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MOTIVE UND WIRKUNGEN DER ZUSAMMENARBEIT MIT DER WIRTSCHAFT

4.1 DRITTMITTELORIENTIERUNG BADEN-WÜRTTEMBERGISCHER HOCHSCHULEN

4.1.7 MOTIVE UND WIRKUNGEN DER ZUSAMMENARBEIT MIT DER WIRTSCHAFT

Nicht sichtbar in den genannten Zahlen sind die Kooperationen, die Hochschulprofessoren/-innen als Mitarbei-ter/-in eines Steinbeis Transferzentrums mit Unternehmen eingehen. Mit diesem Transferinstrument, das aller-dings nicht nur auf Baden-Württemberg beschränkt ist, ergibt sich eine noch intensivere Zusammenarbeit mit der gewerblichen Wirtschaft, als es die Einnahmen der HAW widerspiegeln (vgl. auch www.stein-beis.de/de/steinbeis/ueber-steinbeis/zahlen-und-fakten.html; abgerufen am 10.02.2020).

4.1.7 MOTIVE UND WIRKUNGEN DER ZUSAMMENARBEIT MIT DER WIRTSCHAFT

Um ein besseres Bild von den Motiven und Wirkungen der Zusammenarbeit von Hochschulen mit der Wirtschaft zu gewinnen, werden nachfolgend Eindrücke aus den Experteninterviews mit Professoren/-innen sowie Vertre-tern/-innen von Transferstellen baden-württembergischer Hochschulen dargestellt. Die qualitativen Daten un-terstreichen die zentrale Bedeutung dieser Kooperationen für die Weiterentwicklung von Forschung und Lehre und die Profilierung von Instituten in Baden-Württemberg. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die geführten Ex-perteninterviews

TABELLE 3: GEFÜHRTE INTERVIEWS

Technologieexperten

Technologiefeld Einrichtung Experten (16)

Elektromobil/neue

Antriebs-konzepte Universitäten Stuttgart, Ulm, Karlsruhe 3 Professor/-innen Medizintechnik Universitäten Mannheim, Tübingen;

Dt. Krebsforschungszentrum 2 Professor/-innen 1 Privatdozent/-in Nano/Mikroelektronik Universitäten Ulm, Karlsruhe 2 Professor/-innen

Optik/Photonik Universität Stuttgart 1 Professor/-in

Biotechnologie Universitäten Hohenheim, Ulm, Karlsruhe 3 Professor/-innen Advanced Manufacturing Universität Stuttgart, Hochschule Tuttlingen 1 Professor/-in

1 wiss. Mitarbeiter/-in Transferstellen

Einrichtung Standort Experten (6)

Universitäten Karlsruhe, Stuttgart 2 Doktor/-in

HAW Heilbronn, Aalen, Furtwangen, Offenburg 3 Professor/-in 1 wiss. Mitarbeiter/-in Ministerien

Einrichtung Standort Experten (2)

Wissenschaftsministerium,

Wirtschaftsministerium Stuttgart 1 Referatsleiter/-in

1 Referatsleiter/-in

Aufgrund der begrenzten Interviewzahl kann allerdings nur ein Stimmungsbild von der täglichen Netzwerkar-beit der Professoren/-innen widergespiegelt werden. Aus Anonymisierungsgründen wurden die Gespräche pa-raphrasiert. Es werden auch keine vollständigen wörtlichen Zitate verwendet und die Gesprächspartner bleiben ungenannt.

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4.1.7.1 PROFESSOREN/-INNEN ALS GESTALTER VON TRANSFERKANÄLEN ZWISCHEN UNIVERSITÄTEN UND UNTERNEHMEN

Die diesem Abschnitt zugrundeliegenden Interviews liefern punktuelle Eindrücke von der universitären For-schungsarbeit, wobei insbesondere die Rolle der Professoren/-innen in der Gestaltung der Transferkanäle zu Part-nern in der Wirtschaft betont werden soll. Durch diese Netzwerkarbeit tragen sie aktiv dazu bei, die Grundlagen-forschung mit der technisch-industriellen Anwendung zu verzahnen. So betonten einige Gesprächspartner, dass das an baden-württembergischen Universitäten etablierte Institutssystem es ihnen ermögliche, "wie ein Mittel-ständler" zu arbeiten und annähernd "unternehmerische Entscheidungen" zu treffen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern verfügten die Institutsleiter über höhere Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheiten, selbst gegen-über der eigenen Universitätsverwaltung. Tatsächlich sehen sich einige der Professoren/-innen "mehr als Unter-nehmer, denn als Hochschullehrer". In dieser unternehmerischen Eigenständigkeit sehen sie einen Grund für die hohe Innovationskraft Baden-Württembergs und die Überlegenheit der Universitäten gegenüber dem Ausland.

