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Modifikation von Transportsystemen mit Zell-penetrierenden Peptiden

1. EINLEITUNG

1.4 Kontrollierter Wirkstofftransport

1.4.2 Modifikation von Transportsystemen mit Zell-penetrierenden Peptiden

Soll ein Transportvesikel von Zellen aufgenommen werden, muss es in erster Linie die Barriere der Zellmembran überwinden. Für die meisten Moleküle ist dies unmöglich, allerdings existiert eine Klasse von Peptiden, die in der Lage sind, die Plasmamembran von Zellen zu durchdringen und dabei Cargos in die Zelle zu transportieren. Diese Peptide werden als Zell-penetrierende Peptide (ZPPs) bezeichnet und umfassen eine Klasse meist kationischer Peptide mit einer Größe von 5-30 Aminosäuren.145-151 Das erste ZPP wurde 1988 als Teil des Proteins transactivator of transcription factor (Tat) des HI-Virus entdeckt, welches für die Überwindung der Zellmembran und die Aktivierung des viralen Promoters verantwortlich ist.152-154 Heute sind viele weitere Proteine mit Zell-penetrierender Wirkung bekannt, wobei grundsätzlich für die Penetration selbst lediglich eine kurze Peptidsequenz verantwortlich ist.

Mittlerweile werden sowohl natürliche, als auch synthetische Peptide, meist basierend auf natürlichen Sequenzen, eingesetzt. Im Vergleich zu anderen Transportmethoden wie Transfektion von DNA mittels verschiedener Reagenzien (z.B. Polyethylenimin) oder viraler Vektoren kann bei der Verwendung von ZPP eine gesteigerte Zellaufnahme detektiert

werden.155 ZPP lassen sich auf Grund ihrer physikochemischen Eigenschaften in drei Gruppen einteilen (Abbildung 6 und Tabelle 2).

Die erste Gruppe umfasst kationische ZPP mit einer hohen positiven Nettoladung und mit nur wenigen sauren Aminosäureresten.156 Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass für eine effektive Penetration mindestens acht positive Ladungen benötigt werden.157, 158 Für verschiedene kationische ZPP wie das R8- oder Tat-Peptid wurden Kernlokalisierungs-Eigenschaften beschrieben.159-161

Die zweite Gruppe beinhaltet Peptide mit amphipathischen Eigenschaften wie z.B. MPG162 oder CADY163. Diese Gruppe lässt sich wiederum in zwei amphipathische Untergruppen aufteilen. Die erste Gruppe (primär amphipathisch) weist polare und unpolare Blöcke in ihrer Primärsequenz auf, wohingegen bei der zweiten Gruppe (sekundär amphipathisch) die hydrophoben und hydrophilen Bereiche erst nach Ausbildung der Sekundärstruktur entstehen.

Viele amphipathische ZPP beinhalten zudem einen hohen Anteil an Prolin.164 Synthetische Peptide dieser Gruppe basieren meist auf der aminoterminalen Domäne des Maisproteins γ-Zein oder wurden von Poly-Prolin-Helix basierenden Peptiden abgeleitet.165

Abbildung 6: Gruppen (kationisch, amphipathisch und hydrophob) der Zell-penetrierenden Peptiden.

Gruppe I und II: Exemplarisches Peptid zur Verdeutlichung der Eigenschaften von Peptiden der jeweiligen Gruppe. Sekundär amphipathische Peptide (Gruppe IIb) können neben α-Helices auch β-Faltblätter ausbilden (nicht gezeigt). Gruppe III beinhaltet drei Untergruppen. Lineare hydrophobe Peptide (a): Beispiel zur Verdeutlichung der Eigenschaften von Peptiden dieser Gruppe. Weitere Untergruppen (b/c): schematischer Aufbau. Aminosäureklassen: orange: hydrophob; grün: unpolar; lila: polar; gelb: positiv geladen; rot: negativ geladen.

Die dritte und kleinste Gruppe der ZPP bilden hydrophobe Peptide mit hauptsächlich hydrophoben Aminosäuren. Hier unterscheidet man lineare Peptide, die hauptsächlich auf natürlichen Sequenzen basieren, chemisch modifizierte Peptide, die stapled peptides, und prenylierte Peptide oder Pepduzine.156 Stapled peptides stellen eine neue Klasse von Peptiden dar, die über einen O-Allyl-Serin-Rest vernetzt und dadurch stabilisiert sind, wodurch eine geheftete Struktur entsteht.166 Als Pepduzine werden Peptide bezeichnet, die mit Lipiden modifiziert sind, mit deren Hilfe sie die Plasmamembran durchdringen können.167

