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Neue psychoaktive Substanzen

Im Dokument Drogen- und Suchtbericht (Seite 36-39)

4 Illegale Drogen

4.3 Neue psychoaktive Substanzen

In den letzten Jahren gilt die besondere Aufmerksam-keit der Bundesregierung auch neuen psychoaktiven, meist synthetischen Stoffen. Diese werden gelegent-lich auch „Designerdrogen“, Research Chemicals oder fälschlicherweise Legal Highs genannt. In ihrem 2011 veröffentlichten Briefing „Drogen im Blickpunkt“ defi-niert die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) diese Substanzen als „neuen Suchtstoff oder psychotropen Stoff in reiner Form oder als Zubereitung, der nicht nach dem Einheits-Überein-kommen der Vereinten Nationen von 1961 über Sucht-stoffe oder dem Übereinkommen der Vereinten Natio-nen von 1971 über psychotrope Stoffe kontrolliert wird, welcher aber eine Gefahr für die öffentliche Gesund-heit darstellen kann, vergleichbar mit den Substanzen, die in diesen Abkommen aufgelistet sind (Beschluss 2005/387/JI des Rates).“ Es handelt sich hierbei um bis-lang unbekannte oder aber bekannte, nicht in Ver-kehr gebrachte Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) teilweise noch nicht unterstellt sind.

In den letzten Jahren sind immer wieder neue derar-tige Substanzen aufgetaucht: Die EBDD hat im Rahmen des europäischen Frühwarnsystems zwischen 2005 und 2011 mehr als 164 neue psychoaktive Substanzen ermittelt. Im Jahr 2012 wurde eine Rekordzahl von 73 erstmalig entdeckten Substanzen gemeldet. Syn-thetische Cannabinoide und synSyn-thetische Cathinone machen seit 2005 zwei Drittel aller neuen Substanzen aus, die über das Frühwarnsystem gemeldet werden.

Zudem gibt es vermehrt Meldungen über Substanzen aus eher seltenen chemischen Gruppen. Oft ist bei die-sen Stoffen die chemische Struktur bereits unterstell-ter Betäubungsmittel so verändert, dass der neue Stoff nicht mehr dem BtMG unterliegt. Die für Missbrauchs-zwecke geeignete Wirkung auf die Psyche bleibt jedoch erhalten oder wird sogar verstärkt.

Diese psychoaktiven Substanzen werden nach bishe-riger Erkenntnislage maßgeblich im asiatischen Raum produziert. Zahlreiche Internetseiten sowie eine Viel-zahl von Sicherstellungen deuten darauf hin, dass im asiatischen Raum eine Industrie herangewachsen ist,

die gezielt die westlichen Märkte mit Rauschsubstan-zen beliefert. Die europäischen Händler verkaufen die erworbenen Substanzen oder Produkte häufig in klei-neren Mengen über sogenannte Head- und Online-Shops an kleinere Händler oder an Konsumenten. Die Verkäufer preisen die Substanzen fälschlicherweise als legale Alternative an und vermitteln so den – eben-falls falschen – Eindruck, sie seien ungefährlich und gesundheitlich unbedenklich. Die Drogen werden als Kräutermischungen, Badesalze, Lufterfrischer oder Pflanzendünger verpackt und verkauft, ohne die wirk-lichen Inhaltsstoffe anzugeben. Tatsächlich aber zieht der Konsum teilweise schwere Folgen nach sich: Die Symptome reichen von Übelkeit, heftigem Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust über Kreislauf-versagen, Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vital-funktionen. Betroffene mussten bereits künstlich be atmet oder sogar reanimiert werden. In Deutschland wurden bereits Todesfälle bekannt, bei denen der vor-herige Konsum einer oder mehrerer dieser neuen psy-choaktiven Substanzen nachgewiesen werden konnte.