Über diese strategischen Aufgaben hinaus betonen einige Befragten ihre Rolle als Netzwerker. Sie pflegen Kon-takte zu regionalen wie internationalen Industriepartnern. Hierzu zählen mittelständische wie große Unterneh-men aus Baden-Württemberg (z.B. Daimler-Benz, Audi, Porsche, Bosch, Zeiss), aber auch andere internationale Unternehmen mit Sitz außerhalb der Landesgrenzen, wie z.B. Siemens, Philips oder Sony. Die Anbahnung von Kooperationen mit Unternehmen wird durch persönliche, langjährig erprobte Netzwerke erleichtert. Die Profes-soren/-innen greifen dabei auf Kontakte zurück, die sie in früheren Forschungsprojekten geknüpft haben, auf Tagungen oder Messen pflegen oder in früheren Karrieren, wie z.B. im Fahrzeugbau, aufgebaut haben. Auch ehe-malige Doktoranden/-innen, die mittlerweile bei Unternehmen arbeiten, sind Teil dieser Netzwerke. Aufgrund dieser persönlichen Netzwerke nehmen einige Experten die Kooperationen mit Unternehmen als "auf Augen-höhe" oder als "ein Geben und Nehmen" wahr.

Zudem konnten einige Institute ihre Expertise und Reputation derart festigen, dass Unternehmen den Kontakt selbst suchen, wie es ein Experte auf den Punkt bringt: "Mittlerweile werden wir gefragt." Auch ein Institutsleiter im Bereich Optik bzw. Photonik erzählt, dass die wissenschaftliche Exzellenz seines Instituts mittlerweile derart etabliert ist, dass Unternehmen wie Sony Kooperationen selbst einleiten, um auf das Know-how des Instituts zurückzugreifen. Trotz ihrer internationalen Reputation unterstreichen die Experten die in Baden-Württemberg etablierte wissenschaftliche Exzellenz "in der Breite" als zentralen Standortvorteil. Durch ihre Netzwerkarbeit und den regelmäßigen Austausch mit HAWs und KMU tragen die befragten Professoren/-innen dazu bei, diese Breite der wissenschaftlich-technischen Forschung zu erhalten.

Vertreter von Transferstellen bestätigen die hohe "Intensität" dieser Kooperationen sowie die hohe Bedeutung bestehender Kontakte und persönlicher Netzwerke, um zusätzliche Einnahmen insbesondere aus der Auftrags-forschung zu generieren und die Sichtbarkeit von Hochschulen zu steigern. Dabei deckten die Kooperationen ein breites Themenspektrum in den Feldern Energie, Mobilität und Life Sciences ab. Allerdings müsse die Vernetzung von Hochschulen mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) gestärkt werden, denn offenbar fehle es hier oft auf beiden Seiten an einem besseren wechselseitigen Verständnis.

Insgesamt deuten die Gespräche an, dass einige Universitätsprofessoren und -professorinnen im Wissenschafts- und Ausbildungssystem Baden-Württembergs eine aktive Rolle in der Gestaltung von Transferkanälen zwischen Hochschulen und Unternehmen einnehmen. Sie nutzen Kooperationen mit der gewerblichen Wirtschaft strate-gisch, um die Reputation der Institute zu festigen, die eigene wissenschaftlich-technische Expertise auszubauen, langfristige Forschungsziele unabhängig von kurzfristigen "Hypes" voranzutreiben und die Attraktivität der uni-versitären Ausbildung langfristig zu sichern.

