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Modulation der Autophagie induziert Ataxin-3-positive NIIs in jungen MJD-Neuronen

4. Diskussion

4.4 Modulation der Autophagie induziert Ataxin-3-positive NIIs in jungen MJD-Neuronen

 

von HD, PD und Schizophrenie spezifische Phänotypen schon im NSC-Stadium detektiert werden (Brennand et al., 2014; HD Consortium, 2012; Liu et al., 2012b), wohingegen in iPS-Zellen kein Phänotyp beobachtet werden konnte, sodass frühe, neurale Zellderivate für eine in vitro-Modellierung zumindest Teilaspekte von Pathomechanismen abbilden können.

4.4 Modulation der Autophagie induziert Ataxin-3-positive

 

(Berger et al., 2006) sowie, zusätzlich zur Aggregation, die neurologischen Symptome in Drosophila- und Mausmodellen (Jia et al., 2013; Menzies et al., 2010). Eine Überexpression des für die Autophagie essentiellen BECN1 in einem MJD-Rattenmodell (Nascimento-Ferreira et al., 2011) oder Überexpression einer Reihe weiterer genetischer Modifikatoren der Autophagie in einem Screening in Drosophila zeigte ähnliche Effekte wie verringerte Neurodegeneration und Aggregatbildung (Bilen et al., 2007;). Fibroblasten von MJD-Patienten wiesen gegenüber Kontrollen eine verringerte BECN1-Expression auf, und Komponenten der autophagosomalen Maschinerie co-lokalisierten mit aggregiertem Ataxin-3 (Nacimento-Ferreira et al., 2011). Interessant in diesem Kontext ist, dass der für die Detektion der Ataxin-3-positiven NIIs verwendete Antikörper spezifisch die Ataxin-3-Isoform mit drei ubiquitin interacting motifs (UIM) erkennt (Schmidt et al., 1998) und diese Isoform die vorwiegend exprimierte Isoform im ZNS darstellt (Harris et al., 2010). Weiterhin wird die 3UIM-Isoform vorwiegend durch Autophagie, die 2UIM-Isoform hingegen über das Proteasom degradiert (Harris et al., 2010). Als Schlussfolgerung aus diesen Befunden würde Autophagieinhibition demnach ein Ansteigen der Konzentration der 3UIM-Isoform von Ataxin-3 durch Inhibition des nativen Degragadationsprozesses für diese Isoform induzieren und zusätzlich die Degradation von Ataxin-3-Aggregaten verhindern, die nicht durch das Proteasom prozessiert werden können, was final zur Bildung von Ataxin-3-positiven NIIs führen würde.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass pharmakologische Autophagieinhibitoren Ataxin-3-positive NIIs induzieren können und der Hypothese, dass die Variabilität in der Effizienz der verschiedenen Stimuli auf eine variierende Autophagieaktivität während der Experimente zurückzuführen sein könnte, wurden eine Reihe potentiell inhibierender Modifikationen an der Zusammensetzung des Zellkulturmediums SDM durchgeführt und der Effekt dieser Umstellung auf die Induktion von Ataxin-3-positiven NIIs in jungen MJD-Neuronen untersucht. Die Modifikationen bestanden hierbei aus verschiedenen Kombinationen einer Erhöhung der Konzentration der Wachstumsfaktoren IGF-1 und BDNF, der Depletion von Ascorbinsäure und einer Zugabe von IL-4, dbcAMP und Methylpyruvat zu einer potentiell Autophagie-inhibierenden Medienzusammensetzung. Tatsächlich entstanden Ataxin-3-positive NIIs in drei der vier gewählten Bedingungen ohne Applikation eines Stimulus zur Ca2+-Freisetzung aus dem ER. Depletion von Ascorbinsäure war bei einer niedrigen Konzentration der Wachstumsfaktoren IGF-1 und BDNF essentiell für die Genese von Ataxin-3-positiven NIIs. Dem gegenüber kompensierte eine hohe IGF-1- und BDNF-Konzentration die Supplementierung mit Ascorbinsäure, was in der Induktion von Ataxin-3-positiven NIIs resultierte. Eine Übertragung der effizientesten Kombination zur Induktion von Ataxin-3-positiven NIIs, Bedingung III., auf weitere genetische Hintergründe zeigte eine selektive Induktion von Ataxin-3-positiven NIIs in jungen MJD-Neuronen. Eine Reproduktion