Briefing „Drogen im Blickpunkt“ der EBDD:

www.emcdda.europa.eu/publications/drugs-in-focus/responding-to-new-psychoactive-substances Jahresbericht 2012 der EBDD zum Stand der Drogen-problematik in Europa:

www.emcdda.europa.eu/publications/annual-report/2012

Beschluss des Europäischen Rates zu neuen psychoak-tiven Substanzen:

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.

do?uri=CELEX:32005D0387:DE:NOT

4.4 Beispiele aus den Ländern

„Monitoring-System Drogentrends“ (MoSyD) Das Projekt „Monitoring-System Drogentrends“

(MoSyD) feierte im Jahr 2012 sein zehnjähriges Bestehen. Seit 2002 werden in diesem Rahmen die Entwicklungen im Bereich des Drogenkonsums in Frankfurt am Main erfasst und analysiert sowie neue Konsumtrends hinsichtlich Substanzen und Konsum-mustern identifiziert. Jedes Jahr werden zu diesem Zweck eine repräsentative Schülerbefragung, eine Expertenrunde und eine Erhebung unter „Trend-scouts“ aus den Ausgehszenen durchgeführt. Zudem ist alle zwei Jahre die Frankfurter Straßen-Drogen-szene Gegenstand einer Befragung.

Laut den Ergebnissen des 2012 erschienenen Jahres-berichts für 2011 ist der Tabakkonsum entgegen dem letztjährigen regionalen Trend wieder rückläu-fig, ebenso wie die Konsumerfahrungen mit Shi-sha-Rauchen. Der aktuelle Alkoholkonsum und das Rauschtrinken sind im letzten Monat vor der Befra-gung leicht angestiegen, beim häufigen Konsum ist jedoch ein Rückgang zu verzeichnen. Der Anstieg der Konsumerfahrung mit Räuchermischungen hat sich nicht fortgesetzt und auch die Verbreitung anderer neuer psychoaktiver Substanzen unter Jugendlichen und in der Ausgehszene ist weiterhin gering. Die Ver-breitung von Cannabis ist konstant geblieben, wobei sich der leichte Anstieg des aktuellen Gebrauchs aus dem Vorjahr bestätigt hat. Es gibt daher gewisse Anzeichen für eine wieder steigende Popularität von Cannabis. Für den Konsum anderer illegaler Drogen sind keine aktuellen Veränderungen verzeichnet. In Bezug auf Speed (Amphetamin) hat sich der Anstieg der Konsumerfahrungen unter Jugendlichen bestätigt.

Die Substanz hat sich in der Partyszene als wichtigste

„harte Droge“ etabliert; in Techno-Umfeldern ist sie sogar weiter verbreitet als Cannabis. Die Verbreitung von Ecstasy/MDMA auf Partys ist leicht gestiegen.

Des Weiteren sind Ecstasy-Tabletten mit höherem MDMA-Gehalt aufgetaucht. Der Anteil der

Jugend-lichen, die keinerlei legale oder illegale Drogen kon-sumieren, ist nach letztjährigem Anstieg im Vormonat der Befragung wieder zurückgegangen.

„Die Distribution illegaler Drogen“

Das Projekt „Die Distribution illegaler Drogen“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und läuft seit 2011. Ziel des Projekts ist es, die spezifischen Merkmale der geldlichen und nicht geldlichen Vorgänge bei der Verteilung von illegalen Drogen innerhalb von Netzwerken sozial unauffälliger Konsumenten näher zu untersuchen. Die Erhebungs-phase, in der insgesamt 214 qualitative Interviews mit Konsumenten und Deal-Erfahrenen geführt wurden, ist seit März 2012 abgeschlossen. Mitte 2012 wurde ein Zwischenbericht erstellt, auf dessen Basis eine neunmonatige Verlängerung beantragt und bewil-ligt wurde. Grund für den Verlängerungsantrag war der Umstand, dass die Erfahrungen mit dem Drogen-handel in der durchgeführten Stichprobe weitaus umfangreicher waren als zuvor angenommen: Knapp vier von fünf Befragten haben selbst Erfahrungen mit Handelsaktivitäten und nahezu ein Drittel hat auch im Monat vor der Befragung illegale Drogen an andere weitergegeben. Die Mehrheit der Befrag-ten gibt an, dass ihre HandelsaktivitäBefrag-ten nicht bzw.

überwiegend nicht profitorientiert waren bzw. sind.

Gleichzeitig hat aber eine nicht unerhebliche Zahl Erfahrungen mit profitorientiertem Handel oder gar höheren Handelsebenen.

