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1. Einleitung

1.4 Mikrobiell-induzierte Karbonatfällung

Die wichtigsten Faktoren bei der Verkalkung, d.h. der Mineralisation von Biofilmen bzw.

mikrobiellen Matten sind die extrazellularen polymerischen Substanzen (EPS) von Cyanobak-terien und BakCyanobak-terien sowie die hydrochemische Zusammensetzung des umgebenen Wassers.

An Biomineralisationsprozessen wird zwischen der biologisch kontrollierten Mineralisation, der biologisch induzierten Mineralisation und der Organomineralisation unterschieden.

Nach Lowenstam & Weiner (1989) unterliegt der Prozess der biologisch kontrollierten Mineralisation vollständig der Kontrolle durch den Organismus. Über enzymatisch gesteuerte (z.B. Ca2+-ATPase), ionenspezifische Membranpumpen werden die zum Skelettaufbau benötig-ten Kationen in das System involviert. Das resultierende Skelett ist ein funktionaler Teil des Organismus.

Im Gegensatz dazu wird die biologisch induzierte Mineralisation als ein metabolisches Nebenprodukt definiert (Lowenstam, 1981; Lowenstam & Weiner, 1989). Die Mineralausfällung und die Minerale sind von dem aquatischen Milieu abhängig, in dem der Organismus lebt.

Enzymatisch gesteuerte Systeme spielen bei der Mineralausfällung keine Rolle.

Die Organomineralisation ist ein in situ stattfindender Mineralisationsprozess, der an organische Moleküle oder Partikel von lebenden Organismen oder toter Materie gebunden ist (Défarge &

Trichet, 1995; Trichet & Défarge, 1995; Reitner et al., 1995). Saure Biopolymere können dabei nach dem Absterben und der Zersetzung von Organismen im sedimentären Environment weiterhin verkalken (Défarge & Trichet, 1995; Trichet & Défarge, 1995).

Mit der Rolle und der Funktion von Makromolekülen bei der biologisch kontrollierten Mineralisation beschäftigten sich bereits eine Anzahl von Autoren (z.B. Degens, 1976, 1979, 1989; Lowenstam, 1981; Mann, 1988; Lowenstam & Weiner, 1989; Simkiss & Wilbur, 1989;

Reitner, 1993; u.a.). Das Konzept der biologisch induzierten Mineralisation („organic matrix-mediated mineralisation“) wurde von Mitterer (1968) und Mitterer & Cunningham (1985) auf die Mineralisation von Kalziumkarbonat auf einem Substrat und damit auf die Biofilmminerali-sation übertragen.

Der „organic matrix-mediated mineralisation“ liegt eine Matrize aus organischen Makromole-külen zugrunde, die aus polyanionischen Polymeren mit Monomeren aus Aminosäuren, Zuckern und Proteinen besteht (Marsh, 1994a, 1994b). An die Monomere sind verschiedene Seitenketten gebunden.

In Exoskeletten von Invertebraten unterteilt sich die organische Makromolekülmatrize nach der Auflösung des Minerals in EDTA (Ethylendiamin-Tetraacetat) in eine lösliche (SOM) und eine unlösliche Fraktion (IOM; u.a. Simkiss & Wilbur, 1989).

Der lösliche Anteil der Matrize ist durch Monomere mit negativ geladenen Endgruppen, vorwiegend Aminosäuren mit Karboxyl-Seitenketten (COO-), charakterisiert.

An der Bio- und Organomineralisation sind im Wesentlichen die Aminosäuren Asparaginsäure (Asp) und Glutaminsäure (Glu) beteiligt (Mitterer, 1968), die jeweils durch zwei negativ geladene Karboxylgruppen charakterisiert sind. Da nur eine dieser negativ geladenen Karboxylgruppen bei der Peptidbindung neutralisiert wird, haben diese Aminosäuren einen sauren Chemismus. Saure Makromoleküle können aufgrund der freien Karboxyl- und/oder Sulfatgruppen divalente Kationen wie Ca2+, Mg2+ und Sr2+ binden. Durch diese Komplex-bildungsfähigkeit sind saure Makromoleküle beim initialen Prozess der Kristallkeimbildung (Nukleationsprozess) für die Biomineralisation entscheidend. Neben der nur im Labor erzeugbaren homogenen Nukleation, ist die unter natürlichen Bedingungen vorkommende heterogene Nukleation von größerer Bedeutung.

Strukturvergleichende Untersuchungen von Makromolekülen und Kristallen der Biominerali-sation ergaben eine Bildung flacher polypeptidischer Ketten aus sauren Aminosäuren (= SOM) auf neutralen, nicht reaktiven Oberflächen (= IOM) (Addadi & Weiner, 1985, 1989; Weiner, 1986).

Die Ketten der löslichen, organischen Matrize sind durch Wasserstoffbindungen verkettet und liegen in einer sekundären Struktur, der sogenannten β-Faltblattstruktur, vor.

Die Anordnung der stereochemisch verteilten Karboxylgruppen an der Matrizenoberfläche, an die sich die Kationen (Ca2+) binden und die initiale Nukleationsebene bilden, erfolgt in definierten Abständen. Von diesen Abständen hängt der polymorphe Karbonattyp ab (4,99 Å = Kalzit; 4,96 Å = Aragonit; 4,13 Å = Vaterit).