 

und Quantifizierung offenbarte eine robuste Induktion mit hoher Effizienz in jungen Neuronen der Linie MJD1-9. Demnach kann durch Modulation von mit Autophagieinhibition-assoziierten Signalwegen die Bildung von Ataxin-3-positiven NIIs selektiv in jungen MJD-Neuronen induziert werden. Die Klärung des entsprechenden Beitrags der einzelnen Medienkomponenten zu diesem Resultat bedarf weiterer Untersuchungen, wie auch der direkte Nachweis einer Autophagiemodulation. Neben der richtigen Wahl der Mediumzusammensetzung scheint die Detektion der Ataxin-3-positiven NIIs an den Tag der Analyse gebunden zu sein, da die Induktion der NIIs reversibel und einer Kinetik zu unterliegen scheint. Eine Untersuchung der getesteten Kombinationen an Tag 12 der Differenzierung zeigte die Abwesenheit von Ataxin-3-positiven NIIs in den an Tag 8 zuvor positiven Bedingungen I., III. und IV., wohingegen einzelne NIIs in der zuvor negativen Bedingung II. zu detektieren waren. Trotz beobachteter, vermehrter Zelldegeneration kann das Fehlen von Neuronen mit Ataxin-3-positiven NIIs anhand der verbliebenen vitalen Zellen nicht auf einen selektiven Zelltod und Verlust der Ataxin-3-positiven NIIs tragenden Neurone zurückgeführt werden. Durch die hohe Effizienz der Aggregatinduktion müsste der überwiegende Teil der Neurone degeneriert sein, was nicht zu beobachten war. Das Auftreten von Ataxin-3-positiven NIIs an Tag 12 in der zuvor negativen Bedingung II. legt die Vermutung nahe, dass durch die initiale Präsenz der die Autophagie unterstützenden Ascorbinsäure die Genese der NIIs verzögert wurde. Eine Analyse der Zeitkinetik könnte die Frage klären, ob und wann es ein Maximum von Neuronen mit Ataxin-3-positiven NIIs gibt, deren Anzahl danach wieder abnimmt und wie die exakte Kinetik der NIIs-Genese beschaffen ist. Als potentielle Ursache für die Reversibilität der Ataxin-3-positiven NIIs käme eine Induktion der Autophagie in Betracht. Eine Depletion von Ascorbinsäure ohne alternative Antioxidantien über einen längeren Zeitraum induziert ER-Stress und die unfolded protein response (UPR) (Margittai et al., 2005). Eine Initiierung der UPR stimuliert zusätzlich die Autophagie (Ogata et al., 2006), ebenso wie die durch Oxidation induzierte Aktivierung der Proteinkinase ataxia-telangiectasia mutated (ATM) die Autophagie induziert (Alexander et al., 2010; Guo et al., 2010). Analyse der Autophagieaktivität sowie von UPR- und ER-Stressmarkern könnte hierüber Aufschluss geben. Eine Aktivierung der Autophagie würde als nativer Degradationsmechanismus der 3UIM-Isoform von Ataxin-3 (Harris et al., 2010) zu einer Verringerung der zellulären Ataxin-3-Konzentration durch verstärkten Abbau und dadurch zu einer verringerten Aggregation führen. Ein Immunblot mit dem spezifischen Antikörper gegen die 3UIM-Isoform könnte zur Detektion einer eventuellen Reduktion der Ataxin-3-Konzentration verwendet werden. Daten aus einem konditionalen HD-Mausmodell legen weiterhin nahe, dass sowohl die neurologischen Symptome als auch das Auftreten von NIIs reversibel sind, wenn die Transkription des mutierten Genes inhibiert wird (Martin-Aparicio et al., 2001; Yamamoto et al., 2000), sodass ein steter Flux von neu synthetisiertem

