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Ein Modell zum je individuellen Weg der Arbeitsmarktintegration von Migranten

Dazu sind zunächst einige theoretische Rahmenüberlegungen zu nennen: Der Weg von noch nicht beschäftigten, neu angekommenen Zugewanderten kann anhand des im Netzwerk

„Integration durch Qualifizierung“ entwickelten Modells einer „Prozesskette zur berufli-chen Integration“18 als Aufeinanderfolge mehr oder weniger unterstützter Lern- und Entwicklungsschritte verstanden werden, die nicht alle und auch nicht in festgelegter Reihenfolge zu gehen sind. Besonders die Verknüpfung von praktischer Arbeitserfahrung und fachlicher und/oder sprachlicher Qualifizierung ist aktuell im Blick auf einen schnellen Zugang Geflüchteter zum Arbeitsmarkt stark in der Diskussion: So ermöglichen die Kurse zum berufsbezogenen Deutsch im Rahmen des „Gesamtprogramms Sprache“ der Bundes-regierung eine stärkere Verzahnung mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bzw. betrieb-licher Praxiserfahrung (Bundesagentur für Arbeit 2017).

Interkulturelle Öffnung und Anstrengungen zur Verankerung von Diversity Management in den Unternehmenskulturen sind dabei eine Daueraufgabe für Unternehmen und Arbeit-geber; sie sind deshalb in der folgenden Abbildung als Querbalken über alle Abschnitte der Prozesskette hinweg skizziert. Der begleitende Pfeil „Beratung, Begleitung,

Deutschförde-18 Das bundesweite Netzwerk „Integration durch Qualifizierung – IQ“, gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und phasenweise aus dem Europäischen Sozialfonds, besteht seit 2005. Zunächst mit sechs sogenannten Entwicklungspartnerschaften im EU-Programm „EQUAL“, ist es mittlerweile als bun-desweites Förderprogramm mit über 400 Teilprojekten etabliert. Zum Konzept der Prozesskette: Netzwerk

„Integration durch Qualifizierung“ 2009.

A1 „Individualisten“ mit nach ihrem Bedarf punktueller, überwiegend informatorischer Anbin-dung an Einrichtungen/Institutionen

A2 Informelle Helferkreise mit unterschiedlichen Graden von Arbeitsteilung und herausge-hobener Verantwortung (Arbeitsgruppen, Sprecher)

A3 Aktive in Gruppen unterschiedlicher Größe in Anbindung an die Ehrenamtskoordinationen von Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbänden, Kommunen oder Paten-, Mentoring- oder ähnlichen Projekten und -netzwerken

A4 Helferkreise, die sich für Stadtteile, kleinere Gemeinden oder auch stadt- bzw. kreis-weit als eingetragene Vereine formalisieren und damit u. a. Voraussetzungen für die Ein-werbung von Fördermitteln und die Einstellung bezahlten Personals, oft zunächst auf 450-Euro-Basis, schaffen. Sie schaffen damit auch Voraussetzungen dafür, dass aus Frei-willigen/Ehren-amtlichen dann Hauptamtliche/bezahlte Professionelle werden.

A5 Asylkreise und -initiativen, die z. T. schon seit den 1990er-Jahren oder länger bestehen und in unterschiedlicher Mischung asylpolitisches und im Einzelfall helfendes Engagement ver-binden.

rung“ zeigt an, dass für jeden Entwicklungsschritt entlang des je persönlichen Integrations-verlaufs individuell passgenaue Unterstützung und Begleitung sinnvoll, ja notwendig ist.

Das Wortbild der Kette deutet an, dass die Leistungen der Unterstützung und Begleitung eng miteinander verzahnt sein sollen. Diese Leistungen waren im Modell und in der Praxis des Netzwerks Integration durch Qualifizierung (IQ) fast durchweg als professionelle Leistun-gen angelegt. Inzwischen wird aber im Förderprogramm IQ insgesamt der Beitrag freiwillig Engagierter zur Arbeitsmarktintegration gerade auch von Flüchtlingen stärker gewichtet.

So wurden zur Bearbeitung des Themas eigene Stellen geschaffen und Verantwortlichkeiten definiert. Für ehrenamtlich Aktive mit Migrationshintergrund wurde ein Schulungskonzept entwickelt, das in allen Bundesländern umgesetzt wird. Die Schulungen beziehen sich v. a.

auf die Vermittlung der Angebote zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Qualifizie-rungsangebote oder Angebote der Kompetenzfeststellung des Netzwerks IQ.

