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MIT JOB CRAFTING DIE EIGENE ARBEIT GESTALTEN

Im Dokument INFORMATIK WIRTSCHAFTSINFORMATIK (Seite 73-76)

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Beruf

PERSPEKTIVEN | Informatik, Wirtschaftsinformatik dass ihn beide Welten interessie-ren – Informatik und Betriebs-wirtschaft.

Angestellt als IT-Projektleiter und Scrum Master, ist Oliver Benoit aktu-ell als Business Analyst tätig. Parallel ist er Coach einer Junior Projektleiten-den innerhalb des Projektleiter-Pools und unterstützt als Projektmanage-ment-Experte das Qualitätsmanage-ment der SBB Informatik.

JOB CRAFTING

«Ich übe unterschiedliche Rollen in-nerhalb meiner Firma aus. Als IT-Pro-jektleiter leite ich Projekte und gestal-te den Rahmen für das operative Pro- jektteam, damit es ein Projekt effizient und abgestimmt bearbeiten und um-setzen kann. Es geht um Kommunika-tion mit Stakeholdern, Planung, Struk-turierung und Steuerung sowie um Führung und Motivation des Projekt-teams.

In der SBB IT nutzen wir vermehrt agile Vorgehensmodelle wie Scrum.

Dabei wird die Rolle des IT-Projektlei-ters immer stärker durch die Rolle des Scrum Masters ersetzt. Als Scrum Master bin ich dafür verantwortlich, dass das Modell ‹Scrum› verstanden und durchgeführt wird, achte darauf, dass vom Projektteam Theorie, Prak-tiken und Regeln eingehalten werden und kümmere mich um die Behebung von Störungen und Hindernissen im Projekt. Mir gefällt es, Strukturen für ein Projekt aufzubauen oder anzupas-sen, die nächsten Schritte zu überle-gen, mir einen Gesamtüberblick zu verschaffen und das Team zu unter-stützen, wenn es feststeckt.

Zurzeit darf ich im Rahmen eines Sta-ge als Business Analyst in einem Pro-gramm mitarbeiten, das sich um die Vereinfachung und Harmonisierung bestimmter Geschäftsprozesse sowie um die Einführung einer neuen SAP-ERP-Software kümmert. Ich unter-stütze ein Team bei der Planung und Erarbeitung von Fachkonzepten wie beispielsweise zum Thema Digital Twin oder bei der Identifikation, Ana-lyse und Klärung von projektspezifi-schen Fragestellungen. Ich muss zuhö-ren, verstehen, analysiezuhö-ren, hinter-

fragen, aufdecken, strukturieren, auf-zeigen, dokumentieren und planen.

Mittlerweile übe ich vermehrt Job Crafting aus, das heisst, ich suche mir meinen Aufgabenbereich selbst, dort, wo ich Bedarf und Notwendigkeit sehe und wo ich meine unterschiedlichen Skills einsetzen kann. Deshalb ist es für mich nicht einfach, typische Tätig-keiten zu beschreiben. Ich glaube, dass es vor allem in der IT diverse Rollen und Tätigkeiten gibt, die sich stetig weiterentwickeln, sodass es heute kei-ne eindeutigen Berufsbezeichnungen mehr gibt. Mit Job Crafting kann ich meine Skills gezielt und dennoch auf unterschiedliche Weise einsetzen und gleichzeitig meine Interessen verfol-gen.

VERÄNDERUNG ALS ZENTRALES ELEMENT

Veränderungen sind ein zentrales Ele-ment der Wirtschaftsinformatik. Die stetige Weiterentwicklung der Tech-nik, die wachsende globale Wirtschaft, besondere Ereignisse in Gesellschaft und Umwelt erfordern eine kontinuier-liche Weiterentwicklung von Arbeits-methoden, Organisationsstrukturen und Zusammenarbeit, Kultur, Prozes-sen und Unternehmenstätigkeiten.

Auf methodischer Ebene werden ver-mehrt flexible Methoden, Techniken und Werkzeuge geschaffen. Neue, agi-le Vorgehensmodelagi-le liefern neue Tech-niken und Werkzeuge für das Projekt- und Produktmanagement. Es braucht

«Für methodische Neuerun-gen braucht es auch auf organisatorischer Ebene Veränderungen. Bisherige, eher starre Strukturen wie eine Linienorganisation müssen durch flexible, ver-netzte Strukturen abgelöst werden, um agilen Methoden überhaupt Raum zu geben.»

neue Methoden, um beweglich agieren und auf Veränderungen flexibel re-agieren zu können. Für methodische Neuerungen braucht es auch auf orga-nisatorischer Ebene Veränderungen.

Bisherige, eher starre Strukturen wie beispielsweise eine Linienorganisation müssen durch flexible, vernetzte Strukturen abgelöst werden, um agi-len Methoden überhaupt Raum zu ge-ben.

Es gibt bereits Unternehmen, die sich so umstrukturieren – auch die SBB Informatik. Neue Organisationsstruk-turen wiederum bedingen eine Verän-derung von Kultur und der Art und Weise, wie Menschen im Unternehmen zusammenarbeiten. Agile Werte müs-sen verstanden und gelebt werden, sonst führen agile Methoden zu keiner Verbesserung.

Dieser Wechsel benötigt viel Zeit, weil es eine starke Veränderung für jeden Einzelnen ist. Bekannte Rollen wie Projektleiter wird es in dieser Form nicht mehr geben, die Verantwortlich-keiten werden anders verteilt werden, sodass sie besser auf das Konstrukt agiler Softwareentwicklung passen.

