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5. Empfehlungen für die Gewässerentwicklung mit Holz in Bächen und kleinen Flüssen des

5.3. Natürlicher Holzeintrag

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Der Eintrag von Astholz erfolgt bereits in jungen Baumbeständen durch die sogenannte Astreini-gung, die z.B. bei der Schwarzerle Alnus glutinosa bis zum etwa 20. Lebensjahr andauert. Stamm-durchmesser von ca. 20 cm, die für die Bildung lagestabiler Holzstrukturen geeignet sind, werden bei der Schwarzerle je nach Standort nach ca. 30 bis 40 Jahren erreicht. Frühestens nach dieser Zeitspanne ist ein natürlicher Eintrag von Stammholz durch z.B. Mortalität infolge von Konkur-renzdruck zu erwarten. Von einem regelmäßigen Eintrag größerer Holzmengen durch Mortalität ist bei der Schwarzerle erst zum Ende der mittleren Lebenserwartung nach 50 bis 80 Jahren aus-zugehen (LFA Eberswalde 2003, Schütt & Aas 2007). Um die Retention des fortwährend einge-tragenen Astholzes zu fördern kann daher z.B. in jüngeren Baumbeständen bis zum Zeitpunkt des natürlichen Eintrags auch ein ergänzender Einbau von Stammholz sinnvoll sein (Kapitel 4).

Fazit: Die Förderung des natürlichen Holzeintrags durch die Anlage uferbegleitender Gehölzstrei-fen hat Priorität gegenüber dem Einbau. Erst dadurch kann eine kontinuierliche Nachlieferung von Holz erfolgen, insbesondere von Ast- und Zweigholz, wodurch die natürliche Verlagerung und der Abbau von Holz kompensiert werden. Der Einbau von Holz sollte vor allem unterstützend oder als zwischenzeitliche Überbrückung erfolgen, bis ein natürlicher Eintrag von Zweig-, Ast- und Stammholz aus dem Gewässerumfeld erfolgt.

Belassen oder Entnahme von Holz

Nach einer Holzentnahme dauert es viele Jahrzehnte, bis eine naturnahe Holzmenge wieder er-reicht wird (Roni et al. 2015) und alle Holzstrukturtypen gebildet wurden (Gurnell & Sweet 1998).

Bei der Gewässerunterhaltung sollte daher lediglich das potentiell gefährliche Holz entnommen oder ggf. auch nur in der Lage verändert werden. Der Fokus bei der Entnahme von Holz ist die Vermeidung der Bildung von Dämmen und Verklausungen, da dies die wesentliche Gefahren-quelle von Holz in den Fließgewässern darstellt (Kapitel 5.2.2).

Vermeidung der Bildung von Dämmen und Verklausungen

Zunächst sind die neuralgischen Punkte zu identifizieren, die zur Bildung von Dämmen und Ver-klausung neigen könnten. Dies sind meist Stellen, die auch bei Hochwasser nur knapp oder nicht überströmt werden, und deren Breite geringer als die durchschnittliche Breite des Gewässers sind (Carah et al. 2014, Dixon & Sear 2014). Solche Punkte sind z.B. Brücken (Gschnitzer et al. 2017), schmale Durchlässe oder über das Gewässer geneigte Bäume, die bei Hochwasser angeströmt wer-den (Abbildung 5-2). Vorzugsweise sollten die neuralgischen Punkte entschärft werwer-den, was lang-fristig kostengünstiger sein kann als die permanente Beräumung von Holz (Lassettre & Kondolf 2000).

80 Abbildung 5-2: Natürliche Retention von Driftholz - Bildung einer Ansammlung von Astholz

und Stämmen an einem Prallufer mit überhängendem Baum in der Pulsnitz.

Für Strecken oberhalb neuralgischer Punkte, die nicht entschärft werden können, nennen Gerhard

& Reich (2001) folgende Schutzkonzepte, die auch miteinander kombinierbar sind.

1. Einrichtung von Übergangsstrecken: Diese dienen dazu, eingetragenes Holz bereits im großen Abstand zu neuralgischen Punkten zu überwachen. Dafür sind vor allem strukturreiche Stre-cken geeignet, in denen sich Holz bereits nach kurzer Transportdistanz wieder festlegt (Milli-ngton & Sear 2007, Kapitel 4). Bei Begehungen nach Hochwasser- oder Sturmereignissen kann potentiell gefährliches Holz entnommen oder lagestabiler positioniert und ggf. auch fixiert wer-den. Potentiell gefährlich sind instabile Hölzer, die länger als die Breite einer unterhalb liegen-den Engstelle sind und somit Initialelement einer Verklausung sein können (Manners & Doyle 2008). Am Ende von Übergangsstrecken können auch Driftholzfänger errichtet werden, um die Retention in der Strecke sicher zu stellen.

2. Errichtung von Driftholzfängern: An diesen soll mobiles Holz punktuell angelagert werden. Es eignen sich wasserbauliche Maßnahmen aus Rechen, Netzen oder Sperren in unterschiedlichen Anordnungen und Formen (Bergmeister 2009). Diese finden überwiegend Anwendung im Ge-birgsraum. Für die Retention von Driftholz in Bächen und kleinen Flüssen des Tieflands können auch stabile Holzstrukturen errichtet werden. Da der Holztransport überwiegend bei hohen Ab-flüssen stattfindet (Bilby 1984), eignen sich vor allem Strukturen, die bei Hochwasser noch über dem Wasserspiegel liegen (siehe dazu Kapitel 5.4.1). Die Holzretention scheint zudem an angeströmten Holzstrukturen erhöht zu sein (Kapitel 4), was durch die Kombination aus wech-selseitigen Holzstrukturen gefördert werden kann. Ereignisbezogen kann dann potentiell ge-fährliches Holz direkt an den Driftholzfängern entnommen werden. Ungege-fährliches Holz sollte weitergeleitet und nicht entnommen werden.

