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Nagra, insbesondere Entsorgungsnachweis 2002, sowie GNW

6. Forschungsaktivitäten Schweiz

6.1. Nagra, insbesondere Entsorgungsnachweis 2002, sowie GNW

Die Entsorgungsforschung in der Schweiz muss die schweizerischen Verhältnisse (Rechtsvorschriften, insbesondere Entsorgungskonzept, sowie Geologie) und den internationalen technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisstand berücksichti-gen. Hauptträger dieser Forschung ist die Nagra, welche in den letzten 30 Jahren eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen schweizerischen (z.B. PSI, Uni Bern, ETH Zürich) und ausländischen Forschungsinstitutionen etabliert hat.

Der aktuelle Stand der Nagra-Forschung für den Bereich Endlager für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle kann, da diese Forschung grundsätzlich den Nachweis bezweckt, dass die Tiefenlagerung in der Schweiz möglich ist, in den Syntheseberichten zum Projekt "Opalinuston"

(2002) eingesehen werden (Entsorgungsnachweis):

- Geowissenschaftliche Untersuchungsergebnisse (Nagra 2002a)

- Konzept für die Anlage und den Betrieb eines Tiefenlagers (Nagra 2002b)

- Safety Report (Nagra 2002c)

Der Bundesrat wird voraussichtlich 2006 zum Entsorgungsnachweis Stellung neh-men.

Die Nagra kam in der Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergeb-nisse zum Schluss, dass "die geologische Situation des Untersuchungsgebietes die Anforderungen an ein mögliches Standortgebiet [erfüllt]. Es gibt keine geowis-senschaftlichen Erkenntnisse, welche die Realisierung und Sicherheit eines Tiefen-lagers im Zürcher Weinland grundsätzlich in Frage stellen."41 Obwohl der Entsor-gungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie lang-lebige mittelaktive Abfälle gemäss Beurteilung der Nagra grundsätzlich erbracht wurde, identifizierte die Nagra einige Ungewissheiten, welche durch zusätzliche Forschungsaktivitäten zu reduzieren seien (S. 621 ff.):

- Standorterkundung: gezielte Abklärungen z.B. bezüglich bautechnischer Ver-hältnisse in grösserer Tiefe

- Stofftransporteigenschaften und -prozesse: Laborversuche und Experimente im Felslabor Mont Terri für ein vertiefteres Verständnis der Diffusionsprozesse

- Selbstabdichtungsvermögen: Untersuchungen im Felslabor Mont Terri

- Geochemische Bedingungen: Vertiefung der Kenntnisse z.B. zum Redoxpoten-tial oder pH/pCO2 durch Anwendung besserer Methoden

- Gasfreisetzung: Verbesserung des Kenntnisstandes bezüglich Gasfreisetzung durch weitere Laborversuche und komplexere Feldexperimente

- Bautechnische Eigenschaften, Felsmechanik: Referenztiefe 600 ± 50 m. Für weitere Tiefen und für ein besseres Verständnis der bautechnischen

41 Nagra (2002a): 623.

Grundanforderungen

Abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle

Ergebnisse Geowissenschaft

gen von Tunnelbauten in grösserer Tiefe sind zusätzliche Untersuchungen er-forderlich.

In der Sicherheitsanalyse im Rahmen des Entsorgungsnachweises wird begründet, warum die Sicherheit gewährleistet ist:42

- Die geologische Tiefenlagerung eignet sich als Entsorgungsoption (weltweit anerkanntes Konzept; in der Schweiz sind geeignete Gesteinsformationen vor-handen; weltweit durchgeführte Sicherheitsanalysen; Beobachtungen an natür-lichen Systemen; Vorteile gegenüber anderen Optionen).

- Die Sicherheit und Robustheit des Lagersystems wird gewährleistet (passive Barrieren; Vermeidung von Ungewissheiten; Langzeitstabilität).

- Die Wahrscheinlichkeit eines menschlichen Eindringens ist klein und die mögli-chen Auswirkungen eines Eindringens sind mässig (Archivierung von Informati-onen; Vermeidung von Rohstoffkonflikten durch Standortwahl; Bildung von Kompartimenten für die einzelnen BE/HAA-Behälter; Verfestigung der Abfälle).

- Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers erfolgt schrittweise (in der gegenwärtigen Phase muss das System noch nicht in allen Details festgelegt werden, so dass nicht alle Fragen im Detail zu klären sind; Sicherheitsnachweis kann sich auf heute gut verstandene und zuverlässig charakterisierte Kompo-nenten abstützen; Einbezug der Beteiligten; Möglichkeit zur Berücksichtigung der Verbesserungsvorschläge; flexibles Projekt; Möglichkeiten zur Überwa-chung; Möglichkeiten zur Rückgängigmachung der Entscheide).

- Die hohe Qualität des wissenschaftlichen Kenntnisstand ist begründet (belast-bare Ergebnisse der Felduntersuchungen; Experimente in Felslabors; Beobach-tungen aus dem Tunnelbau; Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren Entwicklung;

detailliertes modellhaftes Inventar für BE, HAA und LMA)

- Bewährte Methodik, Modelle, Rechencodes und Datensätze für die Analyse.