Skills und Aufgaben von Projektleiter oder Business Analyst wird es weiter-hin brauchen, aber Aufgaben wie die Planung der nächsten Arbeitsschritte oder die Erarbeitung von Anforderun-gen werden künftig gemeinsam im Team getragen, ausgeführt und ver-antwortet werden, andere Tätigkeiten fallen weg und neue kommen dazu.

Ich selbst bilde mich stetig weiter, um diesen Veränderungen gerecht zu wer-den. So habe ich das ITIL Foundation Certificate in IT Service Management abgeschlossen, einen Kurs in Agile Leadership belegt, ein Intensivsemi-nar für das SAP-Modul PM/EAM ab-solviert sowie diverse interne Projekt-managementkurse besucht. Seit 2017 bin ich Certified Scrum Master.

Im Alltag habe ich mit internen und externen Mitarbeitenden aus IT und Business, teilweise auch mit Lieferan-ten und IT-FachleuLieferan-ten aus anderen Unternehmen, zu tun. Meist arbeiten wir in Projekträumen vor Ort oder in virtuellen Sitzungen zusammen. Ich bin in diversen Büros der SBB unter-wegs. Seit sechs Jahren habe ich kei-nen fixen Arbeitsplatz mehr.

CHALLENGE IM ARBEITSALLTAG Eine Herausforderung ist es, die rich-tigen Personen mit den richrich-tigen Skills

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zur gewünschten Zeit am gewünsch-ten Ort einsetzen zu können und mit dem geplanten Budget, in der geplan-ten Zeit und in der entsprechenden Qualität die definierten Inhalte zu liefern bzw. das Projekt abzuschlies-sen.

Unvorhergesehene Ereignisse können tagtäglich eintreffen. Daher müssen laufend Kompromisse geschaffen oder andere Lösungen gefunden werden.

Auch bestehen Abhängigkeiten und Überschneidungen zwischen Aufga-ben, Teams und Projekten. Es braucht also kontinuierliche Abstimmungsar-beit. Nicht zuletzt ist auch die wach-sende Komplexität der Technik her-ausfordernd.

Mühe bereitet es mir manchmal, be-stimmten Personen wiederholt hinter-her rennen zu müssen, weil wertvolle Zeit verloren geht. Auch Machtrange-leien oder eine Hidden Agenda können ein Projekt ausbremsen. Ich versuche, mit Transparenz, Ehrlichkeit und dem Fördern des gemeinsamen Nutzens unter allen Beteiligten zu wirken. Ein guter Teamspirit ist für mich ein fun-damentales Element bei meiner Ar-beit. Der gegenseitige Umgang im Team, gegenseitige Unterstützung, Wertschätzung und die Stimmung un-tereinander erachte ich als zentral, damit ein Projekt erfolgreich realisiert werden kann.

HIGHLIGHTS UND ANFORDERUNGEN Es ist immer ein Highlight, wenn es in einem Projekt, das ich aufgebaut, ge-plant und strukturiert habe, einen Moment gibt, bei dem alle Projektmit-arbeitenden zufrieden, keine grösse-ren Probleme bekannt sind und das Geplante in den von mir und vom Pro-jektteam aufgestellten Projektstruk-turen gut und effizient abgearbeitet werden kann.

Zentrale Softskills für meinen Berufs-alltag sind Teamwork, Flexibilität, Interesse für konzeptionelle Tätigkei-ten, Kommunikation, Planung, Struk-turierung und Denkarbeit sowie Selbstmanagement. Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass sich meine Ar-beit meistens über Monate oder sogar Jahre hinzieht. Im Projektgeschäft arbeitet man nicht nur ein paar Tage

oder ein, zwei Wochen an einem The-ma. Vielmehr verfolgt man, verteilt auf unterschiedliche Phasen, zwei, drei abgesteckte Projektziele und ar-beitet schrittweise einzelne Pakete ab, die schliesslich in einem Gesamtziel enden.

TIPPS FÜR STUDIENWAHL UND STUDIUM

Ein oder zwei Praktika zu machen, kann ich nur empfehlen, denn diese geben Einblicke in Tätigkeiten und die Struktur von Unternehmen und Bran-chen und das hilft, sich einfacher ent-scheiden zu können. Ich hatte vor dem Studium ein Praktikum in Portfolio-Management gemacht. Dort habe ich gemerkt, dass mich beide Welten und vor allem die Verbindung und Heraus-forderungen zwischen IT und Be-triebswirtschaft sehr interessieren.

Deshalb habe ich entschieden, Wirt-schaftsinformatik zu studieren.

Sehr empfehlen kann ich auch, das Studium wenn möglich berufsbeglei-tend zu absolvieren, idealerweise be-reits in einer Rolle, die man später ausüben möchte. Das ist anstrengend und erfordert viel Selbstmanagement und Durchhaltevermögen, aber der Nutzen der ‹Realtime›-Kombination von Theorie und Praxis ist aus meiner

Sicht gross und macht das Studium Porträt Nora Kehlstadt

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spannender, weil das Gelernte direkt erlebt werden kann.»

(Anmerkung der Redaktion: Nur weni-ge Monate nach dem Interview trat Oliver Benoit eine Stelle als Business Analyst bei der Post an.)

Kommunikation mit Stakeholdern, Planung, Strukturierung und Steuerung sowie Führung und Mo-tivation des Projektteams sind Aufgaben von Oliver Benoit als IT-Projektleiter, einer seiner Rollen bei der SBB Informatik.

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