Das Modell der Prozesskette wurde im Netzwerk IQ in Jahren einer sehr geringen Neu- zuwanderung nach Deutschland (2007 bis 2009) entwickelt. Zielgruppe der Leistungen und Angebote des Netzwerks IQ waren wegen der in den Anfangsjahren des Programms niedrigen Zuwandererzahlen v. a. Migrantinnen und Migranten, die schon längere Zeit in Deutschland lebten oder sogar hier aufgewachsen waren. Geflüchtete aus den nicht-europäischen Asylherkunftsländern machten jedoch im Januar 2016 bereits 16,3 Prozent aller ausländischen Arbeitslosen aus; von ihnen lebte ein erheblicher Teil schon länger in

ABBILDUNG 1 Prozesskette der (beruflichen) Integration

Quelle: Netzwerk Integration durch Qualifizierung 2009: 6

Interkulturelle Öffnung und Diversity Management

Beratung, Begleitung, Deutschförderung Zugang,

Ansprache und Information

berufliche Orientierung und Planung

Umsetzung und

Qualifizierung

Einstieg und Aufnahme der Arbeit

Sicherung und Ausbau der Arbeit

Deutschland. Durch den Flüchtlingszustrom seit Sommer 2015 hat sich dieser Anteil bis zum April 2018 auf 29,9 Prozent (= gut 193.000 Personen) fast verdoppelt.

Diese Neuankömmlinge aus der Fluchtzuwanderung seit 2014 stehen vor deutlich höheren Hürden beim Einleben und beim Erwerb bzw. der Erarbeitung eines persönlichen Kompe-tenzprofils, das zu den Anforderungen an Arbeitsplätze hierzulande passt. Ihr Sprach- und kultureller Horizont ist, angefangen bei ihrem Sprach- und Schrifterwerb, von den vielen Selbstverständlichkeiten des Alltagslebens in Deutschland meist weiter entfernt als das für den Großteil der zugewanderten Gastarbeiter seit den 1950er-Jahren galt.

Die fünf Abschnitte der Prozesskette konzentrieren sich auf unmittelbar mit einzelnen Arbeitsverrichtungen und -leistungen verknüpfte Aspekte von Qualifikation. Um sich aber als Neuankömmling in der Arbeitsumgebung im neuen Land treffsicher orientieren und verhalten zu können, ist ein Verhaltensrepertoire gefordert, das in einer Art „zweiter Sozi-alisation“ durch dichte und vielfältige neue Lebenserfahrung erworben werden muss. Das wird z. B. daran deutlich, wie stark in Stellenbeschreibungen vor dem Hintergrund neuer Technologien und neuer Formen von Arbeitsorganisation mit oft flachen Hierarchien so-zial-kommunikative Kompetenzen wie Teamfähigkeit als Anforderung hervorgehoben wer-den. Solche eher informell greifbaren arbeitskulturellen Regeln müssen Neuankommende verstehen, ehe sie sich daran halten können. Dazu ist – neben unerlässlicher praktischer Erfahrung – auch ein Regelwissen nötig, das vermittelt werden muss. In den Unterrichts-einheiten zu Regeln am Arbeitsmarkt im Rahmen der Integrationskurse sind solche eher informellen Verhaltensimperative kaum Thema.

Das Gesamtbündel der aktuell im Arbeitsmarkt geforderten arbeitskulturellen Kompeten-zen wurde in einer sehr kontrovers begleiteten, EU-weiten arbeitsmarktpolitischen Debatte unter dem neuen Paradigma der Aktivierung im Konzept der Beschäftigungsfähigkeit ver-dichtet. In diesem Begriff stecken ähnlich wie im Begriff der Ausbildungsreife neben dem Bezug auf Wissen (Fach- und Allgemeinbildung) und Fertigkeiten auch viele Aspekte von Persönlichkeit, Verhaltensdispositionen, Motivationen und dem Umgang mit eigenen Inte-ressen in der Balance mit Anforderungen am Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz.

Das folgende vereinfachte Schema deutet die Bandbreite der Elemente an, die in ihrer Summe und ihrem Zusammenwirken Beschäftigungsfähigkeit ausmachen:

ABBILDUNG 2 Komponenten und Dimensionen individueller Beschäftigungsfähigkeit

Quelle: Brussig und Knuth 2009: 288

Qualifikations- und tätigkeits-bezogene Komponente

Marktbezogene

Komponente Soziale Stabilität

Individuelle Beschäftigungsfähigkeit

Qualifikationen und Kompetenzen

Suchverhalten Persönliche Umstände und soziales Umfeld

Konzessions-bereitschaft Gesundheit

Ressourcen bei der Arbeitssuche

Leistungen Freiwilliger zur Unterstützung der Beschäftigungsfähigkeit der