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2.3 Wechselwirkungen

2.3.1 Modulation von Geschmackswahrnehmungen

Geschmacksmodulation bezeichnet eine systemische Abwandlung einer Geschmackswahrnehmung. Im Wesentlichen wird die Wahrnehmung durch die vier Dimensionen Qualität, Intensität, Dauer und Lokation definiert. Gemäß der Dimensionen wird Geschmacksmodulation in vier verschiedene Klassifikationen unterteilt [DÜRRSCHMID, 2009]:

1) Qualitative Modulation: Änderung der Geschmacksqualität

2) Quantitative Modulation: Geschmacksintensität wird verstärkt oder vermindert 3) Zeitliche Geschmacksmodulation: Dauer einer Geschmackswahrnehmung wird

verändert

4) Räumliche Geschmacksmodulation: Veränderung der Lokalisierung der Wahrnehmung auf der Zunge beziehungsweise im Mundraum

Lebensmittel beinhalten eine Vielzahl an geschmacksgebenden Komponenten, die untereinander interagieren und dadurch zu Geschmacksmodulationen führen können.

Man unterscheidet drei Arten von Interaktionen: Chemische, oral-physiologische und kognitive Wechselwirkungen [KEAST und BRESLIN, 2002].

Chemische Interaktionen erfolgen bereits in den Probenlösungen und führen häufig zu veränderten Intensitäten oder gar neuen Geschmacksqualitäten. Ein praktisches Beispiel ist die Reaktion von Säuren und Basen in wässriger Lösung, die zur Bildung von Salzen und dadurch zu einem veränderten Geschmackseindruck führt.

Oral-physiologische Interaktionen hingegen sind periphere Vorgänge im Mund. Bei einer Mischung von zwei Komponenten, kann eine Substanz mit dem Geschmacksrezeptor oder dem Transduktionsmechanismus der anderen Verbindung interagieren.

Natriumsalze unterdrücken auf diese Weise die Bitterkeit gewisser Verbindungen. Die Stimuli müssen für diese Art von Wechselwirkung bereits gemischt auf die Zunge gelangen [KEAST und BRESLIN, 2002; KROEZE und BARTOSHUK, 1985].

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Kognitive Interaktionen werden für die Suppression (Hemmung) der Intensität einer Mischung von zwei oder mehreren Stimuli beschrieben, das heißt die Intensität der Mischung ist geringer als die Summe der einzelnen Substanzintensitäten. Da es sich in diesem Fall um einen zentral kognitiven Prozess handelt, ist es nicht von Bedeutung, ob die Stimuli bereits gemischt auf die Zunge oder getrennt auf jeweils eine Seite der Zunge gelangen. Die Zungenhälften sind neurologisch unabhängig bis die afferenten Neuronen im Gehirn interagieren [KROEZE und BARTOSHUK, 1985; PANGBORN, 1960].

2.3.1.1 Wechselwirkungen in homogen binären Mischungen

Generell können Wechselwirkungen bereits in binären Mischungen aus ähnlich schmeckenden Substanzen beobachtet werden (zum Beispiel aus zwei süßen Verbindungen). Es handelt sich in der Regel um periphere Interaktionen, die einer sogenannten psychophysikalischen Konzentrations-Intensitäts-Funktion folgen. Mithilfe dieser Funktion erhält man eine sigmoide Kurve (Abbildung 9), die sich in drei Abschnitte unterteilen und anhand dieser erklären lässt. Die x-Achse des Graphen stellt die Konzentration, die y-Achse die Intensität des Attributs dar [KEAST und BRESLIN, 2002].

Zunächst steigt die Kurve exponentiell (1) an und repräsentiert ein schnelleres Intensitätswachstum im Vergleich zur Konzentration. Dieser Zusammenhang kann beim Mischen von Substanzen geringer Konzentrationen beobachtet werden. Es kommt zu einer Hyperadditivität beziehungsweise. zum Synergismus der Intensität. Mischungen von Komponenten mittlerer Konzentrationen können dem zweiten Teil der Kurve (2) mit einem linearen Verlauf zugeordnet werden. Die Intensität wächst proportional zu ihrer Konzentration. Im letzten Abschnitt der Kurve (3) ist ein verlangsamtes Wachstum mit Erreichen eines Plateaus zu erkennen, das eine Sättigung der Rezeptoren oder das Erreichen der maximalen Intensität darstellt. Komponenten mit höheren Konzentrationen lösen bei einer Mischung eine Suppression der erwarteten Intensität aus. Die Intensität der Mischung ist geringer als die Addition der Einzelintensitäten [BARTOSHUK, 1975;

KEAST und BRESLIN, 2002].