Insgesamt zeigen die bisherigen Analysen, dass unter regelmäßig Konsumierenden Handelsaktivitäten im Sinne von „Freundschaftsdiensten“ sehr häufig zu sein scheinen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Cannabis und anderen illegalen Drogen wird offen-bar zumindest teilweise dadurch kompensiert, dass Konsumenten mit (zeitweise) besserem Zugang bereitwillig Drogen für befreundete Nutzer mitbe-sorgen. Dabei scheint die Grenze zwischen reinen Freundschaftsdiensten und dem profitorientierten Handel fließend zu sein. Wie genau die entsprechen-den Dynamiken und entscheientsprechen-denentsprechen-den Wendepunkte innerhalb von Konsumentenkarrieren aussehen und Hessen:

36 B | Aktuelle Daten zu Drogen und Sucht | Illegale Drogen

wie die Übergänge zwischen Freundschaftsdiensten (Social Supply) und Groß- wie Kleinhandel beschaffen sind, darüber werden die weiteren Analysen Aufschluss geben.

Zunahme des Crystal-bedingten Hilfebedarfs in den sächsischen Suchtberatungsstellen

Laut dem „Bericht der ambulanten Suchtkrankenhilfe in Sachsen“ für 2011 waren bis zum Jahr 2004 Opio-ide die dominierenden Problemsubstanzen in Sachsen.

Von 2005 bis 2009 zählten in den regionalen Suchtbe-ratungsstellen dagegen Suchtprobleme mit Canna-bisprodukten zum häufigsten Beratungsgrund. Seit 2009 wiederum nehmen die Klientenzahlen mit einer Stimulantienproblematik massiv zu und stiegen jähr-lich um 24 bzw. 29 Prozent. Aktuell weisen unter den Klienten im Bereich der illegalen Drogen über 40 Pro-zent eine Suchtproblematik im Zusammenhang mit Crystal (Metamphetamin) auf. Auf der Grundlage einer Sachsen:

Klientenerhebung von Januar bis August 2012 im Ver-gleich zum Vorjahreszeitraum wird auch für 2012 eine erneute Steigerung des Crystal-bezogenen Beratungs-bedarfs um ca. 40 Prozent erwartet.

Sachsenweit beläuft sich der Hauptanteil der konsu-mierten illegalen Substanzen von Hilfesuchenden in den Suchtberatungsstellen zu 41 Prozent auf Stimu-lantien und zu je 26 Prozent auf Cannabis und Opioide und unterscheidet sich damit stark vom bundesdurch-schnittlichen Verteilungsmuster. Der Stimulantien- bzw. Crystal-bezogene Hilfebedarf ist in Sachsen etwa annähernd viermal so hoch wie im Bundesdurchschnitt (41 Prozent gegenüber 11 Prozent, siehe Abbildung 15).

Diese besondere Situation in Sachsen steht in engem Zusammenhang mit massiven Steigerungen des Hil-febedarfs seit 2009 (siehe Abbildung 16) im Bereich der Stimulantien. Mit über 90 Prozent, d. h. über 2.000 Klienten, ist Crystal die dominierende Substanz in die-sem Bereich.

Abbildung 15:

Problemsubstanzen (Klienten in Suchtberatungs stellen) im Bereich illegale Drogen

Sachsen 2011, N = 5.906 Deutschland 2011, N = 57.019

26 % Cannabis 1 % Kokain

41 % Stimulantien (Crystal)

26 % Opioide 1 % Halluzinogene 5 % sonstige

36 % Cannabis

6 % Kokain 11 % Stimulantien (Crystal)

47 % Opioide

< 1 % Halluzinogene

Quelle: Deutsche Suchthilfestatistik Bund, Sachsen 2011

Abbildung 16:

Klientenentwicklung der sächsischen Suchtberatungsstellen nach Problemsubstanzen 2002 bis 2011

Quelle: Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren (SLS), „Sucht 2011, Bericht der ambulanten Suchtkrankenhilfe in Sachsen“, 2012 Jahr

Klienten

2.000

1.500

1.000

500 2.500

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Opioide Stimulantien (Crystal) Cannabis

4.5.1 Drogenbedingte Todesfälle

Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle sank im Jahr 2012 auf 944 Personen und damit auf den niedrigsten Stand seit 1988. Die höchsten Anteile an der Gesamt-zahl entfielen auf die bevölkerungsreichsten Länder Bayern (23 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (22 Pro-zent). Gemessen an den Einwohnerzahlen waren wie im Vorjahr Berlin und Hamburg am stärksten belastet.

81 Prozent der Rauschgifttoten waren Männer, 19 Pro-zent Frauen. Der Altersdurchschnitt aller Drogentoten lag mit knapp über 37 Jahren nur unwesentlich über dem des Vorjahres.

4.5 Daten der Ermittlungsbehörden zu Drogen

Im Dokument Drogen- und Suchtbericht (Seite 36-39)