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6.2 Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität

6.2.2 NCIQ

Allerdings erbringt diese Möglichkeit der Auswertung ähnlich differierende Ergebnisse, wie die allgemeingültige Form. So konnten z.B. Hirschfelder et al. (11) lediglich signifikante Verbesserungen für den Bereich soziale Funktionsfähigkeit feststellen (von 33,8 Punkten auf 70,4). Die Bereiche Vitalität und emotionale Rollenfunktion ergaben keine statistisch relevanten Veränderungen. In der prospektiven Studie von Mo et al.

ergab sich sogar für keine einzige der drei von Ware et al. genannten Subdomänen eine signifikante Verbesserung nach der Cochlea-Implantation (9). Es bleibt also fraglich, ob es möglich ist, mit Hilfe des SF-36 aussagekräftige und verlässliche Erkenntnisse zur Entwicklung der Lebensqualität nach einer Cochlea-Implantation zu gewinnen.

Abschließend lässt sich für den SF-36 zusammenfassen, dass unsere Ergebnisse die Verbesserung der Lebensqualität nach der Implantation gut abbilden konnten; im Vergleich mit den im Folgenden erläuterten Fragebögen scheinen besonders die psychischen Veränderungen mit CI gut erfasst zu werden. Allerdings schließen wir uns zunächst vor dem Hintergrund der stark differierenden Ergebnisse in der Literatur der allgemeinen Meinung an, dass der SF-36 als generisches Instrument zur QOL-Erfassung nach Cochlea-Implantation nicht uneingeschränkt geeignet zu sein scheint.

Die Sensitivität des Fragebogens scheint in diesem speziellen Fall nicht auszureichen.

Dies ist eventuell auch auf die Heterogenität des jeweiligen Studienkollektivs zurückzuführen. So variieren sowohl das Alter der Patienten, eventuelle Komorbiditäten oder die präoperative Dauer der Ertaubung doch erheblich. Mögliche andere Ursachen, wie z.B. unterschiedliche Zusammensetzungen des jeweiligen Studienkollektivs konnten nicht erfasst werden.

Die größte Steigerung gibt es im Bereich elementare Schallwahrnehmung. Generell hat sich jedoch jede der ersten drei Subdomänen signifikant verbessert. Diese spiegeln besonders gut die sprachrelevanten Fähigkeiten wider.

Das Ergebnis verdeutlicht abermals die guten Resultate nach einer Cochlea-Implantation. Erneut wird ersichtlich, dass sich die Operation im Endeffekt auf zwei unterschiedlichen Ebenen auswirkt: Zum einen auf der Ebene des Hörvermögens, zum anderen aber auch auf der psychosozialen Ebene. Der Effekt des CIs geht also weit über ein „lediglich“ besseres Hören hinaus. Dies wird besonders deutlich in den Subdomänen vier bis sechs des NCIQ: Psychosoziale Folgen, Aktivitätsverhalten und soziale Kontakte.

Die Ergebnisse unserer Studie lassen sich sehr gut mit anderen Ergebnissen in der Literatur vergleichen:

Bereits Hinderink et al. (52) fanden signifikante Verbesserungen in allen Domänen des NCIQ. Hier waren die größten Steigerungen ebenfalls in den Subdomänen elementare Schallwahrnehmung sowie Sprach- und Musikwahrnehmung zu erkennen. Allerdings sind die Veränderungen in dieser Studie noch deutlicher als in den bisher geschilderten Arbeiten. Der präoperative Score in der Subdomäne elementare Schallwahrnehmung betrug 3,2, postoperativ hingegen 64,1. Damit entspricht das postoperative Ergebnis dem Ergebnis unserer Studie mit einem Score von 64,2.

Insbesondere der postoperative Score für die Sprach- und Musikwahrnehmung liegt mit 53,8 ebenfalls nahe an den Ergebnissen unserer Studie (Score: 59).

