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Narrative: Beispiel «Parental Alienation Syndrome»

«Gender Empathy Gap»

3.2 Narrative: Beispiel «Parental Alienation Syndrome»

Ein wesentliches Narrativ der Männer- und VÄTERRECHTSBEWEGUNGÄTERRECHTSBEWEGUNG, welches insbesondere auch vom FSI vertreten wird, ist die Behauptung, Kinder bräuchten für die gesunde Ent-wicklung ihre leibliche Mutter und ihren leiblichen Vater. Dieses Narrativ ist mit dem der sogenannten «traditionellen Familie» verkettet und verweist auf eine biologistische Argu-mentation.[131]

Gerd Riedmeier betonte während der Parental-Alienation-Konferenz am 6. Februar 2020 im EU-Parlament, dass nichts falscher sei als der Satz «Familie ist dort, wo

Ver-antwortung für Kinder übernommen werde». Den Begriff «sozialer Vater» lehnte er ab, vielmehr handele es sich um «Lebensabschnittsgefährten» der vom biologischen Vater getrenntlebenden Mutter. Ein Kind brauche aber den biologischen Vater.[132] Dieser Bio-logismus fand sich bereits in der von Riedmeier unterzeichneten «Frankfurter Erklärung»

von Günter Buchholz.[133]

Aus der These von der unbedingten Notwendigkeit des biologischen Vaters für ein Kind folgern Väterrechtler, dass es zur Erkrankung eines Kindes führt, wenn es von einem leiblichen Elternteil getrennt wird. Dabei benutzen sie einen umstrittenen Begriff: das

130 Siehe: https://youtu.be/NE7ZGqaElCc?t=60 (Abfrage vom 02.06.2021).

131 So geht bspw. der Väteraufbruch für Kinder e.V. davon aus, dass «natürliche Elternteile» (außer in außergewöhnlichen Situationen) nicht ersetzbar seien. Internetpräsenz des Väteraufbruch für Kinder e.V.: Grundsätze / Grundsatz 5, https://vaeteraufbruch.de/index.php?id=grundsaetze (Abfrage vom 02.06.2021).

132 Gerd Riedmeier, Vortrag während der Konferenz Eltern-Kind-Entfremdung im EU-Parlament Brüssel am 6.02.2020, https://www.youtube.com/watch?v=dUVABWtpDe0 (Abfrage vom 02.06.2021).

133 Die Frankfurter Erklärung impliziert nicht-gesellschaftlich verursachte unterschiedliche Qualifika-tionen von Frauen und Männern: «Statistische Unterrepräsentanz von Frauen in attraktiven Berufs-feldern» sei «keine Folge gesellschaftlicher Zuweisungen oder einer angeblichen strukturellen Benachteiligung des weiblichen Geschlecht», sondern eine Folge «nicht zuletzt von unterschiedlichen Qualifikationen von Männern und Frauen». Internetpräsenz der Frankfurter Erklärung: https://

frankfurter-erklaerung.de/ (Abfrage vom 02.06.2021).

sogenannte Parental Alienation Syndrome (PAS). Gemeint ist damit, dass nach einer Trennung ein Elternteil das Kind gegen das andere Elternteil indoktrinieren könnte und das Kind dadurch nachhaltige psychosomatische Schäden erleidet.[134]

Im weiteren Sinn wird die These vertreten, dass Kinder immer geschädigt würden, wenn sich die Eltern getrennt haben und das Kind kaum noch Zeit mit einem der beiden Eltern-teile verbringen würde. So sagte Gerd Riedmeier in einem Statement in der Pressemit-teilung der oben genannten Konferenz: «Nahezu 40 % der Kinder in

Nachtrennungsfamilien erleiden vollständigen Kontaktabbruch zu einem Elternteil. Diese Entfremdung verursacht schwerwiegende psychische Störungen bei den betroffenen Kin-dern, das ist aktueller Forschungsstand. Die zuständigen Behörden verweigern präventive Maßnahmen. Unverständlich ist, weshalb das zuständige Bundesfamilienministerium das Thema tabuisiert».[135]

