photographieren. Er behauptet
—
allerdings sagt er vorher selbst:„Ich wette,
wenn
ich eseinem
Arzte sagte, Hess er mich in einNarrenhaus
sperren“—
dass, da dasAuge
das Abbild der photo-graphischenKamera
wäre, auch die Netzhaut dementsprechend wirken müsse. Er beruft sich dabei auf ein interessantes,und
den Physiologen wohlbekanntes Experiment Kühnes, über welches er folgendes imRoman
erzählt:„
—
im Jahre 1877 erzählte mir der ausgezeichnete Akademi-kerBrouardet, dass ProfessorKühne
in Heidelberg, der frühere PräparatorClaude Bernards,ihm
gesagt habe, dasser die Frage wiederaufgenommen
habe. Nun,dem
ProfessorKühne war
es indem
folgenden Experiment gelungen, einen Eindruck auf die Netzhaut hervorzubringen:von
totenHunden
oderKaninchen hob
er den inneren Teil desAuges
aus,wandte
den hinteren Teilum,
setzte ihndem
Licht ausund
stelltezwischen das
Auge und
das Licht ein aus kleinen Eisen-blättchen bestehendes Netz. Dieses Netzwurde
nach einer Viertelstunde sichtbar.“In der Erzählung wird das Experiment angestellt
und —
miss-lingt. Freilich nur
dem
Untersuchenden selbst wird dies ganz klar.am
Schlüsse desRomans
geht Bernadet über die Strasseund
liest in der Zeitung an der Spitze des Blattes:
„Das
wissenschaft-licheProblem
des Falls Rovfere. Ein dunkles Kapitel aus der ge-richtlichen Medizin.Das Auge
des Toten.Der
letzte Ankläger.Interviews
und Meinungen
der . . .“ (folgt eine ReiheNamen).
In „Verwehte Spuren“ 1) wird durch den untersuchenden Arzt sogleich der
Tod
als durch ein spitzes Instrument—
Dolch,Stilett oder langes schmales Messer
—
herbeigeführt, bezeichnet.Bei E. Kent*) bekundet der Arzt, dass die
Wunde
durch eine sehrdünne
Waffe, vielleicht ein Stilett, aber auch ebensogut durch eine Stricknadel, ja sogar durch eine Hutnadel verursacht sein könnte.Allerdings befindet sich die tödliche Verletzung genau in der Mitte des Herzens
und
ist so winzig, dass sie zuerstvollkommen
über-sehen wurde. Als Waffe, die benutzt wurde, entpuppt sichdann
tatsächlich eine Hutnadel.
Am
beliebtesten istohne
Zweifel das Verbrechen mittelst Schusswaffen. In der Tat eignet sich auch nichts besser für die Technik desRomanaufbaus,
als ein wohlgezielter Schuss. DieWunde
selbst ermöglicht eine genaue ärztliche Diagnose, ihre Beschaffenheit, das Kaliber des Geschosses, seineDurchschlags-kraft, der Schusskanal
und
sein Verlauf,Gewehr,
Revolver, oder Pistoleund
besonders die Entfernung8), aus der der Schuss ab-gegeben wurde, all dies bietetdem
geschickten Autor mannigfaltige Möglichkeiten und Material für den Aufbauvon
Theorien.Ander-seits hat die
Schusswunde
nicht die Nachteile, die indem
Möglich-keitsgebiete der Schlag-und
Stichwunden liegen. Eine Frau bei-spielsweise wird einenMann kaum
niederschlagen können,und auch
das Niederstechenmuss
die besondere Kunst des Schrift-stellers glaubhaftmachen.
Niederschiessen aberkann
schliesslich jeder, ein zartesMädchen,
eine Frau, ein Kind, ja sogar mecha-nischeWirkung
4)kann
nutzbargemacht
werden,ohne
besondere') Fergus Hume: „Verwehte Spuren“.
5
) E. Kent: „Das Haus gegenüber“.
*) Bekanntlich eines der stärksten Argumente, die zur Revision des Hau-Prozessesführen sollen. KeinRomanautor hätte die Frage, auswelcher Entfernung der Schuss auf Frau Molitor fiel, nicht so vernachlässigt, wie dies im Prozess geschah.
*) Heinrich Lee: „Ein Pistolenschuss“ und W. Bodkin: „Nicht mit eigener Hand“. Eine Wasserflasche wirkt als Brennglas und bewirkt die Entladung der Pistole.
Schwierigkeiten zu bieten.
So
wird z. B. Jean Baptiste1)im
Bois deBoulogne
erschossen aufgefunden:„Eine
Schusswunde
ging grade durchs Herz,und
die versengte Kleidung lieferte den Beweis, dass der Schussaus
unmitelbarerNähe
abgefeuert sein musste.Es
lag zweifellosMord
vor,denn man
hatte keine Waffe gefunden,und
die Spuren imGrase
zeigten, dass die Leichevon
derLand-strasse aus in das Dickicht, in
dem man
sie versteckt ge-funden hatte, geschlepptworden
war.“Der Roman
selbst behandelt übrigens eine Landesverrats-affäre, spielt in Parisund
zeigt spezifisch französische Einzel-heiten; ich halte ihn für erheblichschwächer
als den mir ebenfalls vorliegenden zweitenRoman
8) desselben Autors, dervon
der Presse der „englische Gaboriau“ genanntworden
sein sollund
tatsächlich
wenn
nicht alle Vorzüge, sodoch
in verstärktemGrade
alle Fehler der Franzosen zeigt.
Das
richtige Einschätzen des Wertes, dann die Entfernung, aus der der Schuss abgegeben wird,ist ein wichtiges, oft benutztes
Moment.
Auf eine recht sonderbare Methode, einen
Mord
zubegehen
kommt
JackLondon.
8)Es
ist eine bekannte Abart derRaub-fischerei, durch Dynamitexplosionen im
Wasser
die Fische zu betäuben.Der Mörder
schenktnun
seinem Opfer,von dem
er weiss, dass es diesem Sport huldigt, einenHund,
den er vorher mit vielerMühe
so abgerichtet hat, dass er fortgeworfene Gegen-stände sogleich apportiert. Als der Raubfischernun
die Dynamit-patrone insWasser
wirft, springt derHund
hinterherund
eilt mit der Patroneim Maule
zu seinem Herrn. Dieser läuft fort, er rennt aus Leibeskräften,denn
er weiss, es gehtum
dasLeben und
hinterihm
her das Tier.„And
then, just as she caught up, he in full strideand
she leaping with nose at his knee, therewas
a sudden flash, a burst of
smoke,
a terricific detonation andwhere man
anddog had
been the instant before therewas
naugth to be seen but a big hole in the ground.“ (Wie gesagt, die Artund Weise
des Verbrechens scheint hier gewiss recht ausgefallenund doch
schafft dasLeben
recht sonderbare Parallelen. Eindem
vor-stehenden ganz ähnlicher Fall ist mir persönlich bekannt. Ein
')
Edmund
Mitchell: „Das Modell“.’) Derselbe: „Gehetzt*.
*) Jack London:
„Moon
Face“.Artillerieoffizier wollte seinen
Hund,
der krank war, töten,und
da esihm
widerstrebte das Tier vergiften oder erschiessen zu lassen—
vielleicht auch ineinem
Anfallevon
Spielerei—
er