Cohen et al. (8) verwendeten den Fragebogen NCIQ im Jahr 2004 zum Vergleich der Lebensqualität bei CI-Trägern und bei Hörgeräte-Trägern. Auch diese Autoren stellten bei implantierten Patienten Verbesserungen in allen Subdomänen des NCIQ fest.

Übereinstimmend mit anderen Autoren schilderten auch sie die größten Veränderungen im Bereich elementare Schallwahrnehmung. Die Differenz zu den präoperativen Ergebnissen beträgt bei ihnen 43,9 Punkte. Wie bereits diskutiert wurde, betrug der Zuwachs in unserer Studie 37,5 Punkte, bei Hirschfelder et al. hingegen 46,4 Punkte.

Das Ergebnis von Cohen et al. lässt sich für den Bereich elementare Schallwahrnehmung also gut in Einklang mit den bereits diskutierten Ergebnissen

postoperative Zuwachs in der Studie von Cohen et al. 13,9 Punkte. Hier ist die Verbesserung nach der Implantation deutlich geringer als in weiteren Studien, wie z.B.

bei Hirschfelder et al. mit 46,4 Punkten (s.u.) oder in unserer Studie (25,5 Punkte).

Damen et al. verwendeten den NCIQ in zwei verschiedenen Studien von 2006 (83) und 2007 (10). 2006 wurden zwei Patientengruppen mit Usher-Syndrom Typ I verglichen:

Patienten mit CI einerseits und Patienten ohne CI andererseits. Auch hier sind die beiden ersten Subdomänen des NCIQ besonders hervorzuheben. Für beide lassen sich bei Erwachsenen mit CI signifikant bessere Ergebnisse feststellen als bei Erwachsenen ohne CI. Generell unterscheiden sich die Ergebnisse jedoch deutlich von den bisher angeführten Studien. Die Scores der Patienten mit CI sind in der vierten bis sechsten Subdomäne (Psychosoziale Folgen, Aktivitätsverhalten und soziale Kontakte) deutlich besser als in der ersten bis dritten.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss allerdings bedacht werden, dass es sich bei dem Usher-Syndrom Typ I um eine autosomal vererbte Erkrankung handelt, welche von Geburt an mit Taubheit einhergeht. Insofern lassen sich die Ergebnisse sicherlich nicht direkt mit den Ergebnissen postlingual ertaubter Erwachsener vergleichen.

Festzuhalten ist jedoch, dass der NCIQ auch in dieser Studie eine gute Sensitivität aufweist, um die Veränderung der Lebensqualität durch ein CI in den sprachrelevanten Subdomänen darzustellen.

Damen et al. nutzten 2007 in der bereits vorgestellten Studie neben dem SF-36 auch den NCIQ und stellten nach der Implantation ebenfalls deutliche Verbesserungen in allen Bereichen des NCIQ fest. Die deutlichsten Veränderungen gab es in der Domäne elementare Schallwahrnehmung mit einer Zunahme des Punktwertes von 10,0 auf 63,5.

Bei den Patienten, die bereits in der Studie von Essink-Bot et al. (68) sechs Jahre zuvor implantiert waren, sanken die Ergebnisse wie schon beim SF-36 leicht ab.

Hirschfelder et al. veröffentlichten 2008 eine Arbeit, bei der die Autoren signifikante Verbesserungen in allen Subdomänen und im Gesamtscore schilderten (11). Auch hier wurden die größten Veränderungen in den Subdomänen elementare Schallwahrnehmung und Sprach- und Musikwahrnehmung festgestellt. Im Vergleich mit Hirschfelder et al. fallen die Differenzen zwischen den prä- und postoperativen Ergebnissen in der vorliegenden Studie noch deutlicher aus. So geben Hirschfelder et al. für den Bereich der elementaren Schallwahrnehmung eine Steigerung des Scores

um 55,8 Punkte, bei der Sprach- und Musikwahrnehmung um 46,4 Punkte, an. Auch dieses Ergebnis lässt sich gut mit unserem vergleichen. Vergleicht man die postoperativen Ergebnisse beider Studien, so wird deutlich, dass sich die Werte ähneln.