Wissenschaftlich ist das PAS als Symptom einer psychischen Störung sehr umstritten. Ein solches Symptom ist auch nicht in die ICD 11 («International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems», soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten) auf-genommen worden. PAS wird nur als Unterpunkt in «Care-giver child relation problems»

geführt. Damit handelt es sich also in der internationalen Definition nicht um einen In-dikator einer psychischen Störung sondern um ein Beziehungsproblem, das zu lösen ist.[136]

Bereits das «Parental Alienation Syndrome» im engeren Sinne, also als Folge der In-doktrination des Kindes durch einen Elternteil, ist nicht als Krankheitsbild anerkannt. Die

«Parental Alienation» im weiteren Sinne, wie sie insbesondere von Gerd Riedmeier be-hauptet wird, hat noch weniger wissenschaftliche Evidenz, auch wenn er sich auf einen angeblichen «Forschungsstand» bezieht.[137]

PAS wird, obwohl es ein umstrittenes Konstrukt ist, von Väterrechtlern, Anwält*innen und Richter*innen in Prozessen oft benutzt, um nach der Trennung eine Mutter als

ent-fremdenden Elternteil anzuklagen. Ein Vater kommt in den seltensten Fällen deshalb vor Gericht. Inwieweit bei diesen Klagen Frauenhass oder der Versuch, Missbrauchsgeschehen zu vertuschen, eine Rolle spielen, muss im Einzelfall untersucht werden.

134 Einführungstext zur Internationalen PAS-Tagung am 18./19.10.2002 in Frankfurt a.M., http://www.

pas-konferenz.de/d/einfuehrung.html (Abfrage vom 02.06.2021).

135 Pressemitteilung zur Parental-Alienation-Konferenz am 6. Februar 2020 im EU-Parlament, https://

www.presseportal.de/pm/121966/4510441 (Abfrage vom 02.06.2021).

136 Vgl. Collective Memo of Concern to: World Health Organization about «Parental Alienation», http://

www.learningtoendabuse.ca/collective-memo-of-concern-to-WHO-about-parental-alienation.html (Abfrage vom 11.08.2021)

137 Vgl. ebd., Collective Memo of Concern.

Wenn PAS in Gerichtsverfahren wie eine klinische Diagnose behandelt wird, bedeutet das, dass dem Kind aufgrund einer diagnostizierten Entfremdung von dem getrennten Elternteil eine Erkrankung zugeschrieben wird und damit das Kindeswohl gefährdet ist. Außerdem wird suggeriert, dass das Kind geheilt werden kann, wenn es wieder häufigen Kontakt zu dem einen Elternteil bekommt. Auch die Forderung, das Wechselmodell[138] zum Leitbild zu erheben, passt in diese Argumentation. Es ist allerdings sehr zweifelhaft, dass das Kindes-wohl auf diese Weise durch einen Richterspruch wiederhergestellt werden kann. Vielmehr kann nur eine familiensystemische Untersuchung, die sehr genau alle Beteiligten ein-bezieht, die Beziehungsprobleme des Kindes mit einem oder beiden Elternteilen aufklären und die seltenen Fälle der bewussten Entfremdungsabsicht seitens eines Elternteils heraus-finden. Die Lösungen liegen also eher in sozialtherapeutischen Prozessen, in denen alle, Eltern und Kinder, beteiligt sind.

138 Das Wechselmodell legt das Prinzip der 50%-Teilung der zeitlichen Betreuung und Finanzierung der Kinder aus der geschiedenen Ehe fest. Weitergehende Informationen dazu z.B.: https://www.

vamv-berlin.de/wechselmodell/das-wechselmodell-aus-sicht-des-kindes/; https://www.vaeter-zeit.de/

familie-trennung-scheidung/wechselmodell-kinderbetreuung.php; https://bundesforum-maenner.de/

wp-content/uploads/2019/09/Gemeinsame-Elternverantwortung-nach-Trennung-und-Scheidung_Posi-tionspapi....pdf; https://de.wikipedia.org/wiki/Wechselmodell (Abfragen vom 02.06.2021).