Auf dem Konzept der „organic matrix-mediated mineralisation“ basiert die EPS vermittelte Organomineralisation („exopolymer-mediated biofilm calcification“, Reitner, 1993).

Bei Biofilmen bilden die exopolymeren Substanzen (EPS) die organische Matrix. An diesen vollzieht sich die Verkalkung der Biofilme unter der Einwirkung metabolischer Prozesse der mikrobiellen Zellen. Die EPS bestehen aus sauren Makromolekülen, die vorwiegend aus Polysacchariden mit Karboxyl-Seitenketten (= Uronsäuren) aufgebaut sind (Decho, 1990;

Trichet & Defarge, 1995). Aufgrund ihrer Gel-artigen Konsistenz sind die EPS für die erste Anheftung von Mikroorganismen an die Substratoberfläche und für die interfazielle Chemie an der Mineral/Biofilm-Grenze von Bedeutung (Little et al., 1997).

Durch die EPS werden durch Gleichgewichtsreaktionen gelöstes organisches Material (DOM), Nährstoffe und Metallionen aus der umgebenen fluiden Phase an den Biofilm gebunden (Decho, 1990). Die divalenten Kationen (z.B. Ca2+) werden wie bei der „organic matrix-mediated mineralization“ an die negativ geladenen Karboxylgruppen (ein Metallkation an zwei COO -Moleküle) gebunden.

Erst bei Übersättigung der sauren Gruppen und Freisetzung des Ca2+ und entsprechender Karbonatalkalinität des fluiden Milieus (s.u.) beginnt die Nukleation von CaCO3-Kristallen an den sauren Gruppen (Arp et al., 1999a), die „zufällig“ in passender Struktur angeordnet sind. Im Gegensatz zur biologisch kontrollierten Mineralisation findet die an die EPS gebundene

Mineralisation an stereochemisch ungeordneten Karboxyl- und Sulfatgruppen statt. Das Wachstum der Kristalle erfolgt epitaktisch aus dem Ca-übersättigten Meerwasser (Reitner, 1994). Das Ergebnis sind mikrokristalline Fällungsprodukte innerhalb der EPS-Matrize des Biofilms (Arp et al., 2001).

In fossilen thrombolithischen und stromatolithischen Mikrobialithen sind diese in situ gefällten Mineralisate als dichte, mikrokristallin oder peloidal ausgebildete Kalziumkarbonate (Mikrite) erhalten. Reitner & Neuweiler (1995) postulieren für in situ gebildete Mikrite, deren Entstehung auf Ca-bindende organische Makromoleküle zurückzuführen ist, den Begriff „Organomikrit“.

Der von Wolf (1965) definierte Begriff „Automikrit“ wurde auf alle feinkörnige, autochthon gebildete, mikrokristalline bzw. peloidale Kalziumkarbonate durch Reitner et al. (1995) erwei-tert.

Die Entstehung peloidaler Mikrite bei thrombolithischen und stromatolithischen Mikrobialithen ist auf die in situ Verkalkung von Mikrobenhüllen an Ca-bindenden Makromolekülen zurückzuführen (Reitner, 1993; Reitner et al., 1995). Diese liegen innerhalb eines Mucus (EPS-Matrix) vor. Die klumpige Struktur des organischen Mucus, und entsprechend auch das Karbonat, ist in Zersetzungsprozessen begründet (Reitner, 1993).

Ein spezieller Typ von mikropeloidalen, authochton gefällten Organomineralisaten findet sich im Zusammenhang mit Schwämmen (Reitner, 1993). Nach dem Absterben des Schwammes zerfällt dessen Zellstruktur in ein klumpiges Gefüge, welches nach dem Modell der „EPS vermittelte Organomineralisation“ mineralisieren kann. Die Ca2+-Ionen, die an die organische Makromole-külmatrix gebunden werden, stammen aus den Zellen des Schwammes und von den Schwamm-assoziierten Bakterien sowie aus dem umgebenen Fluid. Die Keimkristallbildung findet innerhalb der EPS statt. Der unlösliche Teil der organischen Matrix besteht aus Kollagenfasern des Schwamm-Mesohyls (Reitner, 1993).

Die Verkalkung des Schwamm-Mesohyls wird durch die steigende Ammonifikation gefördert (Berner, 1968; Reitner, 1993). Beim Zerfall des Schwamm-Mesohyls werden unter anderem stickstoffhaltige Moleküle wie Proteine, Peptide und Aminosäuren abgebaut. Über metabolische Prozesse heterotropher Mikroorganismen, der Ammonifikation, entsteht Ammonium (NH4+) bzw., pH-Wert bedingt, Ammoniak (NH3). Eine ansteigende Ammonifikation führt zu einem Anstieg der Karbonatalkalinität (Summe der Ladungen von CO32- und HCO3--Ionen), die wiede-rum das Karbonatgleichgewicht beeinflusst. Die Mineralisation kann unter aeroben, disaeroben und anaeroben Bedingungen stattfinden (Reitner, 1993). Das Ergebnis der Verkalkung ist ein klumpig-peloidales oder dichtes, mikrokristallines Gefüge (Reitner, 1993), in dem die Anordnung der Schwammskleren gut erhalten bleibt. Die Reaktionen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

2 NH3 + CO2 + H2O > 2 NH4+ + CO3 2-NH3 + CO2 + H2O > NH4+ + HCO3

-Ca2+ + CO2 + 2 (N) + 6 (H) > CaCO3 + 2 NH4+