3. Anpassung der Lage von Holzelementen: Instabile, potentiell gefährliche Hölzer können in der Lage so angepasst werden, dass sie lagestabil werden. Entsprechende Kriterien sind in Tabelle 5-2 gelistet. Neben den Kriterien sind aber auch konkrete Bedingungen des jeweiligen Gewäs-serabschnitts zu berücksichtigen, wie Gewässergröße (Piégay & Gurnell 1997), Abflussregime

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(Kail 2005) und Eintiefung bzw. Beginn der Ausuferung. Das heißt, dass beispielsweise Holz in einem seeausflussgeprägten Fließgewässer mit geringen Abflussschwankungen und Ausufe-rung bei MHQ deutlich lagestabiler ist als in einem kiesgeprägten Fließgewässer mit hohen Abflussschwankungen und Ausuferung bei HQ10. Die in Tabelle 5-2 genannten Kriterien sind dementsprechend je nach Gewässer schwächer oder stärker zu wichten, wofür individuelle Ge-wässerkenntnisse und Erfahrungen notwendig sind. Fallbeispiele zur Lagestabilität von Holzelementen sind von Abbildung 5-4 bis Abbildung 5-7 zu finden.

4. Fixierung von Holzelementen: Im Zweifelsfall oder in kritischen Bereichen können die Holzele-mente durch verschiedene Techniken zusätzlich fixiert werden (Kapitel 5.4.5).

Tabelle 5-2: Kriterien für die Lagestabilität eines Holzelementes nach Bryant (1985), Bilby (1984), Young (1991), Gippel et al. (1996), Lienkaemper & Swanson (1987) und Braudrick &

Grant (2000). Es muss mindestens eine der Eigenschaften erfüllt sein.

Stabil liegendes Holzelement Instabil liegendes Holzelement

1/3 länger als Gewässerbreite*, oder

70% auf dem Ufer liegend, oder

< 15% im Wasser, oder

< 30° zur Fließrichtung, oder

beide Enden fest liegend.

kürzer als Gewässerbreite, oder

< 30% auf dem Ufer liegend, oder

> 40% im Wasser, oder

> 60° zur Fließrichtung, oder

ein Ende nicht fest liegend.

Die Lagestabilität wird zudem wesentlich erhöht, wenn der Wurzelstubben am Stamm belas-sen wird (Braudrick & Grant 2000) oder die Holzstruktur zumindest teilweise im Sediment ein-gegraben ist (Shields et al. 2000).

*Für lagestabile Hölzer in Gewässern ohne Bäume und Strukturen im Uferbereich empfehlen Dixon & Sear (2014) eine Holzlänge von > 2,5-facher Gewässerbreite zu berücksichtigen.

An der Bildung von Verklausungen haben zudem erst bei Hochwasser in das Gewässer eingetra-genes Bau- oder Schnittholz einen großen Anteil, das z.B. im Umfeld gelagert wurde (LfULG 2013). Daher sollte die Zwischen- und Ablagerung von Holz im Randstreifen (Abbildung 5-3) sowie von anderem sperrigen, schwimmfähigem Material unterbleiben, was auch durch § 39 Abs.

4 WHG vorgeschrieben ist. Natürlich entstandenes Totholz sollte aber aus naturschutzfachlichen Gründen auch im terrestrischen Bereich weitgehend belassen werden.

Fazit: Holz sollte im Sinne der Gewässerentwicklung nicht pauschal und flächendeckend entnom-men werden sondern sich auf potentiell gefährdete Strecken bzw. neuralgische Punkte und poten-tiell gefährliche Holzelemente beschränken. Strategien zur Gefahrenvermeidung sind die Ent-schärfung neuralgischer Punkte, die Einrichtung von Übergangsstrecken, die Errichtung von Drift-holzfängern sowie die Anpassung der Lage und Fixierung potentiell gefährlicher Holzelemente.

Zudem ist der unnatürliche Eintrag von z.B. Bau- und Sperrholz bei Hochwasser zu vermeiden.

82 Abbildung 5-3: Lagerung von Schnittholz im direkten Umfeld eines Fließgewässers, hier der Elbe bei Magdeburg. Das gela-gerte Holz kann aufgrund der ge-ringen Stammlängen im Verhält-nis zur Gewässerbreite der Elbe keine Verklausung verursachen.

Dennoch können durch die Verla-gerung bei Hochwasser Schäden an Infrastruktur entstehen.

Fallbeispiele zur Beurteilung der Lagestabilität

Abbildung 5-4: Der Stamm rechts oben liegt

ca. 70% auf dem Ufer und nur zu ca. 30 % im Wasser.

Abbildung 5-5: Der Stamm liegt mit deutlich über 30° zur Fließrichtung, ist kürzer als die Gewässerbreite und liegt nur ca. 1/3 auf dem Ufer. Das Gewässer ist zudem stark eingetieft.

Abbildung 5-6: Der Stamm links oben ist

länger als die Gewässerbreite, die Enden liegen auf beiden Ufern auf. Der untere Stamm liegt strömungsparallel und ist län-ger als die Gewässerbreite.

Abbildung 5-7: Der Stamm ist kürzer als die Gewässerbreite und nur ca. 10 % fest auf dem Ufer liegend. Die Wahrscheinlichkeit des Aufschwimmens bei Hochwasser ist hoch.

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v Lagestabil

Lagestabil

Nicht lagestabil

Nicht lagestabil