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4.1.7.2 KRITISCHE ANMERKUNGEN DER GESPRÄCHSPARTNER

Neben ihrer Rolle als Unternehmer und Netzwerker sehen die Experten einige Entwicklungen in der universitä-ren Forschung und Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern kritisch. Grundsätzlich betonen alle Experten die zentrale Rolle der Doktoranden/-innen beim Wissenstransfer zwischen Universitäten und Unternehmen. So beschreibt ein Professor der Antriebstechnik die Industrie als "extrem verwissenschaftlicht". Sie beziehe neues Wissen von Ingenieuren, die an Universtäten ausgebildet wurden und in Unternehmen an spezifischen Themen weiterarbeiten. Alle Experten unterstreichen, dass die universitären Forschungen maßgeblich von Doktoran-den/-innen getragen würden. Zum Beispiel forschten die Nachwuchswissenschaftler/-innen, in den Feldern der Optik und Photonik "an vorderster Front" und bearbeiteten Themen, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielten.

Insgesamt herrsche jedoch ein zunehmender Wettbewerb zwischen Universitäten und Unternehmen um den wissenschaftlichen Nachwuchs, in dem die Universitäten offenbar den Kürzeren ziehen. In diesem Zusammen-hang kritisieren einige der Befragten die strukturellen Änderungen in der wissenschaftlichen Ausbildung (z.B.

Bologna-Prozess, Umstellung der Assistenzpromotion auf "strukturierte PhD-Programme"). Zudem beklagte ein Experte der Antriebstechnik, dass die Universitäten stärker als früher an den Veröffentlichungsleistungen ihrer Mitarbeiter gemessen würden. Dadurch würden Universitäten eher den "drittklassigen Absolventen" einstellen, als den "Abteilungsleiter aus der Industrie". Der Gesprächspartner sieht daher das "Erfolgsrezept" der institutio-nell engen Verzahnung zwischen universitärer Ausbildung und betrieblicher Anwendung, getragen durch per-sönliche Netzwerke und verschränkter Karrierewege mit der Industrie, sogar als gefährdet.

Andere Experten aus dem Feld der Biotechnologie verweisen auf den schwach ausgebauten Mittelbau als Grund für den Attraktivitätsverlust wissenschaftlicher Laufbahnen. Zudem würden hierdurch auch die Gestaltungsfrei-heiten der Institutsleiter weiter eingeschränkt, weil vorhandene Personalkapazitäten für Routineaufgaben, wie z.B. das Pflegen von Datenbanken mit mehrjährigen Testreihen, gebunden würden. In diesem Zusammenhang verwiesen Experten der Medizintechnik auf die in diesem Wissenschaftsfeld nicht vorhandenen Lehrstuhlstruk-turen. Dies berge das Risiko, dass die langfristigen Forschungsinteressen vor dem Hintergrund der eher kurzfris-tigen Verwertungsinteressen medizinischer Fakultäten zurückgestellt werden. Insgesamt könnten auch langfris-tig angelegte Forschungen und Raum für Experimente, Kreativität und die Umsetzung eigener Ideen in enger Zusammenarbeit insbesondere mit KMU nicht nur die Transferaktivitäten bereichern, sondern auch die Attrak-tivität der universitären Ausbildung steigern.

Auch zukünftig erfordern technologische Entwicklungen eine enge Verzahnung von universitärer Forschung und technischer Anwendung, wenn z.B. die Einführung von Bildgebungssystemen oder computerunterstützten Di-agnostikverfahren in der Medizin oder die Anwendung von 3-D-Druckern in der betrieblichen Produktion auf das Know-how von Universitäten angewiesen sind. In diesem Zusammenhang betonen die Vertreter der Transfer-stellen, dass die Vernetzung zwischen Hochschulen und KMU noch unbefriedigend sei und sich eher das Bild eines "Jeder wurschtelt vor sich hin" zeige. Einige Transferstellen forderten daher eine höhere Offenheit, um tech-nisch-wissenschaftliche Fragestellungen schneller mit den geeigneten Problemlösern zusammenzubringen. Es wurde auch angemerkt, dass seitens der Politik zu hohe Erwartungen hinsichtlich der Erzielung von Lizenzein-nahmen aus Patentverwertungen bestehen und insbesondere die gesteigerten Aufgaben, die an die Hochschulen im Bereich des Wissens- und Technologietransfers gerichtet werden, nur eingeschränkt mit der derzeitigen per-sonellen und finanziellen Ausstattung der Transferstellen erfüllt werden können.

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4.2 PATENTANMELDUNGEN DER WISSENSCHAFTLICHEN EINRICHTUNGEN IN