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Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger

Im Dokument Drogen- und Suchtbericht Mai 2007 (Seite 50-53)

5.1 Daten zur Rauschgiftkriminalität

5.3.3 Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger

Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opi-atabhängiger wird von einer gemeinsamen Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit, der Länder Ham-burg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie der Städte Bonn, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Köln und München getragen und durch die Bundesärzte-kammer beratend begleitet. Mit der wissenschaftlichen Planung und Durchführung der Studie war das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Ham-burg beauftragt.

Die erste Studienphase bestand aus einem klinischen Arz-neimittelversuch, bei dem ca. 500 Patienten mit Diamor-phin und als Vergleichsgruppe ebenso viele Patienten mit Methadon behandelt wurden. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Arzneimittelversuchs im ersten Studienjahr waren:

Die im Studiendesign aufgeführten Zielgruppen der Schwerstopiatabhängigen sind erreichbar und eine Dia-morphinbehandlung ist wirksam durchführbar. Es zeigte sich eine statistisch signifikante Überlegenheit der

Gemeldete Substitutionspatienten pro 100.000 Einwohner (Stichtag 01.10.2006) Hamburg

Bremen Berlin Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Hessen Baden-Württemberg Niedersachsen Saarland Bayern Rheinland-Pfalz Sachsen Anhalt Sachsen Thüringen Mecklenburg-Vorpommern Brandenburg

0 50 100 150 200 250

Diamorphin- gegenüber der Methadonbehandlung bei einer Verbesserung des Gesundheitszustandes und des Rückgangs des illegalen Drogenkonsums. In der Diamor-phingruppe zeigte sich bei 80 % der Probanden eine gesundheitliche Verbesserung, in der Vergleichsgruppe der Methadonbehandelten bei 74 %. Ein Rückgang des ille-galen Drogenkonsums trat in der Diamorphingruppe bei 69,1 % der Probanden auf, in der Methadongruppe bei 55,2 %. Auch wenn nur als Erfolg betrachtet wird, dass die Patienten eine deutliche gesundheitliche Verbesserung erfahren und zugleich ihren illegalen Heroinkonsum reduzieren, ist die Diamorphinbehandlung der Metha-dontherapie deutlich überlegen. Da die Unterschiede sta-tistisch signifikant sind, ist ein wissenschaftlicher Nach-weis für eine größere Wirksamkeit der Diamorphinbe-handlung gegenüber der Methadonsubstitution für diese Patientengruppe erbracht.

Die Diamorphinbehandlung ist bei Patienten, die vor der Teilnahme an der Studie nicht ausreichend von der Metha-don-Substitution profitierten, und bei vom Drogenhilfe-system zuvor nicht erreichten Opiatabhängigen gleicher-maßen wirksam.

Der Anteil der psychosozialen Betreuung am Behand-lungserfolg unterscheidet sich nicht zwischen den mit Diamorphin und den mit Methadon Behandelten.

Nach zwölf Monaten befanden sich noch zwei Drittel der Studienteilnehmenden in der Diamorphinbehandlung, in der Methadongruppe beendeten nur knapp 40 % ihre Behandlung. Dies ist vor allem darin begründet, dass ein Drittel der Kontrollgruppe zugelosten Probanden die Behandlung nicht antrat. Knapp ein Drittel der Patientin-nen und Patienten, die aus der Diamorphingruppe aus-schieden, wechselten in eine andere Substitutionsbe-handlung, knapp 6 % in eine Abstinenztherapie. Mit der diamorphingestützten Behandlung können folglich mehr Opiatabhängige therapeutisch erreicht werden, die – einmal erreicht – in andere etablierte Therapien über-führt werden können.

Diamorphinpatienten können sich in größerem Ausmaß von der Drogenszene lösen. So suchte nach zwölf Mona-ten die Hälfte der HeroinpatienMona-ten die Drogenszene nicht mehr auf, innerhalb der Methadonbehandlung hatten noch 60 % der Patienten Kontakt zur Szene.

Die Abnahme der Kriminalität verläuft unter der Dia-morphinbehandlung positiver als unter der Methadon-substitution. So waren z. B. zum Abschluss der ersten Studienphase signifikant weniger Patienten der Diamor-phingruppe (knapp 30 %) im Monat zuvor in „illegale Geschäfte“ verwickelt als Methadonpatienten der Kontrollgruppe (mehr als 40 %).

Die durchschnittliche Tagesdosis mit Diamorphin pro Patient betrug über den gesamten Zeitraum 442 mg.

Nach der patientenspezifischen Einstellung wurde die Dosis im Verlauf der Behandlung nicht gesteigert.

Im zweiten Studienjahr wurden die Ergebnisse des Arznei-mittelversuchs vertieft:

Es kommt zu einer weiteren Verbesserung der körper-lichen und psychischen Gesundheit sowie zu einer Reduk-tion des Beikonsums illegaler Drogen im Rahmen der diamorphingestützten Therapie.

Die Patienten, die nach einem Jahr Methadontherapie in die Diamorphingruppe gewechselt sind, erreichen in den zwölf Monaten Behandlung die gleiche Verbesserung der Gesundheit und Reduktion des Beikonsums wie zuvor die Diamorphingruppe.