- Erfüllen der behördlichen Vorgaben (Dosismaxima unterhalb der festgelegten Schutzziele, Verschluss innerhalb weniger Jahre möglich; Umsetzung des EKRA-Konzeptes).

- Verwendung alternativer Sicherheitsindikatoren (Vergleich Radiotoxizität der Abfälle mit der Radiotoxizität natürlicher Materialien; Vergleich potentieller Ra-diotoxizitätsflüsse aus dem Tiefenlager mit natürlichen RaRa-diotoxizitätsflüssen;

Vergleich potentieller Radiotoxizitätskonzentrationen am oberen Rand des Opa-linustons mit der natürlichen Radiotoxizitätskonzentration im Opalinuston; Eva-luation der Verteilung der Radiotoxizität in den verschiedenen Systemkompo-nenten als Funktion der Zeit).

- Einige positiv zur Sicherheit beitragende Phänomene wurden in den durchge-führten Analysen nicht berücksichtigt.

- Vereinfachte konservative oder pessimistische Darstellung des Systems.

- Keine ungeklärten Fragen, welche die Sicherheit grundsätzlich in Frage stellen könnten.

42 Nagra (2002c): XXI.

Sicherheitsanalyse

Die Nagra kam zum Schluss, dass:43

- der Referenzstandort Eigenschaften aufweist, welche die Sicherheit gewährleis-ten;

- das System robust ist;

- die Informationsbasis bezüglich der Abfälle und dem System der technischen Barrieren gut ist.

Ein internationales Expertenteam (International Review Team, IRT) hat die Sicher-heitsanalyse überprüft und ist zu folgenden Schlüssen gekommen:44

- Die Verwendung mehrfacher Barrieren stimme mit den Entsorgungskonzepten anderer Länder überein.

- Das Vorgehen bei der Realisierung sei vorsichtig und im Einklang mit dem Vor-gehen in mehreren anderen Ländern.

- Die Aufteilung der Abfälle auf verschiedene Lagerteile sei eine gute Sicher-heitsmassnahme.

- Die Strategie zur Abfalleinlagerung und die Verwendung von mehrfachen Ver-siegelungen zur Unterteilung in Kompartimente sei machbar und vorsichtig.

- Das Lagerkonzept sei vernünftig und praktikabel.

- Die Sicherheitsanalyse berücksichtige die wichtigen Aspekte und Ungewisshei-ten und zeige ein solides Verständnis des VerhalUngewisshei-tens des Gesamtsystems so-wie des Verhaltens der einzelnen Barrieren.

- Die Nagra habe einen belastbaren Nachweis dafür vorgelegt, dass der Opali-nuston im Zürcher Weinland ein geeignetes Wirtsgestein ist.

- Das Nagra-Programm zu den Eigenschaften des Tons bezüglich Radionuklid-Rückhaltung befinde sich an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung.

- Die Nagra habe ihren Entsorgungsnachweis in hervorragender Weise doku-mentiert, angefangen mit einer klaren Darstellung der Ziele und Prinzipien für den Entsorgungsnachweis.

Das internationale Expertenteam hat folgende Empfehlungen abgegeben (Kap. 4):

- Inventar und Quellterme: Die Nagra soll in zukünftigen Sicherheitsanalysen darauf hinwirken, bessere Abschätzungen von Radionukliden für HAA und LMA zu erarbeiten (S. 65).

- Behälter und Gebinde für HAA/BE: Obwohl das IRT Stahl als angemessenes Behältermaterial beurteilt, soll die Option Kupferbehälter beibehalten werden (S. 68).

- Abfallmatrix für verglaste HAA: Die Nagra soll die internationalen Forschungs-programme verfolgen, die auf die Entwicklung eines verbesserten Prozessver-ständnisses und von mathematischen Modellen für die Langzeitauflösung von verglasten HAA unter Lagerbedingungen abzielen (S. 74).

- Verfüllmaterialien für BE/HAA: Die Forschung zum Verhalten des Verfüllmateri-als Bentonits unter erhöhten Temperaturen sei fortzusetzen; die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie Grossversuche zur Verwendung von

43 Nagra (2002): XXIII.

44 NEA (2004): 8 ff.

Sicherheitsanalyse:

Fazit Nagra

NEA Peer Review des Entsorgungsnachweises 2002

Empfehlungen des NEA-Reviewteams

nitgranulat als Verfüllmaterial seien fortzuführen; die möglichen Wechselwir-kungen zwischen der Bentonitbarriere und anderen Komponenten des Lager-systems seien weiter zu untersuchen (S. 78).

- Verfüllmaterialien für LMA: Die Entwicklung von alternativen Zementen, die auf einen Verringerung der chemischen Wechselwirkungen zwischen Verfüllmateri-alien und Geosphäre abzielen, seien zu verfolgen (S. 79).

