorengegangen ist (N.

B. Kosmas, »Λαογραφικά της Μπαλάφτσας«, Μακεδονικά 6, 1964/65, S. 211–236, bes. S. 226). Die terminbezo-gene Nähe läßt beide Brauchkomplexe häufig zusammenfallen : so ziehen die Mädchen manchmal schon am Samstag mit Lorbeerzweigen (Palmzweigen) um (z. B. in Mileai in Thessalien, LS 1825 a, o. S.) und singen das Palmsonntagslied (es weist in den meisten Fällen bloß auf den kommenden Ostersonntag hin, z. B. E. Kalokar-dou, »Λαογραφικά Σκοπού Aνατολικής Θράκης«, Aρχείον του Θρακικού Γλωσσικού και Λαογραφικού Θησαυρού 13, 1946/47, S. 129–192, bes. S. 158).

45 Ζ. Β. in den thrakischen Umzugsformen (E. Grammatikoglou, »Λαογραφικά Πυθίου Διδυμοτείχου«, Θρακικά 43, 1969, S. 180–203, bes. S. 196).

46 Kosmas, op. cit., S. 226.

47 Der Korb wird mit verschiedenen Frühlingsblumen, gefärbten Papierbändern u. a. geschmückt und dient gleich-zeitig als Behälter für die entgegengenommenen Gaben. Als zentrale Brauchlandschaften dieser Form darf man Thessalien und die südlich anschließenden Kernprovinzen Griechenlands von Ätolien bis Attika ansehen.

Einige Beispiele : für Rumelien G. Anagnostopoulos, Λαογραφικά Ρούμελης, Athen 1955, S. 56 ff., für Megara D.

Sakkas, Κοινωνιογράφημα Μεγάρων, Athen 1966, S. 169, für Karoplesi im Bezirk Eurytanien D. St. Tolis, Tο χωριό Καροπλέσι και η περιοχή Aγράφων, Thessaloniki 1969, S. 199, für Polyneri im Bezirk Larisa LS 1407, S. 74., für Ano Lechonia im Bezirk Trikala LS 1518, S. 144 f., für Agioi Theodoroi ebd. LS 1667, S. 151 ff., für Malakasi ebd. LS 1836, S. 61, für Trikala LA 1976, S. 60 f. usw.

48 Diese Form der körperlichen Darstellung des Wiedererstandenen und seine Umführung durch kleine Mädchen ist in fast ganz Griechenland anzutreffen (Megas, Eλληνικαί εορταί, οp. cit., S. 140 ff.). Zur gleichen Zeit werden auch menschenförmige Gebildbrote gebacken, die den Namen Lazarus tragen.

49 Die Vorstellung des wiedererweckten Lazarus als Kleinkind (obwohl er nach der Legende im Alter von 30 Jah-ren starb), dürfte auf den ikonographischen Darstellungstyp H ΈγερσιςτουΛαζάρου zurückzuführen sein, der dem Dodekaeortion-Zyklus angehört und in fast jeder orthodoxen Kirche zu finden ist, wo Lazarus als eine in Leichentücher und Bänder hilflos eingewickelte Mumie erscheint. Dieser Mumientyp ist schon auf frühchrist-lichen Katakomben- und Sarkophagdarstellungen anzutreffen (A. Pératé, »La Résurrection du Lazare dans l’art chrétien primitif«, Mélanges d’archéologie et d’historie 1892, Suppl. offert à J. B. De Rossi, S. 272–279). Zur Ent-wicklung des ikonographischen Typs auch W. Puchner, Studien zum Kulturkontext der liturgischen Szene. Lazarus und Judas als religiöse Volksfiguren in Bild und Brauch, Lied und Legende Südosteuropas, Wien 1991 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.- hist. Klasse, Denkschriften 216), S. 23 ff.

50 LS 1565, S. 100 ff. für Lygaria in Thessalien, LA 2301, S. 44 für Kedros im Bezirk Karditsa, wo mit Zunahme der Geldgeschenke das größte Mädchen auch eine Sammelbüchse mitführt. Die Eier bleiben deshalb ungefärbt, weil Lazarus eines natürlichen Todes verstorben ist und die Symbolfarbe Rot (Blut) Christus vorbehalten bleibt (für Arachova in Böotien L. M. Arnott, »Σάββατο του Λαζάρου«, Nέα Eστία 59, 1956, S. 562–566, bes. S. 563).

51 »Dieses Lied wird nur vor befreundeten Häusern gesungen, denn man glaubt, daß die Wundertat Christi,

Laza-Christi wird der Brauch auch die »Passion Lazari« genannt52. Die Lazaruspuppe, die aus einem mit Leinen umwickelten Holzstrunk besteht53, einem ebenso eingekleideten Wä-scheschlegel mit bunten Papierstücken geschmückt54, aus zwei gekreuzten Stäben55 oder ganz aus Stoffballen56, wird in den Korb gelegt57 oder in Händen gehalten58 und gewiegt59, oder man tanzt mit ihr während des Singens60. Die partielle Substituierbarkeit der Lie-der61, soweit sie dem Frühlingszyklus angehören, der Blumenschmuck sowie die

überwie-rus von den Toten aufzuerwecken, eine freundschaftliche Geste war und deshalb muß dieser Tag den Befreun-deten gewidmet werden. Desgleichen singen nur Mädchen diese Lieder, denn Lazarus hatte nur Schwestern«

(Arnott, op. cit., S. 262 f., Livadia in Böotien).