 

Protein für den Erhalt der NIIs nötig zu sein scheint. Analog dazu könnte eine durch Autophagie vermittelte Abnahme der Ataxin-3-Konzentration zu einer stetigen Degradation und ultimativ zur Dekomposition der Ataxin-3-positiven NIIs führen. Interessanterweise ist die im konditionalen HD-Mausmodell in vitro gemessene Kinetik von jeweils drei bis vier Tagen für die Bildung und Degradation von NIIs vergleichbar mit der in dieser Arbeit beobachteten (Abb. 3.23, (B); Martin-Aparicio et al., 2001).

Eine gänzlich andere Ursache für die Reversibilität der Ataxin-3-positiven NIIs könnten die neuronalen Subtypen sein. In MJD degenerieren nicht alle Neurone, und der Abbau der Ataxin-3-positiven NIIs könnte eine kompensatorische Antwort auf akkumulierende Proteine sein, die mit den verwendeten, neuronalen Subtypen assoziiert ist.

Die degenerierenden, neuronalen Subtypen in MJD sind spezifisch für die Erkrankung und nicht-degenerierende, den pathologischen Effekten gegenüber resistente Neurone besitzen vermutlich Mechanismen, die diese Resistenz vermitteln bzw. ein Fehlen von für die Sensitivität notwendigen Komponenten. Für eine volle Rekapitulation der Pathologie in vitro könnten demnach die degenerierenden, sensitiven neuronalen Subtypen erforderlich sein.

Für MJD ist ein spezifischer, für die in vitro-Modellierung besonders geeigneter neuronaler Subtyp aufgrund von fehlenden pathologischen Studien schwer zu ermitteln. Dass bestimmte Pathologien allerdings nur in spezifischen Subtypen auftreten ist für viele Erkrankungen bekannt. So konnte z.B. in einem iPS-Modell für ALS in spinalen Motoneuronen ein selektiver Phänotyp in ihrer Neurofilamentstruktur gezeigt werden, der in spinalen Interneuronen nicht auftrat (Chen et al., 2014). Neben den bisher genannten potentiellen Ursachen für die noch unklare Reversibilität der Ataxin-3-positiven NIIs könnten altersabhängige Veränderungen eine Rolle spielen, die in iPS-abgeleiteten Neuronen noch nicht auftreten. Hierzu zählt z.B. eine verstärkte, durch RyR vermittelte Ca2+-Freisetzung aus dem ER (Thibault et al., 2007). Weiterhin nimmt die PMCA-Aktivität im Alter ab, was zu einer höheren zytosolischen Ca2+-Konzentration und längeren Refraktärzeiten nach Ca2+-Einstrom führt (Hanahisa und Yamaguchi, 2001). Für iPS-abgeleitete dopaminerge Neurone konnte gezeigt werden, dass eine transiente Expression von Progerin, einer trunkierten Form des Lamins A, die mit vorzeitigem Altern assoziiert ist, zur vorzeitigen Induktion altersassoziierter Phänotypen führt (Miller et al., 2013). Es wäre interessant zu untersuchen, ob eine transiente Expression von Progerin und ein derart simulierter Alterungsprozess in jungen MJD-Neuronen modulierend auf die Induktion und Stabilität der Ataxin-3-positiven NIIs wirkt und ob dies im positiven Fall auf eine Reduktion der Autophagie zurückzuführen ist.

Unabhängig davon welcher Mechanismus ursächlich für die Reversibilität der Aggregation ist, zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass durch eine Modulation von Autophagie-assoziierten Signalwegen Ataxin-3-positive NIIs in jungen MJD-Neuronen induziert werden können und die Regulation der Autophagie potentiell eine zentrale Rolle bei

 

der Aggregation von Ataxin-3 spielen könnte. Zur Klärung dieser Hypothese sind Experimente nötig, die die Autophagieaktivität direkt während der Aggregatinduktion messen, wozu Reportersysteme und Markeranalysen erforderlich sind (Übersicht: Klionsky et al., 2012).