Der postoperative Gesamtscore beträgt bei Hirschfelder et al. 69,2, in unserer Studie 61,4. Ähnlich verhält es sich in den einzelnen Subdomänen, wobei die Ergebnisse unserer Studie jeweils leicht hinter den Ergebnissen von Hirschfelder et al.

zurückbleiben. So wird hier das postoperative Ergebnis im Bereich Sprach- und Musikwahrnehmung mit 65,4 Punkten angegeben, in unserer Studie erreichten die Patienten im Mittel 59 Punkte. In der Subdomäne elementare Schallwahrnehmung wird bei Hirschfelder et al. ein Score von 71,6 erreicht; im Vergleich dazu liegt unser postoperativer Wert bei 64,2 (Tab. 6.1).

Tab. 6.1 Ergebnisse NCIQ bei CI-Trägern in der Literatur

Hinderink et al., 2000,

n = 45

Damen et al., 2007,

n = 22

Hirschfelder et al, 2008,

n = 62

aktuelle Studie, 2010, n = 45 Elementare

Schall-wahrnehmung 64,1 63,5 71,6 64,2

Sprach- und

Musik-wahrnehmung 53,8 51,7 65,4 59

Kontrolle der eigenen

Stimmqualität 81,7 80,3 85,7 73,6

Psychosoziale Folgen 66,7 69,4 60,8 54,6

Aktivitätsverhalten 72,9 71,7 64,5 56,5

Soziale Kontakte 71,9 60 67,8 60,1

Generell kann also gesagt werden, dass die Ergebnisse des NCIQ für diese Studie mit der Literatur weitgehend vergleichbar sind. Wir können damit die Meinung der o.g.

Autoren bestätigen, dass es sich beim NCIQ um ein sensitives Instrument zur Bestimmung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei CI-Trägern handelt. Der NCIQ scheint die positiven Veränderungen, die durch die Implantation in verschiedenen Lebensbereichen erreichbar sind, sehr gut abzubilden.

In neueren Studien wird der NCIQ auch zur QOL-Erfassung in verwandten Bereichen eingesetzt. So wurde 2010 eine Studie veröffentlicht, in der de Wolf et al. (84) die Auswirkungen eines bone-anchored hearing aid (BAHA) auf die Lebensqualität der

abbilden. Die Autoren führten dann einen Vergleich mit den Arbeiten von Hinderink et al. und Damen et al. durch. Dabei blieben die Ergebnisse mit BAHA in fast allen Domänen des NCIQ leicht hinter den CI-Ergebnissen zurück, einzige Ausnahme ist hierbei die Subdomäne Sprach- und Musikwahrnehmung. Dieses Ergebnis ist nicht erstaunlich, da bei der Versorgung mit einem BAHA die Funktion des Innenohres intakt ist und das physiologische Hörvermögen nicht ebenbürtig durch ein CI ersetzt werden kann.

Aus den ähnlichen Ergebnissen der verschiedenen Studien lässt sich ableiten, dass die Patienten, die mit einem CI versorgt werden, postoperativ den größten Zugewinn im verbesserten Hörvermögen und insbesondere auch im Sprachverstehen empfinden.

Durch die bessere akustische Rückmeldung scheint es den Patienten außerdem gut möglich zu sein, ihre eigene Stimmqualität zu beeinflussen. Dies trägt dann dazu bei, dass auch der Patient selbst besser verstanden wird und sich selbstbewusster im sozialen Umfeld bewegen kann.

Außerdem nehmen viele Patienten offensichtlich deutliche Veränderungen im psychosozialen Bereich des alltäglichen Lebens wahr, was sich in den Ergebnissen des NCIQ abbildet.