- Opalinuston-Barriere: Die Anstrengungen im Gebiet der geochemischen Rück-haltung seien fortzuführen; die Untersuchungen zum Nagra-Ansatz, der auf der Verwendung von Kd-Werten aus Batch-Sorptionsexperimenten in der Sicher-heitsanalyse beruht, seien fortzusetzen; die Stichhaltigkeit der Verwendung na-türlicher Analoga sei nachzuweisen; die Diffusionsprozesse im Opalinuston sei-en vertiefter auszuarbeitsei-en (S. 83).

- Gasproduktion, Gastransport: Die experimentellen Untersuchungen der Gas-transportprozesse seien fortzuführen; die Modellierung der Gastransportpro-zesse sei in Hinsicht auf eine erhöhte Durchlässigkeit infolge Mikroriss-Erzeugung zu verbessern (S. 84).

- Rahmengesteine: Weitere Untersuchungen der Rahmengesteine auf einer loka-len und regionaloka-len Ebene seien geeignet, zum die Transportpfade in die Bio-sphäre besser zu verstehen (S. 86).

- Systementwicklung: Vor der endgültigen Auslegung der Untertagebauten sei eine sorgfältigere Analyse der Wiederaufsättigungsphase nach dem Lagerver-schluss durchzuführen; in zukünftigen Berichten seien in Bezug auf die Sys-tementwicklung die Folgen der globalen Erwärmung vertieft zu diskutieren (S. 90).

- Biosphäre: Das Expertenwissen über die Biosphärenmodellierung sei zu erhal-ten; der Fortschritt in der ökologischen Risikoanalyse sei zu verfolgen; in den zukünftigen Sicherheitsanalysen sei eine formale Behandlung des Gaspfades vorzusehen (S. 92).

Im Rahmen des 5. Forschungsrahmenprogramms der EU (1998-2002) hat sich die Nagra an insgesamt 17 Projekten beteiligt, wovon rund die Hälfte abgeschlossen ist oder sich in der Schlussphase befindet:45

- Bedeutung der Bentonitbarriere in der Sicherheitsanalyse eines geologischen Tiefenlagers

- Vergleich von Strategien für die Endlagerung langlebiger radioaktiver Abfälle

- Grundlagen für die Bewertung und Entwicklung von Konzepten für die Endlage-rung hochaktiver Abfälle

- Einbettung technischer Sicherheitsbarrieren im Opalinuston

- Verhalten der Tonbarriere unter dem Einfluss von Zementwasser – Phase II

- Grossversuch zu den technischen Barrieren im kristallinen Wirtgestein – Pha-se II

- Untersuchung von Gaseffekten in Sicherheitsanalysen für geologische Tiefen-lager

45 Nagra News – Aktuelles zur nuklearen Entsorgung, April 2004, S. 3.

Beteiligung der Nagra an EU-FRP-Projekten

- Langzeitverhalten verglaster hochaktiver Abfälle: Quellterm-Berechnung

- Thermo-hydro-mechanische Prozesse im Nahfeld eines geologischen Tiefenla-gers (Wärmeausbreitung)

- Entwicklung von (hydromechanisch) gekoppelten Modellen durch Interpretation von Störungen bei der Abteufung des Hauptschachtes eines untertägigen Fels-labors in Ostfrankreich

- Thematisches Netzwerk zur geologischen Tiefenlagerung

- Berücksichtigung von Rückhalte-Phänomenen der Geosphäre in der Sicher-heitsanalyse

- Selbstheilung von Klüften in der Auflockerungszone von Tongesteinen

- Stabilität von abgebrannten Brennelementen unter Endlagerbedingungen

- Prüfung von Indikatoren für das Langzeit-Verhalten und die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers

- Thematisches Netzwerk zur Rolle der "Überwachung" bei der schrittweisen Realisierung eines geologischen Tiefenlagers

- Ventilationsexperiment im Opalinuston

Für die schwach- und kurzlebigen mittelaktiven Abfälle wurde der Entsorgungs-nachweis mit dem Projekt "Gewähr" (1985) erbracht. Anschliessend wurde ein mehrjähriges Untersuchungsprogramm im Kanton Nidwalden (Wellenberg, Ge-meinde Wolfenschiessen) gestartet:46 Die erdwissenschaftlichen Abklärungen und Felduntersuchungen ergaben, dass sich das Gestein im Bergesinnern des Wellen-bergs für die Aufnahme radioaktiver Abfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit eignet.

Sicherheitsexperten des Bundes und weitere unabhängige Fachleute bestätigten dies und verlangten, dass die Eignung durch den Vortrieb eines Sondierstollens überprüft werde. Das Volk von Nidwalden hat das Vorhaben in zwei Abstimmungen (1995 und 2002) verworfen. Die Projektträgerin, die Genossenschaft für nukleare Entsorgung Wellenberg (GNW), hat den Standort aufgegeben, sich vom Standort zurückgezogen und die vorhandenen Feldeinrichtungen abgebaut.