Wie genau ZPP die Plasmamembran überwinden ist nicht bekannt. Der Aufnahmeweg eines ZPPs ist abhängig von den Eigenschaften des Peptids, worüber es mit verschiedensten Zelloberflächenmolekülen interagieren kann. Je nach Interaktionspartner variiert der Aufnahmeweg, aber auch eine direkte Penetration ist möglich. Generell wird davon ausgegangen, dass die erste Interaktion auf elektrostatische Wechselwirkungen der ZPP mit den negativ geladenen Proteoglykanen und Phospholipiden eingeleitet wird.168-172 Die Art der Aufnahme in die Zelle ist stark vom gebundenen Cargo, der Konzentration des ZPPs in Lösung, des Typs der aufnehmenden Zelle sowie der Inkubationszeit und -temperatur abhängig.162,

173-177 Das Tat-Peptid zeigt gebunden an ein großes Cargo eine Aufnahme mittels Endozytose, gebunden an ein kleines Cargo aber eine Aufnahme mittels Penetration.177 Nicht nur der Aufnahmeweg kann sich je nach ZPP unterscheiden, sondern auch die Art der Prozessierung innerhalb der Zelle. So konnte für das R8- bzw. R16-Peptid jeweils der gleiche Aufnahmemechanismus, aber eine unterschiedliche Prozessierung innerhalb der Zelle nachgewiesen werden.178 Mittels ZPP können verschiedene Cargos wie DNA, RNA, Peptide, Proteine oder Transportsysteme wie Liposomen oder Nanopartikeln transportiert werden.146-151 Die Kopplung des Cargos an ein ZPP kann kovalent oder nicht-kovalent erfolgen. Der Transport von ZPP/Cargo erfolgt nicht nur in vitro, sondern auch in vivo z.B. bei der Verabreichung des gekoppelten ZPP (D)R8 an Doxorubicin bei Mäusen.159 Hier akkumuliert das ZPP/Cargo Konjugat im Tumorgewebe, wodurch gezeigt werden konnte, dass ZPPs sich auch für einen gezielten Wirkstofftransport eignen. Viele bisher kaum von Zellen aufgenommene Transportsysteme oder Wirkstoffe könnten durch die Verbindung mit einem ZPP so zur Medikation eingesetzt werden.

Tabelle 2: Repräsentative Zell-penetrierende Peptide unterteilt in die drei Gruppen kationische, amphipathische und hydrophobe Peptide.

ZPP Sequenz Herkunft

Kationisch

Tat154 YGRKKRRQRRR TAT Domäne

Poly-Arginin (R8-R16)157-159,

178-183

RRR[R]1-8RRRR synthetisch

Penetratin184, 185 RQIKIWFQNRRMKWKK Antennapedia Homeodomäne

DPV3186 RKKRRRESRKKRRRES humane Heparin-

Bindeproteine

R6H4187 RRRRRRHHHH synthetisch

KAFAK188 KAFAKLAARLYRKALARQLGVAA synthetisch

NLS161 CGYGPKKKRKVGG SV40 NLS Peptid

(RXR)4189 (R-Ahx8-R)4 synthetisch

Protamine-1190 PRRRRSSSRPVRRRRRPRVSRRRRRRGGRR

RR DNA-Bindeproteine

Amphipathisch

RGD155, 191 GRGDSY verschiedene z.B. Fibronektin

pVEC192 LLIILRRRIRKQAHAHSK murines vaskulärea

Endothel-Cadherinprotein

BPrP(1-28)193 MVKSKIGSWILVLFVAMWSDVGLCKKRP N-Terminus des bovinen Prionproteins

SAP194 (VRLPPP)3 N-terminale Domäne von

γ-Zein

MPG162, 195, 196 GALFLGWLGAAGSTMGAPKKKRKV Glykoprotein 41

Bac7197, 198 RRIRPRPPRLPRPRPRPLPFPRPG Bactenecin-Familie der

antimikrobiellen Peptide hLF199 KCFQWQRNMRKVRGPPVSCIKR antimikrobielles Peptid

CADY163 GLWRALWRLLRSLWRLLWRA synthetisch

ARF(1-22)200 MVRRFLVTLRIRRACGPPRVRV p14ARF Protein

MAP201 KLALKLALKALKAALKLA synthetisch

hydrophob

VPTLK202, 203 VPTLK Bip

FGF204 PIEVCMYREP zelluläre und virale Proteine

PFV205 PFVYLI C105Y

SG3206 RLSGMNEVLSFRWL randomisierte

Peptid-Bibliothek

Pep-7195, 207 SDLWEMMMVSLACQY CHL8