52 Tα πάθητουΛαζάρου (I. Samaras, Λαογραφία Κλειστού Eυρυτανίας, Athen 1964, S. 101).

53 LA 1612, S. 11 für Galtsades auf Euböa.

54 Megas, Eλληνικαί εορταί, op. cit., S. 140 ff.

55 Megas, Eλληνικαί εορταί, op. cit., S. 140 ff.

56 A. Kostakis, »ΌιNιοφάδις’ καιταΒάγιαστοTρίκερι«, Θεσσαλικά Χρονικά 1965, S. 768 f.

57 T. Mor., »Έθιμα«, Έθνος 16.4.1938, o. S. (Attika). Hier findet der Kompetenzbereich der weiblichen »Herr-schaft«, die Krisenpunkte des Lebenszyklus, sinnfälligen Ausdruck im Geschenkkorb ; er ist Wiege und Grab zugleich. Ähnlich ist die Identität von den Windeln und Leichentüchern Christi in der Marienklage gängiger Topos. Schon im »Christus patiens« (12. Jh.) heißt es : Κείσαιγαρυφάσμασιτοισδ’ ειλιγμένος/ο (εν) σπαργάνοις πριν εντεταργανωμένος (Vers 1464–65, Grégorie de Nazianze, Le Passion du Christ. Tragédie. Introduction, texte critique, traduction, notes et index de André Tuilier, Paris 1969, S. 246 f.). Vgl. auch Lukas, 2, 7 : »Hüllte ihn in Windeln …«.

58 K. Marinis, »Aνοιξιάτικεςεκδρομές«, Hχώ της Eλλάδος 24. 4. 1935, o. S. (Kriekouki auf der Peloponnes) (Kosta-kis, op. cit., S 769, Trikeri bei Volos). Hier wird eigenartigerweise das »Schwalbenlied« gesungen, das üblicher-weise durch Knaben bei einem Umzug mit einem Schwalbenidol am 1. März zum Vortrag kommt (dazu G.

K. Spyridakis, »Tα άσμα της χελιδώνος (χελιδόνισμα) την πρώτην Μαρτίου«, Eπετηρίς του Κέντρου Eρεύνης της Eλληνικής Λαογραφίας XX–XXI, 1967/68, S. 25 ff. mit ausführlicher Bibliographie).

59 A. Eskitzoglou, »Λαογραφική μελέτη Σιταρίας Διδυμοτείχου«, Θρακικά 42 (1968) S. 259–303, bes. S. 289 (im Raum von Edirne). Das abgesungene Lied steht hier ebenfalls ohne Beziehung zum Festtermin.

60 St. Stam(atopoulos), »Πάσχα και πρωτομαγιά στην Eύβοια«, Έθνος 1. 5. 1937, o. S. Hier auf Euböa erscheint die Lazarupuppe auch blumengekrönt, und die Mädchen tragen gelbe Tücher (Totenfarbe). Dieselbe Farbensym-bolik taucht auch beim Blumenschmuck der Lazarusdarsteller auf Zypern auf (G. A. Megas, Ζητήματα ελληνικής λαογραφίας, Sonderabdruck Athen 1951, Heft 3, S. 90).

61 Wie das Beispiel von Ventzia (Westmakedonien) zeigt, spielt auch die Bildvorstellung von der »Ankunft« eine große Rolle : mit dem Beginn der Osterquadragesima laufen, sobald ein Fremder ins Dorf kommt, alle Mäd-chen zu ihm und singen ihm das Loblied für Fremde aus den Lazaruskalanda (Megas, Eλληνικαί εορταί, op. cit., S. 125). Ein weitverbreitetes Sprichwort (»μετηφωνήκιοΛάζαρος«), das dann angewendet wird, wenn jemand plötzlich erscheint, von dem man soeben gesprochen hat oder ihn beim Namen genannt hat (- eine spätere pe-jorative Variante ersetzt den Lazarus durch den Esel, wodurch das Sprichwort dem Deutschen »Wenn man den Esel beim Namen nennt …« entspricht – ) und auf die Anrufung Lazari im Grab durch Christus zurückgeht, rekurriert gleichfalls auf das Bild von der »unerwarteten Ankunft« (zu diesem Sprichwort und dem Lazarus-dromenon G. K. Spyridakis, »Συμβολή εις την μελέτην των ελληνικών παροιμιών«, Κρητικά Χρονικά 11, 1957, S. 267–276). Die Assoziationskette Lazarus – Fremder – Soeben Genannter – Frühling ist demnach in diesem Zusammenhang evident. Zu diesem Sprichwort auch Puchner, Studien zum Kulturkontext der liturgischen Szene, op. cit., S. 108 f. Zur Lazaruspuppe auch speziell ders., »Primitividole und Idolbestattung auf der Balkanhalbinsel.

gende Beteiligung jugendlicher Brauchteilnehmer weisen darauf hin, daß die Assoziation :

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