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Abbildung 9: Psychophysikalische Konzentrations-Intensitäts-Funktion für Geschmacks-komponenten; [mod. nach KEAST und BRESLIN, 2002]

Insgesamt lässt sich mit der psychophysikalischen Funktion eine Vorhersage machen, ob es bei einer binär homogenen Mischung zu einer Verstärkung oder Hemmung des Sinneseindrucks kommt. Mischungen aus Komponenten geringer Konzentrationen ist zumeist ein synergistischer Effekt gemeinsam. Substanzen höherer Konzentrationen führen wiederum vermehrt zu einer Suppression. Diese Zusammenhänge zeigen ebenfalls süße Mischungen mit hoch-intensiven Süßstoffen [KEAST und BRESLIN, 2002].

Schiffman et al. (1995) untersuchten binäre Mischungen von 14 verschiedenen Süßungsmitteln, darunter auch Süßstoffe wie Aspartam und Rebaudiosid A. Die Verbindungen wurden in jeweils drei Konzentrationen überprüft, die einer 3-, 5- und 7- prozentigen Zuckerlösung (Saccharoseäquivalenz, SA) entsprachen. Unter Verwendung der geringsten Konzentration (3 % SA) zeigten insgesamt 50,5 % der Mischungen

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synergistische und 41,9 % ein additives Verhalten. Die Lösungen der mittleren Zuckeräquivalenz (5 %) führten in 65,7 % der Fälle zur Additivität (12,4 % Synergismus;

21,9 % Suppression). Bei der höchsten Konzentration (7 % SA) stieg der Anteil an suppressiven Mischungen auf 76 %. Aufgrund der Relevanz von Rebaudiosid A für die vorliegende Arbeit, verdeutlicht Abbildung 10 die Ergebnisse für die binären Mischungen aus Rebiana (0,009 % ≙ 3 % SA; 0,020 % ≙ 5 % SA; 0,047 % ≙ 7 % SA) und Saccharose.

Abbildung 10: Mittlere Intensität der Süße (+ obere Konfidenzgrenze) von binären Mischungen der 14 Süßungsmittel mit Rebaudiosid A; die Linie in jeder Abbildung repräsentiert den erwarteten Wert bei einem additiven Verhalten – a) Mischungen mit 3 % Saccharoseäquivalenz (SA); b) Mischungen mit 5 % SA; c) Mischungen mit 7 % SA [mod. nach SCHIFFMAN et al., 1995]

Keast et al. (2003) untersuchten binäre Mischungen von acht bitteren Komponenten.

Diese zeigten größtenteils keine Interaktionen und führten zu einer Additivität der Bitterkeit. Lediglich im niedrigen Konzentrationsbereich konnten vereinzelt suppressive

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Interaktionen beobachtet werden. Die Autoren führten die Beobachtungen auf einen möglichen Zusammenhang mit der Erkennung von bitteren Toxinen zurück. Durch die sensorische Summierung der bitteren Einzelintensitäten wird es möglich, den Gehalt an potentiellen Toxinen abzuschätzen. Da jedoch sehr viele unterschiedliche Bitterstoff-Klassen existieren, kann keine Verallgemeinerung für das Verhalten in binären Mischungen geäußert werden.

2.3.1.2 Wechselwirkungen in heterogen binären Mischungen

Das Mischen von Komponenten unterschiedlicher Geschmacksqualitäten kann zu weiteren Interaktionen führen. Die in der Literatur bisher beobachteten Wechselwirkungen zwischen den Grundgeschmacksarten süß, bitter, salzig und sauer werden in Abbildung 11 zusammengefasst.

Abbildung 11: Übersicht über heterogen binäre Geschmacksinteraktionen [mod. nach KEAST und BRESLIN, 2002]