Die Ergebnisse der zweiten Studienphase lassen den Schluss zu, dass die Diamorphinbehandlung auch langfristig weiterhin erfolgreich verläuft. Die insgesamt positiven Effekte stellen eine solide Grundlage für einen späteren Wechsel der Patienten in eine Substitutionsbe-handlung mit einer anderen Substanz dar oder deuten darauf hin, dass es den mit Diamorphin behandelten Patienten – nach einer längeren Phase der Stabilisierung – gelingen kann, die Substitutionsbehandlung mittelfristig ganz zu beenden und in eine drogenfreie Anschluss-therapie zu wechseln.

Bestätigt werden die positiven Wirkungen der Diamor-phinbehandlung durch die Patienten, die von Methadon auf Diamorphin wechselten. In dieser Untersuchungs-gruppe lassen sich nach Umstellung der Substitutionsme-dikation deutlich positive Veränderungen aufzeigen. Sie deuten darauf hin, dass die Gruppe der so genannten Schwerstabhängigen mit Diamorphin wirksamer

behan-delt werden kann als mit Methadon. Hinsichtlich der in der Hauptstudie untersuchten Wirkungen anhand der primä-ren Zielkriterien „Verbesserung des Gesundheitszustan-des“ und „Reduktion des illegalen Drogenkonsums”

unterscheiden sich die beiden Formen der psychosozialen Begleitung (Case Management und Psychoedukation) nicht. Für beide gilt, dass sich eine längere Betreuungs-dauer und intensivere Kontakte zu den psychosozialen Fachkräften positiv auf den Gesundheitszustand, die Bela-stungen durch den illegalen Drogenkonsum und die soziale Situation auswirken.

Zusammenfassend für alle Delikte ergibt sich, dass im Vor-jahr der Behandlung noch ca. 80 % in der Diamorphin-gruppe bzw. vergleichbar viele in der MethadonDiamorphin-gruppe ein Delikt begangen hatten. Nach dem ersten Behand-lungsjahr waren dies in der Diamorphingruppe nur noch knapp die Hälfte, in der Methadongruppe hingegen noch mehr als 60 %. Die Abnahme der Delinquenz war am stärksten im ersten Behandlungsjahr. Auch im zweiten Behandlungsjahr mit Diamorphin konnte eine zusätzliche Verbesserung festgestellt werden, so dass von einem sich stabilisierenden Trend ausgegangen werden kann. Diese Rückgänge betrafen nicht nur Beschaffungsdelikte wie Ladendiebstähle und Drogenhandel, sondern auch Gewaltdelikte wie Körperverletzungen mit und ohne Waffen. Damit weist die Studie eine generell stabilisieren-de, kriminalitätsmindernde Wirkung der Diamorphinver-gabe nach.

Der Fortgang der Diamorphinbehandlung in Deutschland ist ungeachtet der positiven Ergebnisse des Modells ungewiss. Ein Antrag auf Zulassung von Diamorphin als Arzneimittel liegt dem für Arzneimittelzulassungen in Deutschland zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor. Das BfArM hat den Antrag fachlich positiv beurteilt, kann das Medikament jedoch erst zulassen, wenn zuvor eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes erfolgt, welches derzeit das Verschreiben von Diamorphin verbietet.

Die für eine Diamorphinbehandlung als Regelversorgung erforderliche Gesetzesinitiative zur Änderung des Betäu-bungsmittelrechts konnte bisher von der Bundesregie-rung nicht in den Deutschen Bundestag eingebracht

wer-den, da nach Abschluss des Modells zwischen den beiden Regierungsfraktionen keine Einigung zustande gekom-men ist. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, über eine Bundesratsinitiative einen entsprechenden Geset-zesentwurf einzubringen.

Die Patienten des Projekts werden seit 1. Januar 2007 auf der Basis einer auf das öffentliche Interesse gestützten Ausnahmeerlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 des Betäubungsmit-telgesetzes zunächst weiter mit Diamorphin behandelt.

Stellungnahme der Bundesärztekammer zu einer kontrollierten Heroinabgabe bei Schwerstopiatabhängigen

Die Bundesärztekammer hat sich auf der Grundlage der Ergebnisse der Arzneimittel-Zulassungsstudie und nach intensiven Diskussionen mit den Landesärztekammern in einer Stellungnahme für eine kontrollierte Vergabe von Diacetylmorphin an Schwerstopiatabhängige ausgespro-chen. Voraussetzung dafür ist, dass bei den als Zielgruppe vorgesehenen langjährig Abhängigen zuvor sowohl eine abstinenzorientierte als auch eine psychosozial begleite-te Substitutionstherapie mit Methadon gescheibegleite-tert sind.

Zudem muss sich die Substitution mit dem Originalstoff am übergeordneten Ziel der Suchtfreiheit ausrichten.

Vorgestellt: Dr. Dieter Kunz, Verein Jugendberatung und Jugendhilfe e. V., Frankfurt

5.3.4 Behandlung Drogenkonsum-assoziierter

Im Dokument Drogen- und Suchtbericht Mai 2007 (Seite 50-53)